••• Von Laura Schott
Am 28. Mai startete der bundesweite Ausbau der digital-terrestrischen Hörfunktechnologie DAB+ (Digital Audio Broadcast). Es ist die erste von drei Ausbaustufen, in deren Rahmen in den kommenden 15 Monaten das Grundgerüst der bundesweiten DAB+-Versorgung aufgebaut werden soll. Seit vergangenen Dienstag können bereits 61% der österreichischen Bevölkerung DAB+ empfangen, bis Herbst 2020 soll der Ausbau abgeschlossen und die Zahl auf 83% angehoben werden. Bislang können 15 Programme über DAB+ empfangen werden
Warum DAB+?
Die Notwendigkeit der Etablierung des digitalen Radios rührt vor allem daher, dass das UKW-Frequenzspektrum in Österreich ausgeschöpft ist – es ist schlichtweg kein Platz mehr für neue Sender verfügbar.
Dem steht die Tatsache gegenüber, dass Radio mit 183 gehörten Minuten immer noch ein vielgenutztes Medium ist und sogar an Beliebtheit zunimmt: In Wien etwa ist der Anteil der täglichen Radiohörer von 2016 auf 2017 um drei Prozent gestiegen, besagt eine von Integral durchgeführte Meinungsforschungsstudie.
Um dem Bedarf der Bevölkerung gerecht zu werden und eine höhere Themen- und Meinungsvielfalt im Hörfunk gewährleisten zu können, macht ein Ausbau des digitalen Hörfunks also durchaus Sinn, erklärt Wolfgang Struber, Vorsitzender des Vereins Digitalradio Österreich und Geschäftsführer von Radio Arabella: „Neun zusätzliche Radiostationen sorgen ab sofort für mehr Meinungs- und Medienvielfalt sowie Themenangebote. Das ist vor dem Hintergrund der wenigen national empfangbaren Sender ein echter Schub an Programmvielfalt am Radiomarkt in Österreich.” Mehr Radioprogramme würden außerdem den Hörfunk in Österreich insgesamt beflügeln, ist Struber überzeugt.
Weitere Vorteile von DAB+ seien außerdem die hohe Qualität des Klangs, die einfache Bedienung sowie die Möglichkeit, Zusatzinformationen wie Bilder und eine automatische Sendersuche zu nutzen. Außerdem werden mit DAB+ ausgestrahlte Sender über Antenne empfangen, es wird dabei also kein Datenvolumen verbraucht, und der Empfang ist kostenlos.
„Wenn jemand einmal DAB+ gehört hat, wird er nicht mehr UKW hören”, fasst Struber die Vorteile der digitalen Übertragungstechnologie zusammen. Nicht vergessen dürfe man außerdem die Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Österreich, etwa durch die Schaffung neuer Arbeitsplätze.
Zehn Jahre Vorarbeit
Der Weg zu dem nun in Kraft getretenen schrittweisen, bundesweiten Ausbau von DAB+ war nicht immer einfach und reicht über zehn Jahre zurück. Das Engagement von KommAustria und RTR für die Etablierung des digitalen Radios – die zu deren gesetzlich fixierten Aufträgen zählt – begann bereits 2009: Seit der Novelle des Privatradiogesetzes ermöglicht dieses die Einführung von digitalem Hörfunk in Österreich.
2011 zog die KommAustria erstmals die Möglichkeit einer Ausschreibung von DAB+ in Erwägung und führte im darauffolgenden Jahr eine Bedarfserhebung durch, um die Einstellung des Marktes gegenüber DAB+ zu ermitteln. 20 Unternehmen meldeten damals Interesse für bundesweite Programme. Ein konkreter Bedarf ergab sich daraus allerdings dennoch nicht, da wirtschaftliche Bedenken gegenüber einigen der Interessenten bestanden und rechtliche Hürden durch Medienkonzentrationsvorschriften eine Ausschreibung schließlich verhinderten.
Im Interesse des Medienstandorts Österreich verankerte die KommAustria eine Ausschreibungsmöglichkeit im Digitalisierungskonzept 2013. Einen großen Schritt in Richtung Digitalisierung des Hörfunks stellte schließlich der DAB+-Testbetrieb dar, der im Mai 2015 regional im Raum Wien startete. Ein Jahr später führte die KommAustria erneut eine Bedarfserhebung für einen DAB+-Regelbetrieb durch, der diesmal positiv ausfiel: Ausreichend Interessenten machten eine Ausschreibung für Anfang 2017 realistisch.
Erfolg nicht vorprogrammiert
Parallel dazu untersuchte die RTR Medien im Rahmen einer Studie Rahmenbedingungen und Erfolgsaussichten einer Einführung von digitalem Hörfunk – mit dem Ergebnis, dass diese mit „erheblichen Herausforderungen und Erfolgsrisiken konfrontiert wäre”. Die an der geplanten Ausschreibung beteiligten Unternehmen müssten sich nicht nur dem Wettbewerb mit den UKW-Marktführern stellen, sondern vor allem hohen Investitionen in Programm, Netzaufbau und Marketing.
Als Resultat der Ausschreibung erhielt die Radio Technikum GmbH im Dezember 2017 als erstes Unternehmen die Zulassung für DAB+ für den Raum Wien. Herausforderungen in der internationalen Frequenzkoordination verzögerten die Vergabe einer bundesweiten Lizenz für eine sogenannte Multiplex-Plattform an die ORS comm, die diese erst ein knappes dreiviertel Jahr später erhielt und deren Angebot zum Start neun Programme umfasste.
Mit Aufschaltung der Standorte Wien-Kahlenberg, Wien-Liesing, Wien-DC Tower, Graz-Schöckl, Linz-Lichtenberg, Semmering Sonnwendstein und Bregenz-Pfänder ist DAB+ nun seit Dienstag in den Ballungsräumen Wien, Linz, Graz und dem Rheintal empfangbar. Hält man sich an aktuelle Pläne, wird der Ausbau am 31. März 2020 fortgesetzt und mit 22. September 2020 abgeschlossen.
Europaweite Standards
Österreich ist eines von zehn europäischen Ländern mit etabliertem DAB+. Pioniere auf diesem Gebiet sind etwa Norwegen, Großbritannien, die Schweiz und Dänemark, die bereits seit über zehn Jahren auf digitale Übertragung setzen.
Patrick Hannon, Vorsitzender von WorldDAB, sieht DAB+ als europaweiten digitalen Radiostandard als unabdinglich, um wettbewerbsfähig zu bleiben: Broadcaster müssen die Kontrolle über ihren Markt behalten und dürfen ihn nicht Internet-Giganten wie Google, Amazon oder Facebook überlassen, die sich durch Streaming und Co. bereits intensiv mit dem Hörermarkt auseinandersetzen.
Auch die Europäische Union setzt sich für DAB+ als EU-weiten Übertragungsstandard ein: Eine Richtlinie im European Electronic Communications Code schreibt vor, dass ab Ende 2020 alle neuen Autoradios in der EU Digitalradio empfangen können müssen.
Was machen ORF & Co?
Einen Unterschied zu den restlichen europäischen Ländern macht in Österreich die Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Während dieser in allen anderen Staaten Treiber der Digitalisierung im Hörfunk ist, verzichtet der ORF darauf, seine Hörfunkprogramme über DAB+ zu verbreiten.
Hauptgrund dafür sind die rechtlichen Rahmenbedingungen: Laut ORF-Gesetz ist es diesem im Moment noch verboten, zusätzliche Programme zu den bestehenden vier Bundes- und neun Regionalsendern anzubieten. Und eine bloße Parallelausstrahlung derselben über DAB+ würde dem ORF nur Mehrkosten, jedoch keinen Mehrwert bringen.
Seitens des Vereins Digitalradio Österreich erhofft man sich hier, dass der öffentlich-rechtliche Hörfunk dennoch in naher Zukunft zu einem „gemeinsamen Allianzmodell für eine chancenreiche Zukunft des Radios übergeht”, sagt Struber. Und auch von der zukünftigen Regierung wünsche man sich einen proaktiven Willen zur Digitalisierung, um globalen Playern im internationalen Wettbewerb nicht das Feld zu überlassen.
DAB+ oder doch lieber 5G?
Einen großen Kritikpunkt am Ausbau von DAB+ stellt die Frage nach der Notwendigkeit desselben dar, wo doch Hörfunk in Zukunft genauso gut über 5G übertragen werden könnte.
Helwin Lesch, verantwortlich für Verbreitung und Controlling beim Bayerischen Rundfunk, sieht bei 5G einige Lücken, die die Technologie für den Hörfunk suboptimal machen würden: Hörfunk brauche einen niederschwelligen Zugang zum Teilnehmer und kalkulierbare Kosten für den Anbieter – beides könne 5G nicht garantieren. Lesch sieht außerdem die Abhängigkeit von einem System, auf das der Hörfunk wenig Einfluss habe, als Gefahr. Das Fehlen von staatlichen Zugangsregeln zu 5G sowie eines Geschäftsmodells, das über 5G übertragenen Hörfunk monetarisierbar macht, würden weitere Ausschlussgründe darstellen.
Kronehit, neben den ORF-Programmen der einzige bundesweit gesendete UKW-Radiosender, spricht sich aktuell noch gegen eine Ausstrahlung über DAB+ aus und konzentriert sich auf den Ausbau des Internetradios.
Entwicklung erst am Anfang
Fest steht, dass weder DAB+, noch 5G bereits ausgereift genug sind, um die zukünftigen Entwicklungen tatsächlich beurteilen zu können. In welche Richtung sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk entwickeln wird, kann dabei noch eine entscheidende Rolle spielen, erreicht er mit seinen Radioprogrammen laut Radiotest doch rund 75% Marktanteil.