„Alte Denkmuster durchbrechen”
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Round Table (v.l.) Marianne Ganger (Gärtnerei Ganger), Andreas Ableidinger (Gärtnerei Ableidinger), Willy Lehmann (Willy Lehmann Markenagentur), Thomas Hudribusch (Vertriebsleiter LGV), Markus Bauer (Vorstand medianet), Sabine Bretschneider (CR medianet), Martin Merschl (Gärtnerei Merschl).
RETAIL Sabine Bretschneider 24.11.2017

„Alte Denkmuster durchbrechen”

Eine Diskussion mit heimischen Lebensmittelproduzenten über den desinformierten Konsumenten, Gütesiegelwirrwarr und Digitalisierung.

••• Von Sabine Bretschneider

Das Linzer Marktforschungsunternehmen Whitebox hat im Februar in Zusammenarbeit mit medianet die Österreicher zu ihren Einstellungen und Wünschen beim täglichen Lebensmitteleinkauf befragt. Die wichtigsten Ergebnisse: 94% aller Österreicher ist das Wegwerfen von Lebensmitteln, Foodwaste, ein Dorn im Auge. Fast ebenso wichtig ist das Wissen, woher etwas kommt und wie es hergestellt wird (91%). Dahinter reihen sich die Wünsche nach regionalen Produkten (84%) mit saisonaler Verfügbarkeit (83%); Bio-Produkte rangieren erst auf Platz 7 (54%). Ebenso klar artikuliert wurde der Wunsch nach alternativen Bezugsquellen abseits des klassischen Lebensmittelhandels: 55% der Österreicher sind mit dem Angebot, das unsere ­Supermärkte liefern, grundsätzlich zufrieden. Dennoch wünscht man sich mehr Angebots- und Distributionsvielfalt.

Neue Denkweisen

Als Fortsetzung dieser Diskussion veranstaltete medianet kürzlich eine Round Table-Diskussion zum Thema „Alternative Vermarktung landwirtschaft­licher Produkte, Regionalität und Nachhaltigkeit”, die den Bedarf an alternativen Vertriebsformen und neuen, modernen Kommunikationswegen ausloten sollte.

„Andere Denkweisen einzubringen und alte Denkmuster zu durchbrechen”, forderte in seinem Eingangsstatement LGV-Frischgemüse-Vertriebsleiter Thomas Hudribusch. Wie in allen Branchen ist auch in der Lebensmittelproduktion der Veränderungsdruck hoch, bietet allerdings auch Chancen. Ansetzen, waren sich die Gesprächsteilnehmer einig, könne man beim Konsumenten und dessen steigendem Interesse an der Herkunft von Lebensmitteln und den Produktionsmethoden. Schließlich gebe es hinsichtlich der Qualitätskriterien österreichischer Lebensmittel mehr als „bio”.

Mehr als „bio”

„Bio wird in den Himmel gehoben”, kritisiert Gerhard Eigner, Chef der Zwiebelmanufaktur in Laa an der Thaya, „und parallel dazu wird die restliche Landwirtschaft, die genauso verantwortungsvoll produziert, abgewertet.” „Regional und saisonal ist oft wichtiger als die drei Buchstaben ‚bio' auf der Packung drauf zu haben”, pflichtet Marianne Ganger von der GenussGärtnerei Ganger bei. Man könne ohnehin nicht alles biozertifizieren – es gebe „haushohe Unterschiede” zwischen den Bio-Siegeln verschiedener Länder.

Auch Themen wie die Glyphosatproblematik und deren oft unseriöse Aufbereitung durch die Medien, so Eigner, führten zur Verunsicherung der Konsumenten, ebenso wie die Werbung oft unrealistische Bilder der Landwirtschaft zeichne. Eigner: „Fake News sind auch für Lebensmittelproduzenten ein Problem.” Foodwaste wiederum, waren sich die Diskutanten einig, sei am einfachsten damit beizukommen, dass Mengenrabatt-Aktionen – „3 zum Preis von 2” – beschränkt und das Wissen vermittelt werde, wie man Lebensmittel richtig aufbewahrt. Ganger: „Dass man Tomaten etwa nicht im Kühlschrank aufbewahrt, weil sie sich gegen die Kälte buchstäblich eine dicke Haut wachsen lassen.”
Ob man Handel wie auch Gastronomie dazu auffordern müsse, dem Konsumenten insgesamt mehr Information zu den verkauften bzw. verarbeiteten Lebensmitteln zur Verfügung zu stellen? „Absolut”, bestätigt Andreas Ableidinger von der auf Gurken spezialisierten Gärtnerei Ableidinger in Wien-Simmering. „Auch bei uns gibt es im ersten Moment oft Verwirrung. Die Gurken wachsen auf Steinwollmatten – ‚Wo ist die Erde?' wird dann gefragt. Da muss ich dann erklären, dass ich mit den Matten und einer Klimasteuerung effizienter anbauen kann, um die geforderten Liefermengen einzuhalten, und viel weniger Krankheiten hereinbekomme. Damit vermeide ich Pilzbefall, ohne chemisch eingreifen zu müssen.” Fazit: „Auch konventionell produziertes Gemüse ist gesund.” Der Bedarf an regionalem und saisonalem Gemüse jedenfalls, bestätigen die Diskussionsteilnehmer die Ergebnisse der Whitebox-Studie, sei vorhanden – und der Konsument auch bereit, dafür zu bezahlen.

Handelsmarken nehmen zu

Probleme bereitet den Produzenten das zunehmende Angebot an Handelsmarken: „Aufgrund der neutralen Präsentation am PoS und der Zunahme an Eigenmarken der Handelsketten ist die Differenzierung nicht mehr so einfach”, sagt Hudribusch. „Wir müssen den Kunden aufklären, dass sie mit dem Kauf von LGV-Produkten viele Gärtnerfamilien unterstützen und auch deren Existenz sichern.”

„Jedenfalls kann der Handel nicht günstiger produzieren als wir”, so Martin Merschl von der Gärtnerei Merschl in Wien-Donaustadt. „Aber er kann mit eigener Produktion den Preis steuern. Wenn man als Produzent vom Handel abhängig ist, ist das schon risikobehaftet.” Eigner: „Es gibt Hobbies, mit denen man mehr verdient.”
Für Unzufriedenheit sorgt auch der österreichische Gütesiegeldschungel; Eigner: „Die AMA-Kampagnen kosten viel und bringen wenig. Das AMA-Siegel wird vom Handel gefordert. Aber haben Sie schon einmal einen Beitrag der AMA über Gemüse gesehen?” „Es gibt viel zu viele Gütesiegel”, so Hudribusch. „Mit den meisten Siegeln können die Leute gar nichts anfangen”, ergänzt Merschl, „und mit dem AMA-Gütesiegel wird viel Schindluder getrieben. Wir von der LGV gehen immer den ehrlichen Weg. Dafür zahlen wir manchmal drauf.”

Kistln & Webshops

Viel Luft nach oben gebe es auch bei den Vermarktungsmöglichkeiten abseits des Handels: „Obst- und Gemüse-Abokistln sind ein Thema”, sagt Hudribusch, wie es etwa Achleitner in Oberösterreich und der Biohof Adamah in Wien anbietet – „und Sortenversuche. Der Konsument will dann und wann etwas anderes – violette Karotten, blaue Kartoffeln.” Ableidinger: „Bei den Gemüsekistln muss man aber bedenken, dass der Handel auch schon Onlineshops betreibt. Das ist für die Etablierten ein Business, aber da noch Fuß zu fassen, wird zunehmend schwierig.”

Nicht nur der LEH setzt stark auf die Digitalisierung und auf Webshops – auch manche agrarische Sparten wie etwa die Winzer arbeiten mit diesen Vermarktungs-Tools seit vielen Jahren erfolgreich. Auch für Produzenten von Frischwaren, so der Tenor der Diskussion, wird es zukünftig zunehmend wichtig, kreative webunterstützte Informationsstrategien für den Konsumenten sowie alternative Vermarktungs- und Vertriebsstrategien für ihre Produkte zu finden.

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