••• Von Georg Sohler
Wer heutzutage ein Fußballspiel sehen oder im Umfeld werblich präsent sein will, braucht einen guten Überblick. Die Herrenbundesliga zeigt Sky Sport Austria, die Frauen-Meisterschaft der ORF. Europacup der Herren zeigt ebenfalls der Pay-TV-Sender, aber aktuell auch ServusTV. Die Frauen-Königsklasse streamt Dazn, auch auf YouTube. Nationalteamspiele der Frauen sind im ORF zu sehen, die Herren aktuell nur manchmal. Denn die EM-Qualifikationsspiele teilten sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk und ServusTV auf, der Privatsender hatte Erstauswahlrecht. So zeigte man etwa das spannende 2:3 im Ernst Happel-Stadion gegen Gruppensieger Belgien, der ORF musste mit dem Kick in Aserbaidschan vorlieb nehmen.
So wird es auch bei der Euro sein, für die sich die Herren am Kaukasus und somit im ORF qualifizierten. Der Salzburger TV-Sender zeigt 31 Begegnungen, darunter das Eröffnungsspiel, die beiden Halbfinale, das Finale und alle Österreich-Spiele. Auch die Qualifikation für die Fußball-WM 2026 in den USA, Kanada und Mexiko ist bei ServusTVs zu seen. Die Endrunde sicherte sich nun der ORF.
„Wichtiges Zeichen”
Der ORF verlautbarte nämlich jüngst, dass man die Rechte an allen 104 Partien der erstmals mit 48 Nationen statt 32 ausgetragenen Herren-Fußballweltmeisterschaft erhält. Die österreichische Fußballnationalmannschaft war zwar seit 1998 nicht mehr für eine WM-Endrunde qualifiziert, nicht zuletzt der 2:0-Sieg im Test gegen Deutschland zeigt aber, dass unter Cheftrainer Ralf Rangnick einiges möglich scheint. Ein Argument dafür könnte auch sein, dass es bei insgesamt 16 Teilnehmern mehr als in Qatar 2022 drei Plätze mehr für Europa gibt.
ORF-Generaldirektor Roland Weißmann freut sich jedenfalls gegenüber medianet über das Rechte-Paket: „Das ist ein ganz wichtiges Zeichen eines ORF für alle. Eine Fußball-WM versammelt einen Monat lang das ganze Land vor den Bildschirmen bzw. Public-Viewing-Angeboten. Sollte sich dann, was wir uns als Fans ohnehin wünschen, das Nationalteam erstmals seit 1998 wieder qualifizieren, dann sind via ORF tatsächlich alle mit dabei, denn die Reise nach Kanada, Mexiko oder in die USA werden wohl nur wenige Fans auf sich nehmen können.”
Schwieriger Markt
Das ist keine Selbstverständlichkeit. Denn Sportrechte sind teuer – vor allem, weil sie massive Quotenbringer sind und gerade für lineares TV ein gewichtiges Argument. Gerade der Weltverband FIFA lässt sie sich einiges kosten. Die FIFA soll im WM-Jahr 2022 Einnahmen von 5,8 Mrd. USD lukriert haben, der Anteil der Erlöse am Verkauf von Übertragungsrechten dürfte laut Medienberichten die Hälfte ausmachen. Die UEFA kassiert für die aktuelle Rechteperiode mit den Bewerben Champions-, Europa und Europa Conference-League 15 Mrd. €.
Wie eingangs angedeutet, führt diese Entwicklung dazu, dass Fußballfans und jene, die sich mit dem Kick aufs Leder schmücken wollen, einen guten Überblick brauchen. Ein Beispiel aus Deutschland: Wer alle Spiele der höchsten Spielklasse live sehen will, braucht für die Freitag-20:30-Spiele Dazn, den Samstag zeigt Sky, am Sonntag beide, Sat.1 zeigt das Eröffnungsspiel, zwei Duelle am 16. und 17. Spieltag, die Relegation und den Super Cup, die Highlights laufen grundsätzlich im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, die Sonntags-Highlights aber unmittelbar nach Spielende bei Axel Springer.
Zusammenarbeit notwendig
„Kaum ein Markt ist so kompetitiv wie der Sportrechtemarkt”, weiß der ORF-Generaldirektor. Allerdings müsse es das Ziel eines ORF für alle sein, Sportübertragungen für alle zu ermöglichen und nicht hinter Bezahlschranken verschwinden zu lassen. Aber: „Öffentlich-Rechtliche, die zur sorgsamen Gebarung mit Gebührengeldern verpflichtet sind, müssen daher besonders kreativ sein – sei es mit Kooperationen, aktuell etwa mit ServusTV im Fußball und der Formel 1, oder mithilfe der EBU (Anm.: Europäische Rundfunkunion), etwa was Olympia betrifft.” Demzufolge müsse der Sender und somit auch Fußballfans zur Kenntnis nehmen, dass gewisse Sportrechte wie die Champions League nicht finanzierbar sind. Apropos Zusammenarbeit: Es ist nicht ausgeschlossen, dass der ORF Spiele an andere Sender weitergibt.
Denn die Zusammenarbeit mit ServusTV sei sehr zufriedenstellend, bei der Formel 1 ging man jüngst in die Verlängerung. ServusTV als Rechtehalter und der ORF als Sublizenznehmer werden auch mit Start der neuen Rechtperiode ab 2024 für drei weitere Jahre kooperieren und die Königsklasse des Motorsports live im österreichischen Free-TV präsentieren. Bis einschließlich 2026 wird jeweils die Hälfte der Rennen pro Saison bei ServusTV und im ORF live zu sehen sein. „Diese Kooperation hat sich bei der Formel 1 hervorragend bewährt, die Reichweiten sind sogar angestiegen, und auch im Fußball sprechen die Zahlen dafür, dass die Fußballfans ihr Wunschprogramm finden”, bilanziert der ORF-Generaldirektor.
Freude beim Verband
Der österreichische Fußballbund ÖFB hat nun seines dazu beigetragen, um Euphorie zu entfachen. Präsident Klaus Mitterdorfer will aber eines nach dem anderen angehen: „Nach der erfolgreichen EM-Qualifikation ist es jetzt das große Ziel, bei der Endrunde im Sommer 2024 eine gute Rolle zu spielen. Danach liegt der volle Fokus darauf, die erste WM-Teilnahme seit 1998 zu schaffen.”
Zur EM dürfen seit 2016 24 Nationen fahren, zur WM mit 16 drei mehr als früher. Das wird sportlich trotz der angesprochenen Vergrößerung des Teilnehmerfelds keine leichte Aufgabe. Dass die WM-Endrunde mit vielleicht sogar Alaba und Co. im ORF laufen wird und somit Klarheit herrscht, hilft bei den Planungen. Ein kleines Unterfangen ist das. Der Fußballbund setzt 2023 wohl über 50 Mio. € um, zehn Mio. können aus dem Sponsoring lukriert werden. „Als ÖFB ist uns natürlich daran gelegen, dass bereits frühzeitig sowohl für unsere Fans als auch unsere Partner eine bestmögliche Abdeckung und Präsenz im nach wie vor reichweitenstärksten Medium des Landes gewährleistet ist.”
Gut vermarktet
Wie die Tabelle auf dieser Seite zeigt, lieben die Menschen Livesport. In den letzten zehn Jahren, wann immer im grundsätzlichen Zweijahresrhythmus Herren-Fußball-Endrunden waren, gab es die Topquoten für Fußballspiele. „Ohne Zweifel sind 104 WM-Spiele ein absolutes Vermarktungs-Asset, die Werbetreibenden das stärkst-mögliche mediale Umfeld bietet. WM-Spiele garantieren hohe Marktanteile in allen Zeitzonen”, meint Weißmann dazu. Auf schöne Bilder von der anderen Seite des Atlantik hoffen natürlich auch die Sponsoren – im Idealfall mit den rot-weiß-roten Kickern.
Ein Unternehmen, das den Fußball in Österreich schon lange unterstützt, ist zum Beispiel die Salzburger Privatbrauerei Stiegl. Thomas Gstaltmaier, Stiegl-Generalrepräsentant, erklärt etwa auf Anfrage: „Als einer der Hauptsponsoren des ÖFB ist für uns die WM 2026 in Übersee natürlich sehr wichtig, denn jedes Fußball-Großereignis bietet zahlreiche Anlässe für ‚bierige' Zusammenkünfte, gemeinsames Mitfiebern, Daumenhalten und Feiern.” Er hofft natürlich darauf, dass sich die Herrennationalmannschaft nach der Europameisterschaft auch für diesen Großevent qualifiziert. „Auf jeden Fall freuen wir uns, dass die österreichischen Fußball-Fans 2026 die Möglichkeit haben werden, im privaten Kreis oder bei Public Viewings die WM-Spiele am TV-Schirm live mitzuverfolgen und mit einem Stiegl-Bier auf viele Tore anzustoßen”, so Gstaltmaier weiter.
Voller Fokus
Mediale Unterstützung gibt es aber nicht nur für die Herren. Auch das ÖFB-Frauen-Nationalteam arbeitet sich seit Jahren Stück für Stück an die Spitze heran. Die Elf von Teamchefin Irene Fuhrmann trifft heute und am 5. Dezember live auf ORF bzw. Sport+ auf Frankreich und Norwegen. Es geht um den Verbleib in der Nations League – die Männer schafften das nicht. Dass die Spiele im öffentlich-rechtlichen Fernsehen laufen, ist für Weißmann eine Selbstverständlichkeit.
„Konsequenz zahlt sich aus”
„Der ORF-Sport verfolgt seit Jahren konsequent und generell das Ziel, den Anteil der Frauen zu erhöhen und ist mittlerweile ein Vorbild, wenn man etwa einen Blick in die Zeitungsredaktionen wirft”, kann er sich den einen Seitenhieb nicht ersparen. Im TV ist das aber auch ersichtlich: „Den Frauen-Fußball in Österreich hat der ORF in den vergangenen Jahren entscheidend gepusht, als sich nur wenige dafür interessiert haben. Auch das gehört zum kreativen Umgang mit Sportrechten. Die Quoten, die das Frauen-Nationalteam später etwa bei den beiden EM-Teilnahmen erreicht hat, waren Lohn und Bestätigung für die Sportlerinnen und den ORF gleichermaßen. Frauenfußball ist angekommen, um zu bleiben.” Wie ernst man den Frauenfußball nimmt, unterstreicht nicht zuletzt die Tatsache, dass der ORF kurzfristig sogar das WM-Playoff der Juniorinnen am 4. Dezember zeigen wird. Dabei geht es den U19-Spielerinnen um die Qualifikation für die Weltmeisterschaft.
Fußball und somit Livesport, das passt eben noch immer zu einem TV-Sender und auch zum Werbeumfeld. Hinsichtlich der Weltmeisterschaft 2026 in Übersee fehlt dann im Grunde genommen nur noch eines: Dass die ÖFB-Herren die Qualifikation schaffen.