••• Von Paul Christian Jezek
WIEN. Das Tankstellensterben in Österreich nimmt seinen Lauf: Der Fachverband für Mineralölwirtschaft gab zuletzt wieder ein Minus von 30% bekannt, die Margen werden geringer und die Rahmenbedingungen härter.
Zudem muss man überlegen, wie man herkömmliche Tankstellen für den immer stärker werdenden multimodalen Verkehr fit macht – Stichwort Mischverkehr aus eFahrrädern, eAutos, Taxis, Öffis, etc.
Rund um diese zentralen Überlegungen hat das auf Tankstellen-Liegenschaften spezialisierte Wiener Unternehmen Side Projekt vor Kurzem einen umfassenden Marktbericht über „Frequenzimmobilien” veröffentlicht.
Mobilitätszentren der Zukunft
Diese (bereits dritte) Studie zeigt erfolgreiche Nachnutzungsmöglichkeiten genau so auf wie die Chancen, die sich durch die Umstellung von bemannten Tankstellen auf Automatik-Stationen bietet: Anstatt verwaister Betonflächen locken optimierte Automaten-Standorte mit Services wie (mittlerweile auch automatisierten) Waschcenter, Post-Standorte, Bäckereien, Blumenhändler, moderne Snack-Angebote oder sogar Arbeits- und Übernachtungsmöglichkeiten.
„Die Tankstelle der Zukunft ist ohnehin völlig anders konzipiert, als wir sie uns bislang vorgestellt haben”, weist Side Projekt-Geschäftsführer Wolfgang Schmitzer auf eine notwendige Differenzierung hin: „Beileibe nicht alle Tankstellen sind dem Tode geweiht. Manche Typen boomen sogar, andere müssen sich aber verändern, um im härter werdenden Umfeld auch weiter wirtschaftlich erfolgreich zu sein.”
Dies könne über eine verbreiterte Servicepalette oder auch über Architektur erfolgen. Jedenfalls werden die Mobilitäts-Zentren der Zukunft eine höhere Aufenthaltsqualität bieten müssen – vergleichbar mit Shoppingmalls.
Schlafen an der Tankstelle
Die Vermarktungs-Kooperation Fair Sleep hat sich in Österreich bereits zu einem beachtlichen Anbieter gemausert und will nun auch nach Deutschland expandieren. Ein halbes Hundert Standorte soll es im Jahr 2020 bereits geben, kündigen die Markeninhaber Andreas Weber, Gerald Wurz und Franz Schrenk an. Fair Sleep unterscheidet sich von anderen Budget Hotels, weil es keine Standardisierungen gibt. Die am ehesten mit Motels vergleichbaren Häuser bieten simple, saubere Übernachtungsmöglichkeiten. Kostengünstig gebaut wird dank einem hohen Vorfertigungsgrad in einem Werk der Firma Elk.
Das erste Motel – und damit der Grundstein der gesamten Geschäftsidee – entstand direkt an einer Tankstelle mit Waschcenter, Shop und Gastronomie in Gmünd. Betreiber Andreas Weber baute ein kostengünstiges Fertighaus und dieses war bald sehr gut gebucht. Heute hat die Vermarktungskooperation Fair Sleep bereits 15 Mitgliedsbetriebe mit 330 Zimmern und 700 Betten.
Eine andere Positionierungsmöglichkeit, die bis dato zu kurz gekommen ist, lautet Architektur. „Während Kritiker nun sogleich aufheulen, dass es keine architektonische Gestaltung brauche und das nur verschwendetes Geld sei, sollten sie an den Mehrwert von Architektur bei Büroimmobilien, privaten Häusern oder eben auch Shoppingcentern denken”, rät der Frequenzimmobilienreport. „Ein Trend ist, ganze Quartiere oder Stadtteile zu entwickeln und dann einen Teil davon mit Handel zu bespielen, den Großteil aber für die Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen.” Solche Qualitäten sind auf Tankstellen bei Weitem noch nicht angekommen.
Die Katze beißt sich dabei in den Schwanz: An einem Ort, bei dem Sauberkeit und Personal noch kein Thema sind, wird sich kein entsprechendes Zusatzgeschäft ansiedeln wollen. Weiterer Umsatz bleibt aus und die Aufenthaltsqualität stagniert maximal auf niedrigem Niveau.
Gute Architektur für Tankstellen
Auffällig ist außerdem noch ein anderer Trend: Während sich Tankstellen früher ein Zusatzgeschäft durch einen Shop geholt haben, versuchen immer mehr Fachmarktzentren oder andere Handelsagglomerationen, auch eine Tankstelle anzusiedeln – die einen als Teil einer gesamten Immobilienentwicklung, die anderen als Business-Case und Zusatzangebot.
Lebensmittelhändler wie Hofer in Österreich oder international Carrefour, Tesco, etc. verkaufen den Shoppern einfach nebenbei ihren selbst gebrandeten Treibstoff.
„In Zukunft wird es immer mehr Tankstellenbetreiber geben, die Wert auf Architektur legen”, erklärt Architekt Martin Kinzner.
„Mit zunehmendem Waren- und Dienstleistungsspektrum an den Tankstellen und Raststationen gewinnt die Optik immer mehr an Bedeutung”, sagt auch sein Wiener Kollege Georg Soyka. „Über die Architektur wird auch eine Referenz für die angebotenen Produkte abgeleitet und über gutes Design kann man einen anderen Stellenwert in der Wahrnehmung der potenziellen Konsumenten erzielen.”