Radio im Zeitalter der Digitalisierung
© Martina Berger
Ab Herbst übersiedelt das Programm von Ö3 auf den neuen ORF Player. Vorher gilt es, die Inhalte für die Plattform zu übersetzen und fit für die Zukunft zu machen.
MARKETING & MEDIA Redaktion 16.04.2021

Radio im Zeitalter der Digitalisierung

Ö3-Senderchef Georg Spatt erzählt im Interview, wie der virtuelle Umzug auf den ORF Player aussehen wird.

••• Von Tanja Holz

Umzüge sind so eine Sache. Die einen freuen sich auf den Tapetenwechsel, die anderen würden lieber bleiben, wo sie sind. Georg Spatt, Senderchef von Ö3, gehört glücklicherweise zu ersterer Fraktion, denn für ihn stehen derzeit gleich zwei Übersiedlungen am Programm: zum einen der Umzug von Heiligenstadt auf den noch in Bau befindlichen Mediencampus am Küniglberg, zum anderen die Transformation des linearen Sendeprogramms auf den neuen ORF Player.

„Der ORF Player wird die Agenda des ORF in verschiedene Module unterteilen und online zugänglich machen. Im sogenannten Soundmodul werden wir versuchen abzubilden, was die ORF-Radiowelt zurzeit bedeutet. Hierzu zählen die neun Landesstudio-Radios, FM4, Ö1 und Ö3”, erklärt Spatt.
Neben der bereits vorhandenen Radiothek, in der Inhalte sieben Tage lang zugänglich gemacht werden, bieten die verschiedenen Sender auch jetzt schon online diverse Audiozusatzangebote an.
„Aber immer unter der Auflage, dass es sendungsbegleitend sein muss, denn nach dem alten ORF-Gesetz sind wir eine Fernseh- und Radioanstalt und dürfen online nur das abbilden, was wir im Radio und Fernsehen bereits gesendet haben. Das neue ORF-Gesetz wird entscheiden, welche Möglichkeiten wir bekommen werden, um den ORF vom Radio- und Fernsehanbieter zum multimedialen Medienhaus werden zu lassen.”
Das Um und Auf des Transformationsprozesses sei aber die User Experience. „Eines der entscheidendsten Dinge ist neben der rechtlichen und politischen Umsetzung die technische Komponente des Logins. Wie praktisch, wie simpel, wie einfach, wie logisch, wie intuitiv verwende ich das Programm?

Freiheit für die User

Deshalb ist der ORF Player aus meiner Sicht ein existenzielles Thema, denn die Frage ist: Wie erreichen wir Menschen, die nicht so ritualisiert aufgewachsen sind, wie ich es bin? Ich möchte, dass es uns egal sein kann, ob Menschen gewohnt sind, im Auto oder neben dem Bett ein Radiogerät stehen zu haben. Ob ich Ö3 im Radio höre oder auf meine Handy, ob ich mir das Programm zeitlich und thematisch selbst zusammensetze oder so, wie es die Macher linear vorgeben. Das soll sich der User oder die Userin selbst aussuchen können.”

Und Spatt weiter: „Wir stehen weiterhin für gutes Aufstehen in der Früh, motiviert in den Tag starten und mit kurzen, seriösen Informationen wie Wetter, ­Verkehr, Chronik, Politik, Wirtschaft durch den Tag begleiten. Das Ganze in einer Mischart, einer Sprache in dem Look and Feel, wie man es von Ö3 gewohnt ist. Denn die Bedürfnisse ver­ändern sich ja nicht, es ist nur die Art und Weise der Übertragung.”
Derzeit wird daran gearbeitet, das Programm für die Plattform zu übersetzen. „Inhalte des linearen Radios zu teilen und in den virtuellen Himmel zu schicken, wird nicht reichen. Das ist der entscheidende Knackpunkt, an dem wir schon länger arbeiten, auch abseits des ORF Players: Wir müssen die Inhalte, für die wir stehen, im Storytelling, in ihrer Darstellungsform und in ihrer Vertriebsform für diesen virtuellen Raum neu konzipieren. Ö3 ist bis in die Haarspitzen ein komplett auf den Livebetrieb gedachtes Medium. Wie setzen wir also jetzt die Inhalte in einer nonlinearen Welt um?”
Als konkretes Format nennt Spatt die unumgänglichen Pod­casts. „Es wird natürlich einen Ö3 Podcast geben. Das werden die Klassiker sein, die es jetzt schon gibt, wie ‚Frühstück bei mir', einer der erfolgreichsten Podcasts in Österreich. Zusätzlich halte ich viel davon, die am stärksten nachgefragten Angebote von Ö3 als Podcast anzubieten. Unser Auftrag ist es, eine Marke zu sein für Menschen, die nicht von sich aus nach speziellen Inhalten suchen, sondern die seit jeher den Anspruch haben, mit relevanten Informationen bedient zu werden.”
Spatt weiter: „Wir wollen Menschen mit Inhalten erreichen, die aus dem Spektrum Pop, News to Use, Motivation, Lebensfreude sind, und da gibt es zurzeit noch zu wenig Angebote auch innerhalb des ORF. Hier liegt die Verantwortung stark bei Ö3. Wir wollen diesen Bereich in Zukunft ganz massiv abdecken, um eine immer größer werdende Zielgruppe in unserer Gesellschaft anzusprechen, die bereits den Anspruch auf diese Inhalte und Haltungen hat, die den ORF aber noch nicht am Radar hat”, erklärt Spatt die Ziele für die Zukunft. Auch Kooperationen mit anderen privaten Sendern kann sich der Ö3-Senderchef, der sich selbst als bekennender Freund des Wettbewerbs sieht, in Zukunft vorstellen.

Lokale Inhalte

„Ich will besser sein als meine Mitbewerber. Aber um besser zu werden, glaube ich, dass es in manchen Bereichen zielführend und richtig ist, gemeinsame Plattformen zu nutzen und sich auszutauschen. Ich bin für Kooperationen, wenn es darum geht, den Kreativstandort Österreich zu stärken. Wir sind in der Situation, ein kleines, aber besonderes Land in Europa zu sein und das sollten wir stärker nutzen. Lokaler Content ist eine Chance in dieser stark globalisierten Medienwelt. Unsere Stärke sind die uns naheliegenden Dinge, die wir verstehen, die wir kennen, die wir können. Das muss nicht fad, bieder und traditionell sein. Wir sind in einem unglaublich dynamischen und vielfältigen Umfeld und genau das ist unsere Chance, denn es hat keinen Sinn, dasselbe zu machen, wie andere globalisierte Plattformen es tun.”

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