„Wir müssen bei Kunden mehr Vertrauen schaffen!”
© Christian Mikes
MOBILITY BUSINESS Redaktion 15.11.2019

„Wir müssen bei Kunden mehr Vertrauen schaffen!”

Hansjörg Mayr, Digitalvorstand der Wolfgang Denzel Auto AG, im Exklusivinterview mit medianet.

••• Von Oliver Jonke und Jürgen Zacharias

Neue Apps, der immer wichtiger werdende Online-Handel und digitalisierte Kommunikationskanäle: Der rot-weiß-rote Autohandel steht vor tiefgreifenden Änderungen, erklärt Hansjörg Mayr, Digitalvorstand der Wolfgang Denzel Auto AG.


medianet:
Herr Mayr, die Neuzulassungen sind im vergan­genen Jahr um 3,5 Prozent zurückgegangen und liegen heuer mit Ende Oktober um 4,9 Prozent hinter dem Vorjahr. Wie sind diese Rückgänge zu bewerten?
Hansjörg Mayr: Man darf nicht vergessen, dass 2018 trotz des Rückgangs das dritterfolgreichste Jahr der österreichischen Automobilgeschichte war, und für heuer erwarten wir bis Jahresende noch eine deutliche Verbesserung. Der Markt wird sich aufgrund einiger ausgleichender Effekte, wie etwa die durch die Einführung des neuen WLTP-Prüfzyklus im Herbst 2019 ausgelösten Vorziehkäufe, bis Ende Dezember erholen und am Ende nur ein niedriges einstelliges Minus ausweisen.


medianet: Sehen Sie bei den Zulassungszahlen national Unterschiede? Etwa zwischen den Bundesländern?
Mayr: Da nicht, aber zwischen Stadt und Land. Während die Mobilität mit Individualfahrzeugen auf dem Land weiter einen hohen Stellenwert hat, ist dieser Faktor in urbanen Gebieten mit gut ausgebautem öffentlichem Verkehr rückläufig. Dort wird die multimodale Mobilität immer wichtiger und immer öfter bedarfsorientiert entschieden, welche Art von Mobilität einen Weg, den ich jetzt gerade habe, deckt. Da kann einmal das Auto die Wahl sein, beim nächsten Mal die U-Bahn oder der E-Scooter.

medianet:
Welche Auswirkungen hat diese Entwicklung auf den Autohandel?
Mayr: Die Automobilindustrie und auch der Handel befinden sich nicht nur deshalb aktuell in der größten Transformationsphase ihrer Geschichte. Das liegt vor allem an den strengen CO2-Vorgaben der Regierungen und den dadurch ausgelösten massiven Investitionen in die Elektrifizierung der Antriebsstränge. Damit ändert sich das Angebot, aber auch der Aftersales-Bereich, wo elektrische Fahrzeuge deutlich weniger Betreuung benötigen.

medianet:
Dort fallen also Umsätze weg?
Mayr: Richtig. Da der Handel sein Geschäft bekanntlich nicht in erster Linie mit dem Verkauf von Autos macht, sondern mit dem Aftersales-Bereich, ist das eine gravierende Veränderung.

medianet:
Wie können die Umsätze kompensiert werden?
Mayr: Es werden gerade große Anstrengungen unternommen, um mehr Kunden ans Unternehmen zu binden und die Kundenbeziehungen länger und stärker zu gestalten.

medianet:
Welche Möglichkeiten gibt es dazu?
Mayr: Man muss Kunden mehr Annehmlichkeiten bieten, indem man die Herangehensweise in der Kundenbeziehung verändert. In der Vergangenheit war dabei ein top-down-Prozess entscheidend: Hersteller haben Autos gebaut und die Rollen der Stakeholder bis zum Endkunden klar definiert. Durch die Möglichkeiten der Digitalisierung, dem durch die sinkende Komplexität von Fahrzeugen immer stärker werdenden Onlinevertrieb und weitere Marktveränderungen ist nun aber immer stärker der bottom-up-Ansatz entscheidend. Vom Kunden weggedacht, müssen sich Hersteller, Importeure und Händler überlegen, wie sie bestmöglich auf den Individualkunden eingehen und dessen Wünsche antizipieren.

medianet:
Wie können sie das?
Mayr: Durch Themen wie Connectivity, autonomes Fahren und unterschiedliche Antriebskonzepte entstehen bei Konsumenten Unsicherheiten, auf die man als Händler bestmöglich eingehen muss, um Vertrauen zu schaffen. Darin liegt eine enorme Chance. Man darf dafür aber keine Abfertigung von der Stange bieten, die Kommunikation muss sehr persönlich, vertrauens­bildend und auf emotionaler Basis stehen. Dann wird die Rolle des Händlers als Spezialist für eine oder mehrere Marken auch geschätzt und gewünscht.

medianet:
Autohändler stehen damit unweigerlich vor radikalen Änderungen …
Mayr: Definitiv, wobei die Geschwindigkeit dieser Änderung abgestuft ist, am Land sicher langsamer verläuft, als in der Stadt. In der Stadt ist es heute schon so, dass Händler immer mehr zu Mobilitätsanbietern werden, die unterschiedliche Kundenbedürfnisse bestmöglich abdecken und dabei hohe Flexibilität zeigen müssen. Da geht es etwa darum, einem Kunden, der den Kauf eines Elektroautos überlegt, beispielsweise in Form eines 3-Monats-Abos die Möglichkeit zum Test anzubieten und das Angebot bei Bedarf in einen Leasingvertrag zu überführen.

medianet:
Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung?
Mayr: Eine sehr große. Unterschiedliche Digitalisierungs-Tools sind für eine einfache und transparente Kommunikation mit Kunden unerlässlich, und daher setzen wir auch so stark auf unsere neue Mobil-App, mit der wir Anfang des kommenden Jahres starten. Sie soll die Kommunikation erleichtern und den Kunden helfen.

medianet:
Inwiefern helfen?
Mayr: Indem die App die Kommunikation mit dem Händler erleichtert und zusätzliche Informationen liefert. Dort können auch Versicherungspolizzen hinterlegt und Servicetermine an 24 Stunden sieben Tage die Woche direkt vereinbart und verwaltet werden. Die App wird damit zu einem digitalen Butler, der Händler erhält das positive Attribut des ‚Kümmerers' …

medianet:
… und stärkt damit die Kundenbeziehung?
Mayr: Natürlich, sofern man Kunden auch nur relevanten Content schickt. Ich bin kein Befürworter der ‚08/15-one-for-all-Newsletter', die für 80 Prozent der Kunden uninteressant sind. Wir wollen deutlich selektiver vorgehen und dem richtigen Kunden die richtige Nachricht und wirklich überlegte Angebote schicken. Die darf es nicht jede Woche geben und auch nicht jeden Monat, sondern wirklich nur dann, wenn es passt.

medianet:
Für Händler bedeutet das einen Paradigmenwechsel vom klassischen Autoverkäufer hin zu einem digitalisierten Autohaus?
Mayr: Voraussetzung dafür ist eine professionelle Dealer Management-Software. Technische Hilfsmittel und Software-Lösungen unterstützen die Professionalität und Arbeit des Händlers, helfen ihm, erfolgreich zu sein. Dabei ist es ein Irrglaube, dass man sich das als Händler alles selbst organisieren muss. Dafür gibt es Software-Partner, die mir als Kapitän eines Autohauses im Sinne einer 360-Grad-Abdeckung alle notwendigen Tools und Dashboards zur Verfügung stellen, die mir die tägliche Arbeit erleichtern und es mir erlauben, meine Prioritäten richtig zu setzen.


medianet:
Abschließend: Welche Ziele haben Sie sich für die neue App im kommenden Jahr gesteckt?
Mayr: Die App ist ein ganz neues Produkt, daher geht es in einem ersten Schritt darum, möglichst viele Händler dafür zu gewinnen und diese von den Vorteilen zu überzeugen, damit sie auch durchgängig angeboten wird.

medianet:
Und bei der Web­site, die Anfang 2020 einen Relaunch erfährt?
Mayr: Da erwarten wir, dass die neue Site mehr Qualität an Content liefert und eine höhere Funktionalität bietet. Zudem wollen wir die Customer Experience verbessern, bei der Barrierefreiheit Fortschritte erzielen und uns im Bereich SEO steigern. Wir wollen von Suchmaschinen leichter und besser gefunden werden und dadurch im Online Media Spend mit weniger Geld mehr Effekte erzielen.

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