••• Von Gianna Schöneich
WIEN. Während im Kunsthistorischen Museum in Wien Hunderte auf ihr Zeitfenster warten, um die Sonderausstellung „Bruegel” zu sehen, rätseln in der Ägyptisch-Orientalischen Sammlung Gruppen von vier bis acht Personen um die Wette. Sie sind auf einer abenteuerlichen Reise durch das antike Ägypten, Griechenland und Rom – sie sind auf einem Mystery Hunt.
Seit Anfang Oktober fordert die Sphinx Kleingruppen im Kunsthistorischen Museum heraus. In Anlehnung an den Film „The Da Vinci Code” müssen Geheimnisse und Rätsel aus der Vergangenheit gefunden und gelöst werden.
Mystery Makers
Sogenannte Live-Adventure-Games boomen derzeit vor allem in ihrer Ausführung als Live Escape Games oder Escape Rooms. Kleingruppen müssen durch das Lösen von Rätseln aus einem Raum entwischen oder Missionen erfüllen, wie beispielsweise einen tödlichen Virus durch das Knacken verschiedener Codes vernichten.
Die ersten Live Escape Games entstanden im Jahr 2007 in Japan, seither werden immer wieder neue Unternehmen gegründet und neue Games konzipiert. Allein in Wien gibt es zahlreiche Anbieter.
Die Geschichte von des Unternehmens Mystery Makers beginnt im Jahr 2010 in Dänemark: Zwei Freunde entwarfen für ein Paar, das heiratete, ein Mysterygame und verkauften dieses zum Spaß im Internet. Heute hat das Unternehmen schon zahlreiche Mystery Rooms umgesetzt. Immer wieder begibt sich das Team auf die Suche nach neuen Locations für ihre Games. Auf der Suche nach einem Museum stieß man auf das Kunsthistorische Museum.
„Die Kunstvermittlung es KHM hat bereits vor einigen Jahren eine Schnitzeljagd, die sich insbesondere an Kinder und Jugendliche richtet, entwickelt, die sehr erfolgreich war. Die Mystery Makers haben sich auf der Suche nach einer passenden Museums-Location an uns gewandt, und das KHM hat der Zusammenarbeit aufgrund der positiven Erfahrungen mit einem vergleichbaren Format sehr gern zugestimmt”, erzählt Sabine Haag, Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums, auf Nachfrage von medianet.
Seit 10. Oktober kann das Kunsthistorische Museum so auf neue Art und Weise erkundet werden. Den Teams wird eine Box ausgehändigt, die mit zahlreichen Umschlägen im antiken Design bestückt ist. Die einzelnen Kuverts beinhalten Aufgabenstellungen, die sowohl den Intellekt fordern, als auch die soziale Kompetenz und die Zusammenarbeit in der Gruppe. Während man sich über die jahrtausendealten Sarkophage beugt und die Grabbeigaben der alten Ägypter bestaunt, heißt es Rätsel lösen. Dabei lernt man einiges über die Exponate des Museums und beschäftigt sich mit einzelnen Räumen.
Auf sich allein gestellt
Anders als bei anderen Live Escape Games, wird die Gruppe nicht über Monitor von einem Spielleiter beobachtet. Dieser kann im Zweifelsfall eingreifen und wertvolle Tipps geben. Im Museum ist man auf sich allein gestellt – wer nicht weiterkommt, findet allerdings kleine Tipps in den Umschlägen. Gleichzeitig fällt auch der Zeitdruck weg. Zwar sollte das Spiel in 90 Minuten gelöst werden, ohne fehlenden Spielleiter achtet aber niemand auf die Zeit. Somit entfällt auch ein großer Faktor der Live Escape Games: Der Kampf gegen die Zeit und die Anspannung, die jeden befällt, der schon einmal einen Escape Room lösen musste, gibt es hier nicht.
Dafür können die Ausstellungsräume aber erkundet werden: Zwischen den Rätseln einfach stehen bleiben und über das Museum, die Gemälde, Skulpturen, Wandbemalungen oder Edelsteine staunen. Vor allem die Location ist es, die dieses Live-Adventure-Game zu etwas Besonderem macht. Man fühlt sich wie Robert Langdon, Held aus dem Film „The Da Vinci Code”, der im Louvre, dem Kunstmuseum in Paris, auf zahlreiche Geheimnisse stößt.
Alternative zur digitalen Welt
Gleichzeitig findet sich wohl der ein oder andere in einer Location wieder, die er ohne den Mystery Hunt so schnell wohl nicht besucht hätte, und wer einmal im Kunsthistorischen Museum ist, der schaut sich auch gern weiter um. Das 100% analoge Spiel ist eine Alternative zu unserer digitalen Welt. Auf die Frage, was sich das Kunsthistorische Museum durch das Rätselspiel erhofft, sagt Haag: „Die Mystery Hunt richtet sich an ein neugieriges und offenes Publikum. Das Format kann zum Teambuilding eingesetzt werden oder einfach ein neues, innovatives Museumserlebnis bieten. Das KHM erhofft sich eine gute Mundpropaganda sowie daraus resultierend weitere Museumsbesuche der Mystery Hunt-Teilnehmer.”
Marketing für Museen
Im Gegensatz zum klassischen Marketing kann die Aufgabenstellung des Kulturmarketing als komplexer betrachtet werden. Museen erfüllen einen künstlerischen, wissenschaftlichen und einen Bildungsauftrag. Gleichzeitig muss wirtschaftlich gehandelt und ein Deckungsbeitrag erwirtschaftet werden.
Beide Felder heutzutage zusammenzubringen, dürfte mittlerweile anspruchsvoller geworden sein. „Die Anforderungen an ein lebendiges und inklusives Museum haben sich gegenüber früher sehr verändert bzw. erweitert. Die reine Präsentation von Objekten genügt heute nicht mehr, sondern die Besucher erwarten ein spannendes Storytelling sowie ein breites Angebot von Ausstellungen, Shops, Gastronomie und Kunstvermittlung. Das macht die Museumsarbeit heute komplexer und dynamischer, aber auch kostenintensiver”, erklärt auch Haag. Welche Rätsel beim Mystery Hunt gestellt werden, darf natürlich nicht verraten werden – so will es der Verhaltenskodex der Spieler von Live Adventure Games. In jedem Fall lohnt es sich, das Kunsthistorische Museum auf diese neue Weise zu entdecken und sich und die anderen Gruppenmitglieder noch etwas besser kennenzulernen.
Weitere Informationen:
www.mysteryhunt.at
www.khm.at