Kommunikation neu gedacht
© Ela Angere
MARKETING & MEDIA Redaktion 15.11.2019

Kommunikation neu gedacht

Das Kommunikationsverhalten verändert sich. Annabel Loebell und Grazia Nordberg (l.) über die notwendige Reaktion der PR.

••• Von Laura Schott  und Interview mit Oliver Jonke

No guts, no glory” leuchtet es einem in großen Lettern entgegen, wenn man die Agentur Loebell Nordberg betritt. Ein Motto, das sich für ihre Eigentümerinnen Annabel Loebell und Grazia Nordberg in den letzten 18 Jahren bewährt hat – heute noch mehr als je zuvor. Denn es bringt auf den Punkt, was für die Branche und ihre Kunden heute überlebenswichtig ist: Mumm. „Es zeigt, dass man Mut braucht zu Ideen. Dass eine Sehnsucht von Medien, Rezipienten und Unternehmen danach existiert, diesen Mut zu haben”, erklärt Loebell. Die immer kleiner werdende Aufmerksamkeitsspanne der Konsumenten könne mit den klassischen PR-Tools nicht mehr bedient werden – zumindest nicht mehr in der Ausschließlichkeit und Sturheit, wie es in vielen Agenturen vor einigen Jahren noch oft der Fall war: Presseaussendung, Pressegespräch, Interview und als Höhepunkt die Nachfrage der PR-Agentur, ob die Aussendung denn auch erhalten worden sei.

Zeit für ein neues Medium

„Ich kann es ja schon nicht mehr hören”, sagt Nordberg, „aber es ist ein Transformationsprozess.” Ein Transformationsprozess, der von den klassischen Medien zunächst zu Social Media geführt hat. Doch nach guten zehn Jahren ist auch dieses Medium überholt, sind sich Loebell und Nordberg einig, und macht Platz für Neues. Das Medium, das dem Geist der heutigen Zeit und ihrer Konsumenten entspricht, ist für sie das älteste überhaupt: der Mensch. Man müsse heute Kommunikatoren finden, die Einfluss auf die anzusprechende Zielgruppe haben und einen hohen Grad an Authentizität aufweisen. Opinion Leaders, aber weniger linear – vielmehr gehe es darum, Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Gruppen zu finden, die auf den ersten Blick gar nicht sehr viel miteinander zu tun haben, erklärt Nordberg: „Jemandem Kunst zu verkaufen, der kunstaffin ist, ist simpel. Da übermittle ich meine Botschaft dann etwa über einen Kunstverlag oder eine Kunstveranstaltung. Doch um auch die anzusprechen, die sich nicht offensichtlich für Kunst interessieren, muss ich jemanden finden, dessen Interessen sich in einem anderen Gebiet mit denen meiner Zielgruppe überschneiden. Und meine Botschaft über diesen weniger offensichtlichen Weg spielen.” Es handle sich dabei nicht um plumpe Manipulation des Rezipienten, sondern schlichtweg um eine intelligentere Art der Kommunikation, die den gemeinsamen Nenner unterschiedlicher Menschen nutzt.

Das Schaffen von Analogien

Als anderes fiktives Beispiel dient der Vorstand einer Linzer Chemiefirma, der sich als Mentor positionieren möchte. „Natürlich kann ich eine Presseaussendung über Karriereprogramme im Unternehmen schreiben und ausschicken. Aber was bleibt dann hängen? Der nächste Vorstand, der auch etwas zum Thema Recruiting zu sagen hat, interessiert schon einmal niemanden mehr”, erklärt Nordberg.

Um aus dem Thema eine wirklich relevante Geschichte entstehen zu lassen, könne man etwa folgendermaßen vorgehen: Der Vorstand trifft sich mit Dominic Thiem, um mit ihm darüber zu sprechen, was es heute im Vergleich zu früher bedeutet, Karriere zu machen und mit Niederlagen umzugehen. So werden Analogien zwischen zwei Welten geschaffen, indem Themen mit unterschiedlichen Perspektiven aufgerollt und in Verbindung gebracht werden: Einerseits auf der Themenebene zwischen Dominic Thiem und dem alteingesessenen Geschäftsmann, die über ein gemeinsames Thema sprechen, das man diesen so unterschiedlichen Menschen nicht gleich auf den ersten Blick zusprechen würde. Andererseits zwischen den beiden Gesprächspartnern und den Rezipienten, die über die Person Dominic Thiem und das Thema wiederum einen Zugang zu dem Vorstand und seiner Positionierung als Mentor finden.
„Mit Dominic Thiem über Tennis zu sprechen, ist zu naheliegend. Interessant wird es, wenn man anfängt, weniger offensichtliche Parallelen zu finden”, erklärt Nordberg. „Genau zu diesem Querdenken wollen wir unsere Kunden bringen, um den Drive spannender Talente ganz anderer Welten und deren Communities für die eigene Positionierung und Themenplatzierung nutzen zu können.”

Dominic Thiem wird dann selbst zum Medium und der Vorstand der Chemiefirma so an die für ihn relevante Zielgruppe gebracht. „Und dafür interessieren sich die Medien dann auch, weil ich eine gute Story habe, die auch auf einem Metathema einen guten Diskurs bringt”, sagt Nordberg, und Loebell ergänzt: „Menschen werden also zu Medien. Und Medien werden zu Filtern.”

„Keine Erfüllungsgehilfen”

Das Beispiel des Vorstands kommt nicht von irgendwo. Loebell Nordberg hat sich neben dem „Tagesgeschäft” auf das Reputation Management auf CEO-Ebene spezialisiert und berät Manager in Sachen Positionierung und Change Management – ein Feld, das sehr gut angenommen werde, sagt Loebell: „Die Kunden schätzen es, dass wir ihnen die Meinung sagen und sie sich mit uns auf Augenhöhe austauschen können.”

Ebendiese Augenhöhe sei es, was auch die übrigen Kunden der Agentur an Loebell Nordberg schätzen. „Wir sind keine Erfüllungsgehilfen, wir sind Berater”, sagt Nordberg. „Wir machen einfach nicht, was der Kunde uns sagt – ich glaube, das ist unser Leitfaden. Wenn mir jemand sagt ‚Schreiben wir doch eine OTS', dann kann ich damit nichts anfangen. Gehen wir doch einmal drei Schritte zurück und überlegen uns deine Positionierung und wo du hinwillst. Eine OTS kann sich die interne PR des Kunden auch selbst schreiben.”

Konservativ und innovativ

Die beiden Gründerinnen machen sich nichts vor: Nicht jeder Kunde komme mit dieser Einstellung zurecht. Doch die, die es tun, würden die Tatsache schätzen, mit Loebell Nordberg einen ebenbürtigen Sparringspartner zu haben, der ihre Businessprobleme erkennt und in eine Kommunikationsstrategie übersetzt. Als ausschlaggebend für das Gewinnen von Pitches sehen sie außerdem die Balance zwischen Konservativität und Innovation in ihrer Arbeit: „Es ist meistens die Mischung aus sehr kreativen Ideen und einem klaren Grundrauschen, das umsetzbar und realistisch ist. Es ist wichtig, kreativ zu sein, gleichzeitig aber auch zu zeigen, dass man nicht total abgehoben ist und die Idee auch auf den Boden bringen kann”, erklärt Loebell.

Service für den Journalismus

Die Voraussetzungen dafür bringen Annabel Loebell und Grazia Nordberg unter anderem aus ihrer beruflichen Vergangenheit mit: Aus der „konservativen Economy” stammend, wie sie es selbst beschreiben – Loebell als Juristin, Nordberg aus dem Bankwesen –, fanden sie sich beide zunächst im Journalismus wieder. Um schließlich von ihrem allerersten Kunden, der Rechtsanwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, engagiert zu werden. In die PR wollten sie beide nie, doch schließlich waren sie von dem Ansatz, dem Journalismus durch ihre Arbeit eine Serviceleistung bieten zu können, überzeugt, und nahmen den Auftrag an.

„Horvath, der damals Managing Partner bei Freshfields war, hat uns ganz bewusst anstelle einer großen PR-Agentur ausgewählt. Denn er wollte jemanden, der weiß, was Freshfields macht und andererseits auch versteht, was Journalisten brauchen”, erklärt Nordberg. Bis heute ist Freshfields Kunde von Loebell Nordberg. Und auch der USP, eine Vermittlerrolle zwischen Unternehmen und Journalisten einzunehmen, ist der Agentur erhalten geblieben: „Wir haben uns das damals auf die Kappe geschrieben und versuchen bis heute, es so zu machen.”

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