••• Von Dinko Fejzuli
Die deutschen Privaten hatten „Big Brother”, das einige Monate davor on Air ging, und der ORF hatte im Herbst 2000 das Reality-Format „Taxi Orange”. 13 Menschen, die gemeinsam ein Taxiunternehmen betrieben, gemeinsam lebten, feierten und stritten und das 24 Stunden täglich von Kameras begleitet.
Sehen wollte das fast jeder, denn die Quoten für das von Kathi Zechner in Auftrag gegebene, von Mischa Zickler entwickelte und von Oliver Auspitz und Dodo Roscic moderierte Format feierte große Zuschauererfolge und war das Gesprächsthema von Herr und Frau Österreicher.
Jung & Alt: Alle sahen zu
Im Schnitt zog die Sendung 653.000 Zuschauerinnen und Zuschauer in ihren Bann (28% MA, 12–29: 52%, 12–49: 42% E50+: 14%) Das Finale zog sogar eine satte Million Menschen vor die TV-Geräte und bescherte dem ORF in allen Zielgruppen Spitzenwerte. Der weiteste Seherkreis lag bei 5,9 Millionen Seherinnen und Sehern, das entspricht rund 85% der Österreicherinnen und Österreicher.
„Das war auch vermutlich eines der Erfolgsgeheimnisse dieser Sendung, denn wir haben damals mit ‚Taxi Orange' alle Zielgruppen gleichermaßen erfolgreich ansprechen können”, so Dodo Roscic, gemeinsam mit Oliver Auspitz, heute erfolgreicher Filmproduzent, die Moderatorin des damalige Erfolgsformats und heutige Chefin der Formatentwicklung im ORF.
Die Situation am Markt war nämlich durchaus interessant, denn ein paar Monate davor war auf einem Privaten Sender das Reality-Format „Big Brother” mit großem Erfolg gestartet und dem wollte man etwas entgegenstellen, dem aber selbstverständlich auch der Geist des Öffentlich-rechtlichen innewohnte.
Mit „Taxi Orange”, bei dem ein Dutzend junger Menschen, eine Mischung der Gesellschaft, aufeinandertrafen, die gemeinsam wohnten und mit ihrem Taxiunternehmen auch ihren Lebensunterhalt zu verdienen hatten, traf man genau ins Schwarze.
Trotzdem gab es Kritiker außerhalb, aber auch innerhalb des Formats, was dann letztendlich unter der dann später neuen Generalintendantin Monika Lindner zum Aus für das Format führte.
Roger Willemsens Fürsprache
Selbst der Auftritt des deutschen Publizisten Roger Willemsen, der sich für das Format aussprach, konnte langfristig dessen Ende nicht verhindern – was überrascht, denn die Zahlen von „Taxi Orange” haben eine andere Sprache gesprochen.
So holte die erste Staffel gesamt im Schnitt eine Reichweite von 653.000 Zuschauern, was einen durchschnittliche Marktanteil von 28% bedeutete, und bei 12–49 waren es sogar 42%.
Nichtsdestotrotz; Nach zwei Staffeln ging das Licht für „Taxi Orange” aus, aber dafür kamen neue Formate wie „Die große Chance” und andere.
Die Idee zu „Taxi Orange” selbst kam von Kathi Zechner, die Sendung entworfen hat Mischa Zickler und das Gesicht des ORF-Straßenfegers war wie erwähnt gemeinsam mit Oliver Auspitz die damals 27jährige Dodo Roscic.
Über die Zusammensetzung „Taxi Orange”-Protagonisten meint Roscic heute: „Die Teilnehmer waren Frauen und Männer, die die Gesellschaft in ihrer Vielfalt widerspiegelten. Einzig Kritik gab es daran, dass es eine Sendung über Taxifahrer gab, wo kein Mensch mit Migrationshintergrund dabei war.”
Und einer dieser Protagonisten war Robert Höchtl, der damals mit 26 Jahren im Herbst 2000 relativ offen mit seiner Homosexualität umging. Es blieb ihm aber auch nichts anderes übrig, wie er heute rückblickend meint: „Ich wollte mich ja am Anfang eher als bisexuell verkaufen, weil ich dachte, das geht bei den Leuten eher leichter durch, aber schon in der ersten Folge war klar, dass das nicht halten wird.”
Negative Auswüchse nach Ende der Staffel gab es nicht, so Höchtl. Zwei Mal sei er auf offener Straße verbal angegriffen worden, aber dem habe er sich immer gestellt, und sei nie zurückgewichen.
Den Titel „Mama” habe er übrigens bis heute behalten, so Höchtl, und dieser sei schließlich ja etwas mehr als Positives und er trage ihn auch in seinem heutigen Beruf im Sozialbereich mit Stolz.
Gäbe es ein Format wie „Taxi Orange” heute, würde er übrigens „sofort” wieder mitmachen, so Höchtl. Und auch Roscic pflichtet ihm bei, wenn sie heute, aus der Sicht der Programmmacherin und Ideenentwicklerin, sagt, dass es durchaus interessant wäre, eine Art Spin-off auf den Weg zu bringen.
Einiges wäre natürlich anders: 2020 gibt es das Internet längt und man könnte die Kandidaten quasi 24/7 im Netz beobachten und via Handy abstimmen, wer bleiben soll und wer gehen muss.
Facebok, Instagram und Co. gab es damals natürlich nicht. „Mit Social Media, da wär was losgewesen”, so Roscic über die Einbindung der Zuschauerinnen und Zuschauer und damit meint sie, aber auch Mama Robert, nicht nur die positiven Seiten.
Wenig Negatives
Klar hätte es auch negative Kommentare zu seiner Person gegeben, aber die hat er alle gut wegwischen können, so Höchtl. Sorgen hätte er sich eher um sein privates Umfeld gemacht, dem dies eher nahegegangen sei.
Mit einigen der damaligen Mitbewohner stehe er noch immer in Kontakt und jetzt, anlässlich des 20jährigen Jubiläums, habe man sogar mit allen eine WhatsApp-Gruppe gebildet und stehe so in regem Austausch.
Höchtl selbst hat nach dem Ende von „Taxi Orange” übrigens seinen Job für eine Zeit lang gekündigt, um all den Anfragen für Auftritte, Eröffnungen und Autogrammstunden nachkommen zu können. Heute ist er schon lange wieder im Sozialbereich tätig und arbeite mit Menschen mit Beeinträchtigungen.
Von Ö3 zu „Taxi Orange”
Für Dodo Roscic, die man für „Taxi Orange” extra von Ö3 geholte hatte, blieb der Ausflug als Hauptabend-Moderatorin eine einmalige Sache.
Sie hat sich auf Aktivitäten hinter der Kamera konzentriert und ist heute Leiterin der ORF-Programmentwicklung und war maßgeblich am Erfolg von Formaten mitverantwortlich, die nach „Taxi Orange” kamen, wie etwa „Dancing Stars”.
Rückblickend war für Dodo Roscic „Taxi Orange” der „mutige Beweis eines Wertesystems, das die Chance hatte, sich in Form dieses Formats zu beweisen. Für mich als Fernsehmacherin war und ist das bis heute prägend. Dort wurde die Kreativität von Menschen wie Mischa Zickler und Tobias Krause vorgelebt, dort war der Mut von jemandem wie Kathi Zechner nötig, die mit diesem Format nach vorn kam, und natürlich war auch so etwas wie die Duldsamkeit eines Generalintendanten Gerhard Weiss nötig, dessen Lieblingsformat für 20:15 sicher nicht ‚Taxi Orange' war, der es aber eben trotzdem zuließ.”
Aus Sicht von Roscic war übrigens „Taxi Orange” auf ORF eins auch so etwas wie der Beginn der Aufteilung der beiden Hauptsender nach Zielgruppen – hier die jüngeren, dort die eher etwas reifere Zielgruppe.
Ein Wiederaufleben von „Taxi Orange” könnte sie sich übrigens durchaus vorstellen, so Roscic mit einem Augenzwinkern.
Mit dem Cast von damals als Kickoff und dann einer völlig neuen, zeitgemäßen Truppe.
Konkrete Ideen dazu hatte übrigens auch Mischa Zickler: Unter dem Titel „Taxi Silbergrau” war es angedacht, dann eine etwas ältere Zielgruppe ins Wiener Taxigewerbe zu schicken, begleitet von Kameras.
Aus der Idee wurde nichts, aber dies sei, so Roscic, symptomatisch für das Los von Formatentwicklern.
Nominiert für Medienlöwin
Es brauche viele Ideen, wo am Ende so eine goldene wie es „Taxi Orange” war, auch dabei ist.
Aktuell ist Dodo Roscic top Gold-Anwärterin beim vom Österreichischen Journalistinnenkongress ausgeschriebenen Preis der Medienlöwinnen.
In der Nominierung heißt es: „Die studierte Germanistin Doroteja Gradištanac, die besser als Dodo Roscic bekannt ist, entwickelt seit Jahren Konzepte zum Thema Gender beim österreichischen Öffentlich-rechtlichen TV. Sie ist Teil der ORF-Frauen-Task-Force. Schon für das von Mischa Zickler mitentwickelte Format ‚Taxi Orange', das sie auch moderierte, musste sie Frauenfeindlichkeiten en masse aushalten, was sie in keiner Weise davon abhielt und -hält, unermüdlich dafür zu kämpfen, dass sich ein gendergerechter Umgang in den Köpfen der Zuseherinnen verankert.”
Preise für „Taxi Orange”
Für das Format „Taxi Orange” gab es nicht nur eine Kurier-Romy, sondern auch den im Mai 2001 erstmal vergebenen Preis „e-Rose” in Montreux, und zwar für das beste Unterhaltungsprogramm im Internet.
Als Format international vermarktet wurde „Taxi Orange” in die Türkei. International verkauft wurde es an einen türkischen Sender und lief dort erfolgreich vier Staffeln lang unter dem Namen. „Biri bizi gözetliyor” („Jemand beobachtet uns”).