••• Von Dinko Fejzuli
In einem Interview für das medianet.tv-Format „Madison Avenue” sagt IP Österreich-Chef Walter Zinggl über ihn: „Es gibt niemand, der ein böses Wort über ihn sagt und nicht sofort das Telefon abhebt, wenn er anruft.” Gemeint ist Peter Lammerhuber, Chairman der GroupM, vermutlich einer der erfolgreichsten, beziehungsweise wohl eher der erfolgreichste Media-Mann Österreichs.
Betrachtet man Lammerhubers ursprüngliche Berufswahl, war diese Karriere wohl eher nicht absehbar: Er hat eine Kochlehre erfolgreich abgeschlossen, den Beruf aber keinen Tag ausgeübt.
Vom Koch zum Media-Tycoon
Lammerhuber wollte dann Bildhauer werden und bewarb sich bei keinem Geringeren als gleich mal Fritz Wotruba, einem der bedeutendsten österreichischen Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Erst nachdem diese Bewerbung erfolglos geblieben war, verschlug es ihn dann doch in die Medienbranche – vom Redaktionsaspiranten bei den Oberösterreichischen Nachrichten, über zwei Jahre Wochenpresse und sieben Jahre auto touring, wo er sich vor allem mit der Marktforschung beschäftigte.
Mit diesen Know-how habe er sich, erzählt er, dann vor allem bei Agenturen einen Namen gemacht, weil man dort damals von diesem Thema relativ wenig Ahnung hatte. Im Herbst 1987 war es dann so weit: Lammerhuber gründete die MediaCom in Österreich, heute die mit Abstand erfolgreichste Mediaagentur des Landes.
Betrachtet man die Top Ten der Branche, so bewegen sich deren Bruttoumsatzspendings laut Focus in Richtung drei Mrd. €. Allein auf die MediaCom, die größte der drei GroupM-Agenturen, entfallen über 600 Mio. €, zusammengerechnet mit der Mindshare (434 Mio. €) und der Wavemaker (195 Mio. €) verantworten allein die drei GroupM-Agenturen von den satten drei Mrd. € Bruttoumsatz gut 1,2 Mrd. €.
Peter Lammerhuber ist der diesjährige Preisträger des medianet xcellence.award, eine Auszeichnung, verliehen an außergewöhnliche Persönlichkeiten der heimischen Kommunikationsszene. Anlässlich der Verleihung diese Woche bat medianet Lammerhuber zu einem ausführlichen Interview.
medianet: Herr Lammerhuber, mit Ihrer jahrzehntelangen Erfahrung: Was waren aus Ihrer Sicht die branchenprägenden Ereignisse seit den 1990er-Jahren?
Peter Lammerhuber: Das ist relativ leicht zu beantworten. Die Branche wurde durch zwei sehr wesentliche Veränderungen geprägt. Die erste, rund um die Jahrtausendwende, war die Einführung des Privatfernsehens, ausgelöst durch die Verbilligung der Digitalsatelliten, wodurch alles erschwinglicher wurde. Das hat die Fernsehlandschaft nicht nur in Österreich nachhaltig verändert und damit einhergehend auch die Arbeit von Agenturen und Fernsehsendern. Die Fernsehwerbung wurde anders, die Performance und Fragmentierung hat sich durch diesen großen Einschnitt ebenfalls verändert.
Die zweite maßgebliche Verwerfung war das Highspeedinternet im Mobil- und WLAN-Bereich in den letzten fünf bis sechs Jahren. Ich habe mir die Daten angesehen.
Als vor etwa zehn Jahren das iPhone auf den Markt kam, hat das vorerst recht wenig bewirkt. Die Datennutzung stieg natürlich, aber durch die Übertragungsgeschwindigkeit waren die Datenübertragungen nur eingeschränkt möglich.
Aber mit der zunehmenden Geschwindigkeit hat sich die gesamte Nutzung der Onlinewelt massiv verändert.
medianet: Wie weit verändern Entwicklungen wie das Aufkommen der Privatsender auf der einen Seite und neue Preisgestaltungsmöglichkeiten zum Beispiel die Werbung?
Lammerhuber: In dem Moment, indem es eine Vervielfältigung des Angebots gibt, findet auch ein Preiswettbewerb statt. Früher hatten wir einen Verkäufermarkt im Fernsehbereich, der hat sich deutlich in einen Einkäufermarkt gewandelt.
Momentan haben wir im Onlinebereich noch einen Verkäufermarkt, wenn wir an Google oder Facebook denken, aber wenn wir das zunehmende Angebot bedenken, wird sich auch hier ein Einkäufermarkt entwickeln.
medianet: Apropos Google: Sie sind bekannt als sachlicher Kritiker des Unternehmens. Aber haben wir in diesem Fall oder auch bei Facebook, YouTube & Co nicht eher eine Entwicklung hin zu reinen Monopolisten?
Lammerhuber: Google macht sehr vieles richtig und gut. Dabei ist nur die Gefahr, dass sehr viel in einer Hand liegt. Das hat natürlich mit deren enormem Angebot und Servicegrad zu tun. Wenn man das durchdekliniert, beginnt das schon bei der Einstiegsmarke: Der Konsument tritt beim Einstieg in das Internet über das Google-Fenster ein, bekommt die Suchergebnisse und kann über die verschiedenen Plattformen von Google einkaufen, Musik hören oder Bewegtbild konsumieren, wie bei YouTube. Kartensysteme, Locationservices, Suchabfragen, das funktioniert nur mehr über Google. Das ist eine geschlossene Welt, die eine unglaubliche Convenience bietet, die die Stärke und gleichzeitig die Gefahr von Google ist. Die Dominanz und deren Messsysteme …
medianet: … und in Österreich haben wir sogar den Spezialfall, dass etwa der Bereich Search zu 100 Prozent Google gehört. In anderen Ländern ist das nicht so; warum hierzulande schon?
Lammerhuber: Es gab immer wieder Versuche und Anregungen, andere Suchmaschinen zu etablieren. Auch in Zusammenarbeit mit dem VÖZ. De facto hat sich aber niemand darum gekümmert und der Markt ist für Internationale zu klein. In Österreich hat sich das nie so durchgesetzt wie etwa in Tschechien oder in der Schweiz. Unser Markt hat das Feld vollkommen Google überlassen.
medianet: Wie wird sich denn generell der Mediamix in den kommenden Jahren entwickeln und wie könnte er speziell im Bereich Print bzw. Digital aussehen?
Lammerhuber: Das Thema geht mit der Generationenfrage einher. Bei einer Prognose für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre denke ich etwa an meine Kinder: Meine Tochter ist 19 Jahre alt und die nutzt sämtliche Streamingangebote über das Fernsehgerät, wie Netflix und andere; mein Sohn schaut ausschließlich YouTube. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich dieses Verhalten ändern wird. Für Konsumenten wie sie ist das völlig normal.
medianet: Wie weit hat Corona diese Entwicklung beschleunigt?
Lammerhuber: Im linearen Fernsehen hat man gesehen, dass den Sendern, abgesehen vom Informationsangebot, die Ideen beinahe ausgegangen sind. Das hat viele Konsumenten auf die diversen Alternativangebote gebracht. Ich glaube aber, dass sich das wieder relativieren wird, spätestens wenn zum Beispiel Sportveranstaltungen wieder stattfinden und übertragen werden dürfen.
medianet: Und wie weit sind andere Gattungen über- oder unterbewertet? Man hört von Out-of-Home-Anbietern, dass sie mit ihren sieben Prozent Marktanteil unter Wert geschlagen würden. Sehen Sie das ähnlich?
Lammerhuber: Out-of-Home hat eine enorme Stärke – es kann nicht fragmentiert werden. Wenn man sich als Konsument draußen bewegt, kommt man daran nicht vorbei. Daher zählt es für mich auch immer zu einem starken Medium, mit dem man starke Marken kommunizieren kann. Im Out-of-Home-Bereich gibt es mit der Digitalisierung eine Riesenchance der Individualbespielung, bei der Programmatic möglich wird. Theoretisch sind alle digitalen Flächen über einen Server anspielbar, bei dem man dann nach Verfügbarkeit anlassbezogen ausspielen kann. Da ist viel Musik drinnen.
medianet: Sie haben ein mal von der Idee einer Angebotsplattform der Onlineplayer gesprochen. Worum ging es da?
Lammerhuber: Das war eine Idee, die wir nicht verwirklicht haben. Um die Dominanz von internationalen Anbietern zu brechen, sollten Zusammenschlüsse von Angebotsstrukturen auf heimischen Multiangebotsplattformen generiert werden. Dabei bündelt man nicht nur ein Werbeangebot, sondern auch den Transport von neutralen Suchmaschinen oder Shopanbindungen. Das bloße Vermarkten durch den Zusammenschluss von etwa zehn Plattformen, wodurch das Angebot auch billiger wird, sollte es nicht sein. So eine Plattform sollte mehr können, etwa eben die Integrierung einer Suchmaschine bei den Top 10-Playern der Branche. Die braucht dann natürlich eine Zeit zur Etablierung, zusammen mit Shopanbindungen durch das Zusammenführen der verschiedenen Angbotsstrukturen, nicht nur im Bereich des Werbeangebots oder des Newsangebots, sondern auch des Suchangebots.
Und natürlich soll man sich als User nur ein Mal registrieren müssen, um alle Angebote nutzen zu können. So wäre auch für den Konsumenten die entsprechende Convenience gegeben. Auch bei Medienanbietern. Den Zukauf von Premiumartikeln könnte man in so einem Shopsystem erledigen.
medianet: Woran scheitert es momentan? Hat das etwas mit den Animositäten der Branchenteilnehmer zu tun?
Lammerhuber: Momentan scheitert es an der Eitelkeit. Das größte Problem ist, dass es nur ein Fairshare-Prinzip dahinter geben kann, in dem jeder das bekommt, was er liefert. Aber in Österreich wird zuerst darüber diskutiert, wer den Geschäftsführer stellt und wer wie viele Anteile hat und man kann sich auf nichts einigen.
medianet: Aber werden durch Ihren Vorschlag Kleinere proportional mehr benachteiligt?
Lammerhuber: (lacht) Sehen Sie, genau das ist das Problem. Viele meinen, man sollte den ORF draußen lassen oder dessen Einnahmen gesetzlich beschränken. Das, was an Einnahmen übrig bleibt, kann dann wieder nach einen Fairshare-Prinzip aufgeteilt werden, aber auch da sind einige nicht mit ihrem Anteil zufrieden. So wird daraus auch nichts werden.
medianet: Haben Sie die Hoffnung, dass sich das ändern wird, solange Sie noch in der Branche tätig sind, beziehungsweise wie lange wollen Sie der Branche noch erhalten bleiben?
Lammerhuber: Mein Vertrag mit der GroupM ist noch bis Jahresende gültig, danach werden wir sehen, was ich weiterhin mache.
medianet: Was könnten Sie sich vorstellen?
Lammerhuber: Ich kann mir alles Mögliche vorstellen. Ich beschäftige mich mit Fast Food-Ideen genauso wie mit Beteiligungen im Start-up-Bereich, wo durchaus auch branchenfremde Ideen dabei sind. Es gibt sehr viele Ideen …
medianet: Was war rückblickend betrachtet Ihr schönster Moment? War es der erste Cannes-Löwe Österreichs in Gold für den Kunden One?
Lammerhuber: Wir hatten bei One mit dem damaligen Marketingleiter Lars Reichelt einen genialen Marketingleiter auf der Geschäftsführerebene, der viel gefordert, aber auch viel zugelassen hat.
Und das ist auch ein bisschen mein Motto. Um erfolgreich zu sein, muss man gute Leute um sich scharen, die idealerweise vor allem das können, was man selbst nicht kann. Und: Man muss ihnen Raum geben, sich zu entwickeln. In meiner Laufbahn waren das etwa Wolfgang Plasser, Andi Weiss oder Joachim Feher. Auch zu erwähnen sind Marcela Atria, Sibylle Blümel oder Florian Zelmanovics.
Da war eine Vielzahl an Mitarbeitern in verschiedenen Agenturen und das ist das wichtigste, immer wirklich gute Leute mit eigenen Ideen und Engagement zu haben. Sie zu fördern und natürlich auch gut zu bezahlen und ihnen Möglichkeiten zur Entwicklung zu geben. Man kann nicht alles selbst machen. Also braucht man Menschen, die das alles können und ich hatte immer gute Leute um mich.