„Öffentlich-rechtlicher ORF muss bleiben”
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PRIMENEWS Dinko Fejzuli, Sascha Harold und Chris Radda 18.05.2018

„Öffentlich-rechtlicher ORF muss bleiben”

Danny Krausz, Geschäftsführer Dor Film und Obmann des Filmverbands, über die Herausforderungen der Branche.

••• Von Dinko Fejzuli, Sascha Harold und Chris Radda

Danny Krausz, Dor Film-Geschäftsführer und Mitbegründer sowie Bundesobmann im Fachverband Film- und Musikwirtschaft, spricht im medianet-Interview über Herausforderungen der Branche und die Bedeutung eines starken ORF.

 

medianet: Herr Krausz, bleiben wir zunächst bei Ihrer Funktion als Fachverbandsobmann: Wie fühlt ihr euch als Filmemacher in Österreich aufgehoben und wie schätzen Sie die Entwicklung ein?

Danny Krausz:
Einerseits sind da die sich grundsätzlich verändernden Branchenverhältnisse, denen wir genauso ausgesetzt sind wie alle anderen. Wir sind mitten in der Transformation hin zu non-linearem Fernsehen und einer deutlichen Veränderung der Kinolandschaft. Auf der Finanzierungsseite haben wir es mit ganz neuen Playern zu tun – Google, Amazon und Netflix –, aber auch viele kleine Anbieter. Das ist eine allgemeine, aber sehr rapide Veränderung in der Branche, die eine bestimmte regionale Qualifizierung braucht. Dafür müsste es gerade in einem kleinen Mitgliedsland der EU eine konzertierte Politik geben. Eines der Hauptthemen, das wir zurzeit sicherlich haben, ist die Frage, wie wir uns gegenüber dem Öffentlich-rechtlichen Rundfunk verhalten.

medianet: Unter anderem zu diesem Thema gibt es ja die Parlamentsenquete Anfang Juni. Wie steht die Branche zum Öffentlich-rechtlichen Rundfunk?
Krausz: Für die Musik- und Filmbranche steht völlig außer Zweifel, dass wir sehr geschlossen hinter der Erhaltung und Stärkung eines öffentlichen Rundfunks stehen. Wir halten den ORF allein wegen seiner identitätsstiftenden Wirkung auf unsere Gesellschaft für unerlässlich und nicht ersetzbar. Da ist, glaub ich, die Politik gefordert, das sicherzustellen und weiters zu garantieren, dass auch der demokratiepolitische Auftrag des ORF aufrechtbleibt und dafür gesorgt wird, qualifizierten unabhängigen Journalismus zu haben.

medianet:
Der ORF, bei aller aufkeimenden Kritik, die es wechselseitig gegeben hat, war jahrzehntelang auch ein wichtiger Partner. Wie sehen Sie das rückwirkend und für die Zukunft?
Krausz: Der ORF ist immer ein unerlässlicher Partner gewesen und er ist es auch für die Zukunft. Gerade in einer so kleinen Struktur, wo wir nur drei bis vier Partner in der Finanzierung von Produktionen haben und in der Fernsehproduktion der ORF de facto der einzige Partner ist, sehe ich keine Alternative. Die Privaten haben in erster Linie rund 350 Millionen Euro Werbevolumen aus dem ORF herausgezogen und die Wertschöpfung nach Deutschland verlegt. Das ist ein Thema, auf das nie tiefer eingegangen wird …

medianet:
Aber mittlerweile gibt es einen lebendigen Privat-TV-Sektor, und auch hier wird Geld für Produktionen in die Hand genommen …
Krausz: … ja, aber es ist nahezu vernachlässigbar, und ich sehe keine Ambitionen der österreichischen Privatfernsehprogramm-Anbieter, mit der heimischen Wirtschaft zu co-produzieren – weder im fiktionalen noch im non-fiktionalen Bereich, von vereinzelten, wirtschaftlich wenig nachhaltige Ausnahmen abgesehen.

Österreich ist das einzige Land in der EU, wo die privaten Fernsehveranstalter öffentliche Unterstützung erhalten, ohne dafür eine Gegenleistung an die Film- und TV-Wirtschaft erbringen zu müssen. Förderung okay, aber gleichzeitig müsste der Gesetzgeber dafür sorgen, dass sie verpflichtet werden, der Allgemeinheit etwas zurückzugeben, auch in der Programmproduktion. In Deutschland ist das eine Selbstverständlichkeit bei den Privaten – ach ja, die verwenden dazu vermutlich die 350 Millionen aus dem österreichischen Werbevolumen …
Das passiert in allen anderen Ländern, da werden zum Teil sogar Beträge vorgeschrieben, die in allgemeine Vergabetöpfe einzubringen sind, aus denen dann geschöpft und produziert wird. Dazu gibt es in Österreich nicht die leiseste Verpflichtung und ständig das Wehklagen, dass die Privaten nicht genug verdienen. Zuletzt hatten wir im Herbst vonseiten des Fachverbands mit den Privaten das Gespräch gesucht. Es wird Gründe haben, warum keines zustande kam …


medianet:
In der Tat, es gibt keine Filmfördertöpfe seitens der Privaten, aber die Bedingungen, um Mittel aus der Rundfunkförderung zu erhalten, sind an genaue Richtlinien gebunden, etwa, dass die Wert­schöpfung in Österreich stattfindet und andere Dinge.
Krausz: Diese Richtlinien beinhalten aber eben keinen Verweis, Programmproduktion mit zu gewährleisten. Damit ist diese Förderung ohne heimische Wertschöpfung für die Filmwirtschaft. Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, ein duales Rundfunksystem ist auch für Österreich gut, aber bitte mit weit mehr Transparenz und klareren Zielvorgaben.

medianet:
Bleiben wir beim ORF. Sie haben kürzlich eindringlich gewarnt, dass etwaige Kürzungen dort auch ein Schlag gegen die österreichische Filmwirtschaft wären. Was könnte eine Lösung des Problems sein?
Krausz: Wir arbeiten hier in einem Konzert. Die unabhängige Filmwirtschaft ist der Bereich, wo die identitätsstiftende Programmproduktion stattfindet. Wir haben im ORF entsprechende Strukturen für die redaktionelle und kaufmännische Kompetenz. All das ist bei den Privaten nicht da, weil es auch gar nicht gebraucht wird. Insofern ist es uns wichtig, dass der Politik klar ist, dass sie diesen Bereich mitdenkt, wenn es um die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks geht.

medianet: Papier ist ja bekanntermaßen geduldig: Aber hat die Branche hier genug Gewicht, um sich auch Gehör zu verschaffen?
Krausz: Gerade was die Beschäftigung angeht, ist unsere Branche ein wichtiger Impulsgeber, rund 70 Prozent der Produktionskosten laufen ins Personal und kommen letztendlich über Lohnsteuern und andere Abgaben zurück in den Staatshaushalt. Wir werden das immer wieder festhalten und sind allerdings auch mit den zuständigen Ministerien in Kontakt. Die Gespräche laufen also schon. Gerade im europäischen Vergleich sind wir kreativ, innovativ und professionell gut aufgestellt, warum sollten wir uns da jetzt selber schwächen?

 

medianet: Und was sind da für Sie weitere zentrale Forderungen?
Krausz: Einerseits muss gesetzlich, etwa beim Fernsehfonds, festgehalten werden, dass es im Bereich der Programmanbieter neue Player gibt, die man hereinlassen muss in die Fördersysteme.

Außerdem muss auf europäischer Ebene festgehalten werden, dass für die neuen Player dieselben rechtlichen Regeln zu gelten haben wir für die derzeitigen Anbieter. Derzeit nützen sie ihren Wettbewerbsvorteil aus und schwächen gleichzeitig den Öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Auf der Förderebene braucht es neue Modelle wie etwa ein Steuerinvestmentmodell, ähnlich dem belgischen, das große Effekte erzielt.


medianet:
Apropos Effektivität: Wie steht es um den Output der heimischen Filmbranche?
Krausz: Wir sind im internationalen Branchenvergleich bekannt dafür, dass wir eine extrem hohe, vielfältige Kreativität an den Tag legen. Da sind wir wirklich weit vorn – sowohl im Film- aber auch im Fernsehbereich. Die seriellen Formate, die wir auf den Weg bringen, erfreuen sich immer wieder höchster Beliebtheit. Reihenformate wie die vom ORF etablierten Landkrimi und Stadtkomödien, das findet sich in Deutschland weit schwerer, und wenn es dann bei uns erfunden wurde, dann wollen die deutschen Kollegen sehr gern dabei sein und auch mitbezahlen.

Wir können uns keine Produktion vorstellen, bei der wir nicht einen starken Partner wie den ORF an unserer Seite haben. Punkt.


medianet:
Zum Abschluss: Welche Bedrohungen der heimischen Filmbranche sehen Sie?
Krausz: Wenn die Mechanismen dahin gehen, dass in eine Produktionsnische wie Österreich weniger investiert wird, obwohl die gleiche oder sogar eine bessere Qualität dabei herauskommt, dann haben wir verloren. Dann werden wir sehr schnell zu namenlosen Dienstleistern ohne Rechte.

Und natürlich gibt es auch in der EU eine Diskussion, die auf eine konsequente Schwächung der Urheberrechte hinzielt. Dieses ist aber die Basis unseres Geschäftsmodells und die Basis für die Finanzierung neuer Projekte. Die Vergabe territorialer Rechte ist essenziell, und die EU verfolgt hier seit Langem eine Politik, die auf vehementen Widerstand der gesamten europäischen Filmwirtschaft und der Filmschaffenden geht und nachweislich von vollkommen falschen Voraussetzungen ausgeht. Dabei geht es um die Basis der Verwertung von Filmrechten, die auch die ohnehin fragile Balance zwischen den Playern – der Contentwirtschaft, den Sendern und den nonlinearen Anbietern – verändern wird. Produktionsnischen in kleinen Märkten wie Österreich haben hier besonders wenig Spielraum.

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