••• Von Jakob Schott
Im Februar klagte die Caritas einen Facebook-Poster, der behauptete, die Hilfsorganisation würde Smartphones an Flüchtlinge verteilen. Es handelte sich dabei um eine Falschnachricht.
Derartige Meldungen verbreiten sich im Internet wie ein Lauffeuer und sind oft auch dann nicht aus der Welt zu schaffen, wenn sie sich als falsch herausstellen. Sie sind deshalb demokratiepolitisch gefährlich. Der Medienexperte und Professor an der Universität Wien, Fritz Hausjell, wurde dazu befragt, was man dagegen tun kann, dass diese Falschmeldungen in Umlauf geraten.
Enorme Reichweiten
Die Caritas verteilt also keine Smartphones an Flüchtlinge. Man könnte meinen, dass die Behauptung an sich derart abstrus sei, dass es schwerfällt einzusehen, wie jemand tatsächlich vor dem Gerichtsurteil daran glauben konnte. Ein Blick auf die Faschingsfeiern in Klagenfurt letzten Monat zeigt, wie groß die Reichweite dieser Fake News geworden ist. Hausjell sieht Soziale Medien in der Verantwortung. Wie kann es sein, dass solche Lügen hartnäckig bestehen, obwohl es leicht wäre, sich von ihrer Falschheit zu überzeugen? Ein Blick in die Wissenschaft kann Einblick darüber geben, wie leicht Menschen Behauptungen übernehmen, die mit ihrem Weltbild vereinbar sind.
Yale Law School Professor Dan Kahan widerspricht all jenen, die Unbildung und irrationales Verhalten in der Bevölkerung für das Misstrauen in die Wissenschaft verantwortlich machen.
Resistent gegen Fakten
Er beschäftigt sich mit der Frage, wieso Menschen so resistent gegen Fakten sein können und gleichzeitig so absurde Behauptungen unkritisch übernehmen können. Anhand wissenschaftlich ermittelter Daten zeigt Kahan, dass mit höherem Bildungsgrad das Bewusstsein etwa für die Gefahren des Klimawandels nicht steigt.
Mit erhöhter wissenschaftlicher Bildung steigt eher die kulturelle Polarisierung, da sich die gebildete Schicht besser artikulieren kann und so Argumente für ihre Positionen findet. Wir können also nicht darauf hoffen, dass eine große Anzahl von Menschen sich mit Fragen wie dem Klimawandel beschäftigt und dann zu einem übereinstimmenden Ergebnis kommt.
Für Kahan ist die motivierte Schlussfolgerung (motivated reasoning) dafür verantwortlich, dass Menschen selbst mit der gleichen Beweislage zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Mitglieder einer Gruppe tendieren dazu, die Welt so wahrzunehmen, dass sie ihrem Weltbild entspricht.
Die meisten Menschen vertrauen denen, die sie in bestimmten Angelegenheiten für Experten halten. Allerdings ist das Problem, dass es oft schwer ist, echte Expertise von Wichtigtuerei zu unterscheiden. Die Lösung besteht laut Kahan in der Kontrolle der Kommunikationskanäle. Sie dürfen nicht missbraucht werden.
Kahans Fokus auf die Wissenschaft lässt sich vielleicht auch auf den Fall der Handy-Geschenke der Caritas umlegen. Sowohl Staat als auch die Medien selbst sind in der Verantwortung, die Kommunikationskanäle zu schützen. Immer wieder ist der Ruf nach stärkerem staatlichen Vorgehen gegen Falschmeldungen zu hören; Medien sollten von einer Kontrollinstanz sanktioniert werden.
Soziale Medien in der Pflicht
Auf den ersten Blick erscheint es auch sinnvoll, die staatliche Kontrolle für die Wissenschaft auch für den Rest der Medien zu fordern. Plattformen wie Facebook bieten Informationsangebote an, und manche Fälle lassen sich auch leicht als Falschmeldungen qualifizieren.
Fritz Hausjell schwächt die Forderung nach starker staatlichen Kontrollorganen jedoch ein wenig ab: „In einer guten Demokratie regelt sich ein gewisser Grenzbereich selbst. Offensichtlich Falschmeldungen in den Medien werden ohnehin sanktioniert.”
Klassische Medien befinden sich in einem rechtlichen Rahmen, mehr Kontrolle ist demokratiepolitisch fragwürdig. Die Verbreitung von Falschmeldungen, wie es etwa der Fall der Caritas zeigt, wurde eher von Facebook oder Twitter getragen.
Prüfung des Wahrheitsgehalts
Hier sieht Hausjell ein Grundproblem: Würden Facebook oder Twitter wie klassische Medien behandelt, würden sie auch für die Verbreitung von Falschmeldungen haften. Staatliche Maßnahmen, die sich schützend vor geschädigte Personen stellen, wären zwar wünschenswert, „das ist aber schwierig, weil man diese Regelungen international treffen müsste”, so Hausjell.
Statt der staatlichen Regelungen baut Hausjell auf die positive Kraft des klassischen Journalismus. Dieser hat die Möglichkeit, den Gerüchten nachzugehen und sie als Falschmeldungen zu demaskieren. In einigen wenigen Fällen ist es Journalisten gelungen, die Verursacher der Lügenverbreitung sogar ausfindig zu machen.
Reporter hätten die Aufgabe, den Gerüchten nachzugehen und auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Im Idealfall würden sie auch dokumentieren, auf welche Weise sie geprüft haben. Das gibt den Lesern die Möglichkeit, sich kritisches Know-how anzueignen.
Dass die Ausforschung der Schuldigen so mühselig ist, liegt an den Betreibern der Internetplattformen, die Informationen über Nutzer nur ungern herausrücken. Würden sie nun selbst für ihre publizierten Inhalte verantwortlich sein, könnte zwar die Anonymität der Nutzer noch gewährleistet werden, aber die Plattformen müssten selbst ihren Kommunikationskanal reinigen. Facebook und Twitter zeigen sich hier nicht hinreichend kooperativ.
Ein zentrales Problem sieht Hausjell in der internationalen Regelung. Er erklärt dies am Beispiel des Verbotsgesetzes: „In den USA hat das Verbotsgesetz nicht die gleiche Tragweite wie in Europa. Das liegt an unserer Geschichte. Allein daran erkennt man, wie schwierig es ist, zu einer Lösung auf internationalen Ebenen zu kommen.”
Für Hausjell sind zwei Aspekte äußerst wichtig im Umgang mit Falschmeldungen: einerseits die Vermittlung von Medienkompetenzen an Schulen. Dabei darf man sich allerdings keinen Illusionen hingeben. Der Großteil der Mediennutzer hat nicht die Zeit und Lust, Gerüchten selbst nachzugehen und mit anderen Medienberichten zu vergleichen.
Was meist bleibt, ist das Vertrauen in die klassische Medienlandschaft, die sich kritisch mit Meldungen und Gerüchten auseinandersetzt und die Hoffnung, das sich der Staat schützender für geschädigte Personen einsetzt.