Weiteres Wachstum am heimischen Musikmarkt
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MARKETING & MEDIA Redaktion 04.03.2022

Weiteres Wachstum am heimischen Musikmarkt

Auf Streaming entfällt der Löwenanteil des Umsatzes, doch auch Vinyl gewinnt immer mehr Anhänger.

••• Von Britta Biron

 

WIEN. Seit 2017 geht es am heimischen Musikmarkt wieder kräftig aufwärts, und auch Corona konnte diese erfreuliche Entwicklung nicht bremsen. Im Vorjahr haben die Österreicher insgesamt 190,4 Mio. € für Musik ausgegeben – um elf Prozent mehr als 2020.

Über drei Viertel, nämlich 77%, entfallen dabei bereits auf den digitalen Sektor. Mit einem Plus von 26,5% auf 117,4 Mio. € hat Streaming seine Position als wichtigstes Format und wirtschaftliches Rückgrat der Musikbranche weiter ausgebaut. Insgesamt 12,7 Mrd. Songs wurden im Vorjahr von den österreichischen Musikfans gestreamt – ein neuer Rekordwert (+21% gegenüber 2020).

Streaming ist Cashcow

Der Löwenanteil von 89% des gesamten Streaming-Umsatzes kommt von Abo-Diensten wie Spotify, Apple Music, Amazon unlimited oder Deezer. Nur sieben Prozent steuern Einnahmen aus Videostreams – hauptsächlich YouTube – bei. Die restlichen vier Prozent entfallen auf werbefinanzierte Audiostreams. Downloads tragen bei weiter stark rückläufiger Tendenz (–24,7%) nur noch 4,9 Mio. € bzw. 3,1% zum Gesamtumsatz bei.

Abgesang auf die CD …

Wenig überraschend verlieren auch die physischen Tonträger weiter an Boden bzw. Hörern. Mit Musik-CDs wurden im Vorjahr 24,5 Mio. € erwirtschaftet, was ein Minus gegenüber 2020 von 19,5% bedeutet.

Lockdowns und Einschränkungen im stationären Handel haben den seit Jahren anhaltenden Abwärtstrend der kleinen silbernen Scheiben verstärkt. Hinzu kommt die weitere Reduktion der Regalflächen und die Konzentration auf Best-of-Produkte, wodurch es Produktionen von kleinen Labels und Newcomern besonders schwer haben. Mit einem Marktanteil von 15,4% ist die CD nach wie vor das zweitbeliebteste Musikformat in Österreich.
Allerdings könnte diese Position über kurz oder lang die Schallplatte, die einst durch die CD in arge Bedrängnis geraten war, streitig machen. Denn auch im Musikbusiness geht die zunehmende Digitalisierung Hand in Hand mit einer kräftigen Retrowelle. Mehr als 400.000 Vinyl-Scheiben wurden im vergangenen Jahr in Österreich verkauft – ähnlich hohe Werte konnten zuletzt vor 30 Jahren erreicht werden –, und der Umsatz stieg um zwölf Prozent auf 10,1 Mio. €. Damit kommt das einst schon totgesagte Vinyl auf einen Marktanteil von 6,4%, Tendenz weiter steigend.

… sattes Plus für Vinyl

„Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung”, sagt Cornelius Ballin, General Manager Universal Music Austria und Vize-Präsident des Verbands der österreichischen Musikwirtschaft (IFPI Austria). Dass sich die Corona-Einschränkungen im stationären Handel bei der Schallplatte nicht negativ ausgewirkt haben, vermutet Ballin im Umstand, dass Vinyl viel mit Leidenschaft zu tun hat und man dafür auch mehr Hürden in Kauf nimmt als für ein klassisches Mitnahmeprodukt wie die CD.

Theoretisch hätten die Vinyl-Umsätze noch deutlich höher ausfallen können, aber die weltweit verfügbaren Produktionskapazitäten für Schallplatten halten mit der steigenden Nachfrage längst nicht mehr Schritt. Bei den wenigen verbliebenen Presswerken stehen Musiker und Labels Schlange und müssen zum Teil lange Lieferzeiten in Kauf nehmen.
Die logische Konsequenz ist, dass die Kapazitäten ausgebaut werden – etwa bei Austrovinyl, Österreichs einzigem Presswerk. Gemeinsam mit dem in Eisenerz und Berlin ansässigen Label Napalm Records als strategischem Partner lässt man derzeit in Fehring eine hochmoderne Schallplattenfabrik errichten, mit der der maximale Tagesausstoß von 2.000 auf 6.000 Scheiben verdreifacht wird.
Konzipiert ist das Werk, das bereits diesen Sommer in Betrieb gehen soll, als Gläserne Manufaktur mit einer ganzen Erlebniswelt für Vinyl-Fans. So wird es einen Merchandising-Store geben, Live-Musikevents sowie Führungen durch die Fabrik.
Dass die heimische Musikbranche angesichts des kräftigen Umsatzwachstums trotzdem nicht in Jubelgesänge ausbricht, hat seine Gründe.
Wie schon im ersten Corona-Jahr litten österreichische Produktionen auch im Vorjahr stärker unter den Einschränkungen als das internationale Repertoire. Bei rückläufigen Alben-, aber steigenden Single-Umsätzen lag der Anteil österreichischer Produktionen bei 18% (2020: 23%) und der Anteil heimischer Singles bei knapp fünf Prozent (2020: vier Prozent).
Österreichische Acts sind zudem besonders stark auf das Live-Geschäft angewiesen. Aber 2021 war wie schon 2020 kein gutes Konzertjahr, daher gab es natürlich auch im Merchandising-Bereich deutliche Einbußen.
Um so erfreulicher ist, dass die Einnahmen über die Verwertungsgesellschaft LSG mit 27,4 Mio. € ein leichtes Plus von 1,1% verzeichnen.

Wirtschaftliche Risiken …

Zwar öffnet die Digitalisierung heimischen Acts neue Chancen, indem sie Fans ihrer Musik auch international in größerer Anzahl erreichen können; gleichzeitig steigt aber auch der Wettbewerbsdruck in dem globalen Umfeld. Aus kleineren Märkten wie Österreich wird es immer schwieriger, das Streaming-Potenzial eines Acts zu heben.

„Der heutige Digitalmarkt zwingt faktisch zu internationalen und grenzüberschreitenden Konzepten. Hohe Qualität, Originalität in Kreation und Produktion sind ebenso vorausgesetzt wie ein deutlich höheres Budget für Marketing, Vertrieb und Promotion”, erklärt Dietmar Lienbacher, Managing Director Sony Music Austria und IFPI-Präsident. Vor allem für kleine Labels und junge Musiker am Beginn ihrer Karriere ist der höhere finanzielle Aufwand eine schwer zu überwindende Hürde.

… nehmen zu

Durch die Digitalisierung steigt das ohnehin schon hohe wirtschaftliche Risiko im heimischen Musikbusiness weiter, und auch in Zukunft wird es ohne staatliche Förderung nicht gehen.

„Die österreichische Musiklandschaft hat in den letzten Jahren auf vielen Ebenen ihre Qualität und ihr Potenzial gezeigt. Aber in einer globalisierten und digitalisierten Welt werden wir eine entschlossene und gezielte Förderungspolitik brauchen, um darin nicht zerrieben zu werden”, erklärt Tschürtz.
Aber obwohl sich Österreich gerne – und durchaus auch zu Recht – als Musikland sieht, fließen die Mittel der öffentlichen Hand nur vergleichsweise spärlich.
„Der Musikfonds war 2021 – inklusive der zusätzlichen Corona-Förderungen – mit knapp 1,6 Mio. Euro dotiert. Mindestens wären aber 5 Mio. Euro nötig – im Vergleich zu anderen Kunstformen ist das sehr wenig”, erklärt Franz Medwenitsch, Geschäftsführer der IFPI Austria.
Und auch zu wenig, um den tatsächlichen Bedarf der Musikbranche zu decken, wie die Abrechnung des Musikfonds für 2021 zeigt. In den drei Calls wurden 630 Anträge mit einer Gesamtsumme von knapp über 10 Mio. € gestellt.

Faire Vergütung

Inwiefern jene Acts, die sich auf den großen Plattformen Gehör verschaffen können, auch entsprechend dafür entlohnt werden, ist aber nach wie vor unklar. Durch das im Vorjahr novellierte Urheberrechtsgesetz erhofft man sich Besserung und mehr Fairness; ob die Rechnung aber aufgeht, wird sich in der Praxis erst zeigen.

Und dann bleibt immer noch die Unsicherheit, ob die von den Plattformen als Berechnungsbasis für die Lizenzgebühren gemeldeten Klickzahlen auch tatsächlich korrekt sind. Fehlern in der Ermittlung dieser Daten, aber auch bewusstem Betrug – Stichwort Fake Streams – hat das 2019 von der Mathematikerin Nermina Mumic gemeinsam mit dem TU Wien-Statistikprofessor Peter Filzmoser und Günter Loibl, CEO von Rebeat, gegründete österreichische Start-up Legitary den Kampf angesagt. Mittels spezieller Algorithmen – das Verfahren wurde bereits patentiert – kann Legitary Unregelmäßigkeiten und Anomalien in den Daten der Plattformen entdecken.
Dieser Service, der für mehr Transparenz in der Abrechnung sorgt, stößt in der Musikbranche auf großes Interesse. Bisher hat Legitary für seine Kunden – darunter auch eines der Major Labels – bereits mehr als 100 Mrd. Streams analysiert. Ausgestattet mit einer hohen sechsstellige Förderung vom Austria Wirtschafts Service und der Wirtschaftsagentur Wien, hat Legitary im Vorjahr ein Büro in den USA, dem größten Musikmarkt, eröffnet.

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