••• Von Moritz Kolar
Es ist etwas mehr als drei Monate her, da hat die heimische Lebensmitteleinzelhandelskette MPreis an ihrem Produktionsstandort in Völs eine Wasserstoff-Tankstelle in Betrieb genommen. Quasi als Nebenprodukt einer firmeneigenen Elektrolyseanlage, die grünen Wasserstoff auch für den Betrieb beispielsweise der Backöfen der Bäckerei Therese Mölk erzeugt, soll damit bald schon die eigene Lkw-Flotte umweltfreundlich betrieben werden. Die von MPreis bei Hersteller Hyzon Motors bestellten Lkw sollen mit nur 40 kg Wasserstoff bis zu 500 km zurücklegen können und so schon bald alle Supermärkte und Filialen des Unternehmens emissionsfrei beliefern.
Starke Zuwächse erwartet
Geht es nach einer aktuellen Studie von Strategy&, dann werden es andere Unternehmen MPreis schon bald gleichtun. Elektrisch angetriebene Lkw werden demnach bald fester Bestandteil des Straßenbilds sein und innerhalb der nächsten 15 Jahre die Neuzulassungen im Nutzfahrzeugbereich dominieren.
Laut der Studie „The Dawn of Electrified Trucking” werden von Batterien oder Brennstoffzellen angetriebene Zero Emission Vehicles (ZEVs) in Europa, Nordamerika und im Großraum China bereits 2030 ein Drittel aller neu zugelassenen Lastwagen ausmachen. Bis 2035 wird ihr Anteil in diesen Märkten bei den Neuzulassungen auf etwa 70% steigen.
Abhängigkeiten reduzieren
Angetrieben wird der Wandel vor allem von immer strikteren regulatorischen Anforderungen sowie gleichzeitig fallenden Gesamtbetriebskosten (Total Cost of Ownership – TCO) für ZEVs. In Europa erhöhen zusätzlich der Krieg in der Ukraine und seine wirtschaftlichen sowie politischen Folgen den Transformationsdruck: Viele Regierungen richten ihre Energiepolitik aktuell neu aus und reduzieren dabei ihre Abhängigkeit von fossilen Energieträgern.
„Die energiepolitische Zeitenwende treibt wie bei Pkw auch bei Lkw die Antriebswende”, sagt Jörn Neuhausen, Co-Autor der Studie und Leiter Elektromobilität bei Strategy& Deutschland. „Der Wunsch nach Unabhängigkeit und gewachsenes Vertrauen in elektrische Antriebe beflügeln die Lkw-Branche.” Bis zu einem Durchbruch seien aber noch Fortschritte bei Ladekonzepten notwendig.
Ladeparks an Autobahnen
An Megawatt-Ladesäulen (Megawatt Charging System – MCS) bekommen batteriebetriebene E-Lkw inzwischen in 30 min genug Strom für 400 km. In Kombination mit Ladepunkten, an denen E-Lkw zusätzlich über Nacht laden können, werden so perspektivisch ganze Ladeparks an Autobahnen entstehen.
Allerdings müssten laut Strategy& dafür jetzt die notwendigen Investitionen getätigt werden. Ein Autobahnladepark mit sechs Megawatt-Ladesäulen und 34 Übernacht-Ladepunkten schlägt laut der aktuellen Studie mit rund 8,5 Mio. € zu Buche.
Im europäischen Kontext
Eine Fokussierung auf batterieelektrische Technik wie bei Pkw erkennt Johannes Schneider, Experte für Industriegüter- und Energieversorgungsunternehmen bei Strategy& Österreich, jedoch nach wie vor nicht: „Obwohl die jüngst veröffentlichte Wasserstoffstrategie für Österreich den Einsatz von Wasserstoff im Lkw-Fernverkehr klar als nachrangig gegenüber anderen Einsatzgebieten sieht, wird die Umrüstung der Flotten österreichischer Unternehmen aufgrund der grenzüberschreitenden Geschäftsmodelle im europäischen Kontext erfolgen.”
Schneider weiter: „In jedem Fall ist der rasche Aufbau einer öffentlichen Ladeinfrastruktur in Europa eine der wesentlichen Voraussetzungen für den Erfolg der Elektro-Transformation, sowohl für batteriebetriebene Lkw als auch für Trucks mit Brennstoffzelle. Dieser Ausbau muss aber in enger Abstimmung mit der Energiewirtschaft erfolgen.”
Teure Infrastruktur nötig
In Europa prognostiziert die Studie in mittlerer Frist einen Investitionsbedarf von ca. 1,4 Mrd. €. Bis 2025 könnten mit dieser Summe 120 MCS für Batterieantriebe sowie bis 2027 etwa 70 Wasserstofftankstellen (Hydrogen Refueling Stations – HRS) entstehen – genug für ein erstes europaweites, flächendeckendes Netz. Langfristig liegen die benötigten Investitionen aufgrund der rasch steigenden Zahl von ZEVs deutlich höher. Strebt man ein belastbares Infrastrukturnetz an, müssen bis 2035 etwa 15 Mrd. € für den Bau von mindestens 1.800 MCS sowie 21 Mrd. € für etwa 2.100 HRS veranschlagt werden.
Schon bald Kostenvorteile
Der reine Kaufpreis von ZEVs wird auch in Zukunft deutlich über dem von Trucks mit Verbrennungsmotor liegen. Bei den TCO schlagen batteriebetriebene E-Lkw herkömmliche Verbrenner dagegen laut Berechnungen der Studie bereits ab 2025 und erreichen bis 2030 einen Kostenvorteil von etwa 30%. E-Lkw mit Brennstoffzelle werden voraussichtlich ab 2030 wettbewerbsfähig sein. Hauptgründe für den Vorteil der E-Lkw sind die extremen Preissprünge bei fossilen Kraftstoffen, langfristig steigende CO2-Steuern sowie durch Skaleneffekte erzielte Kostenreduktionen bei Batterien und die geringeren Wartungskosten elektrischer Antriebe im Vergleich zu Dieselmotoren.