Kreative Archetypen
© Florian Schürzenbaum
TabakfabrikDas Kreativzentrum Tabakfabrik in Linz: Ein gelungenes Beispiel, meint Katzmair. Hier setze man schon bei der Auswahl der Mieter auf den richtigen Mix.
MARKETING & MEDIA sabine bretschneider 05.10.2018

Kreative Archetypen

Warum man in Wien keine Wale fängt – und welche Archteypen ein kreatives Ökosystem braucht, verrät Harald Katzmair.

••• Von Sabine Bretschneider

WIEN. Anlässlich des Tages der Marktkommunikation am Mittwoch, 10. Oktober, im Wiener MuseumsQuartier referiert Harald Katzmair, Gründer und Geschäftsführer von FASresearch, über „Die Ökologie von Kreativität – eine Analyse der Wiener Kreativbranche”.

medianet hat im Vorfeld dazu ein Gespräch mit Katzmair über die Entstehung und den Erhalt kreativer Ökosysteme geführt, über die dafür notwendigen zwölf Archetypen – und darüber, dass Wien eben doch kein Silicon Valley ist.

Lücken im „Produktzyklus”

Für den Standort einer Innovations- und Kreativökologie braucht es verschiedene Faktoren – „und, noch wichtiger, verschiedene ‚Rollen' und Charaktere innerhalb dieses Ökosystems”, sagt Katzmair.

„Erklärt am Beispiel des ‚Produktlebenszyklus' eines Start-ups: Am Beginn steht das Wachstum, dann folgt eine Phase der Etablierung, schließlich aber kommt der Zeitpunkt, an dem das Etablierte infrage gestellt wird. Eine Krise – etwa das Auftreten eines starken Mitbewerbers – zwingt das Unternehmen dazu, sich neu zu erfinden.” Was jetzt folge, sei die „Desillusionierung”. Katzmair: „Zu diesem Zeitpunkt braucht es aber nicht mehr nur die Entdecker, die Pioniere, die Forscher, sondern ganz andere Rollen, andere ­Charaktere: jemand, der sich kümmert, einen ‚Umsorger', einen Mentor, der die Desillusionierten auffängt, einen, der Plan B und C aus der Schublade zieht.”

Zu enger Fokus

Gebe es entlang der Produktlebenszyklusschleife einer Innovationsökologie diese Rollen nicht, dann könne der Zyklus nicht gelingen. Dieses Modell, davon ist Katzmair überzeugt, könne man „auf Branchen anwenden, auf Städte oder auf eine ganze Gesellschaft”.

Das Problem an der jetzigen – auf Start-ups und Accelerators fokussierten – Ökonomie sei, genauer betrachtet, dass damit „immer nur eine einzige Phase abgebildet wird” – die Gründer und die Investoren; alle anderen kämen in diesem Modell der Creative Industries nicht vor.
Katzmair: „Es gibt die Idealisten, die Kreativen … aber es fehlen beispielsweise die Entscheider.” Das Resultat dieser verkürzten Perspektive: „30-Jährige, die 80 Stunden in der Woche arbeiten und dann aufgekauft werden.”

Andere Bedingungen

In den USA funktioniere dieses System auch nur, deshalb weil es diesen „Überfluss an Menschen” gebe – und einen harten Selektionsprozess. In Österreich müssten wir „mit unseren eigenen Karten spielen und anders mit den Menschen umgehen”. Katzmair: „Diese Strategie ‚Aus einem von 100.000 wird ein Stage 1-Investment', wäre hier Unsinn. Was wir brauchen, sind sich selbst erneuernde Ökosysteme, wo es uns gelingt, auch die Gescheiterten und die Enttäuschten wieder zurückzu­holen.”

Eine Frage der Perspektive

„Es gibt dieses Sprichwort ‚If you want to raise dolphins, you need an ocean. If you want to have frogs, you need a pond”, so der FASresearch-Chef. „Hier an der Donau können wir maximal Störe und Hechte fangen – also hört mir damit auf, von Walen zu reden.”

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