••• Von Ornella Luna Wächter
Menschen essen seit Urzeiten Fleisch. Doch die stundenlange Fleischzubereitung über dem Lagerfeuer wurde von Bratpfannen und Öfen moderner Haushalte abgelöst. Die Möglichkeiten, in solchen Küchen Fleischgerichte zuzubereiten, vervielfältigten sich ins Unermessliche – und damit auch das Fehlerpotenzial. Die richtige Zubereitung einer Entenbrust mit Honig-Pfeffer-Soße lässt viele ratlos in die teuren Bratpfannen starren. Der Wunsch nach gutem Fleisch ist vorhanden, doch es zuzubereiten, trauen sich nur mehr wenige zu. Die Lösung: Convenience-Produkte. Im Portfolio von Fleisch- und Wursterzeugern in Österreich nicht mehr wegzudenken. Fertig- oder Halbfertigprodukte machen das große Rennen in den heimischen Supermärkten.
Hunger nach Einfachheit
„Convenience wird groß”, prognostiziert auch Thomas Schmiedbauer, Geschäftsführer der Wiesbauer-Gruppe.
Als Antwort auf die verstärkte Nachfrage nach Produkten, die mit wenigen Handgriffen essfertig auf dem Teller dampfen, brachte Wiesbauer vor allem Produktneuheiten im Segment Convenience auf den Markt. Erst vor einem Jahr wurde die Produktrange der „Haubenküche für zu Hause” eingeführt, mittlerweile sind die Produkte in ganz Österreich gelistet – darunter das „Entenbrustfilet Barbarie” oder der Pfandlschweinsbraten, beides Gerichte, an die sich ein privater Durchschnittskoch wohl eher selten wagen würde. Nur zehn Minuten muss man für das Brutzeln der Filets einkalkulieren, da das Fleisch mittels „Sous-vide”-Methode unter niedrigen Temperaturen lange gegart wurde. Der zeitaufwendigste Kochschritt wurde dem Verbraucher dadurch abgenommen.
Kochen wird überbewertet
„Die Leute wollen heute sehr wohl kochen, aber es will keiner mehr drei oder vier Stunden in der Küche stehen”, äußert sich Schmiedbauer über den Trend hin zu Convenience-Produkten. Neben dem Faktor Zeit zählt auch der Erfolg in der Zubereitung. Dass der Wursterzeuger damit am Rad der Zeit dreht, lässt sich unschwer am Absatz der „gelingsicheren” Wiesbauer-Gerichte erkennen; die „Haubenküche” kam laut Schmiedbauer von Null auf 2 Mio. € Umsatz.
Verkaufshit Convenience
Seit 2011 sind Produkte für die flotte Küche zu Hause wie Steak (12,3%), Beiried (4,2%) oder Hühnerfleisch (3,5%) überdurchschnittlich stark am wachsen. Schon 2015 wurde in Österreich mehr Geld (+1,3%) für Fertigwaren im LEH ausgegeben. Zwar kochen über 60% der Befragten sehr gern und würden dabei auf frische Zutaten achten. Die Hälfte der Befragten gab jedoch an, nicht viel Zeit ins Kochen zu investieren (27%).
Nicht nur Vorgekochtes, auch vorgeschnittene Wurst und Schinkenprodukte, sogenannte Sliced Produkte, boomen. Von den durchschnittlich 140 €, die in Österreich für Lebensmittel ausgegeben werden, entfallen 26,8 € (19,1%) auf Wurst und Schinken.
Marktüberblick
Was im Bereich Convenience funktioniert, gilt jedoch nicht für die Branche insgesamt. Zwischen Jänner und September 2016 wurden 73.720 t Fleisch verkauft, fast drei Prozent weniger als in den Jahren davor, wo die Menge halbwegs konstant um die 105.000 t lag. Laut der AMA-Marktanalyse wurde am Fleisch- und Wurstmarkt 2016 ein Rückgang von rund zwei Prozent verzeichnet, ebenso ging der Verkauf im LEH zurück. 2016 wurde mengenmäßig weniger Frischfleisch im LEH gekauft (–2%), im Wert sind das –0,4% Verlust. Die Konsumenten würden zunehmend auf gesunde Ernährung achten und kaufen weniger Fleisch, aber wenn, dann sei Qualität ausschlaggebend, so AMA-Marktforscherin Micaela Schantl. Die Einkauffrequenz aber sei im Sinken, im letzten Jahr hätten Konsumenten durchschnittlich zehn Mal weniger oft eingekauft als 2011.
Eingefleischte Zahlen
Der Tenor der drei größten Lebensmittelhändler in Österreich, Spar, Rewe und Hofer, klingt den Anspannungen zum Trotz durchwegs positiv. Vom Wegfallen des Mitbewerbers Zielpunkt profitierten alle drei Supermärkte im Umsatz. Allerdings wächst damit auch die Konzentration im Handel: 88% aller Frische-Einkäufe im LEH geschehen bei den Top Drei.
Spar beschreibt die Entwicklung der Warengruppe Fleisch als „sehr gut”. Gerade jetzt, wo Ostern bald vor der Tür steht und die Tage wieder wärmer werden, rechnet der hierzulande führende Lebensmittelhändler mit einer „starken Belebung”. Traditionell werde zu Ostern besonders viel Fleisch und Schinken gegessen, viele Schinkenproduzenten würden extra zu Ostern eigene Produkte herstellen. Convenience läuft übrigens auch in der hauseigenen Produktpalette von Spar gut: Innovationen der Tann-Reihe, wie pulled pork oder beef und besondere Steaks „liegen im Trend”.
Hohe Erwartungen an die kommende Grillsaison hat man gleichfalls bei Rewe. Klassische Würstel seien die beliebtesten und umsatzstärksten Fleischprodukte und werden in der Regel ab Mitte April stärker nachgefragt, gibt Unternehmenssprecher Paul Pöttschacher an. Zu den Topartikeln im Sortiment gehören, siehe da, auch Slice- Produkte, darunter Salami. Bei Fleisch verzeichne Rewe vor allem einen Trend hin zu Rind und Lamm, aber auch hin zu hochwertigen Steaks.
Zukunftsmusik
Fragt man Rudolf Berger über die Entwicklung der Warengruppe Fleisch, bestätigt dieser die Nachfrage zu Qualitätsprodukten. Das Unternehmen Berger Schinken hat sich auf die Herstellung von hochwertigem Kochschinken spezialisiert – und treffe damit nach wie vor „den Nagel auf den Kopf”, so der Geschäftsführer.
Darüber hinaus würden Produkte aus der Region verstärkt nachgefragt, wobei auch die Tierhaltung beim Konsumenten ein Thema sei. In puncto Tierwohl wurden Viehtransporte bei den Lieferanten der Regional-Optimal-Produktpalette auf maximal 50 Kilometer festgelegt. Geht es um die Transparenz in der Wertschöpfung und Verarbeitung, pocht Berger auf die klare Kommunikation seines Unternehmens: regionales Bewusstsein und eine gentechnikfreie Produktion; ebenso sei die Herkunft all ihrer Rohstoffe eindeutig nachvollziehbar.
Das Spiel mit der Qualität
Der österreichische Markt ist allerdings nicht autark, was die Fleischproduktion und Versorgung betrifft. Jährlich werden große Mengen an Fleisch aus anderen EU-Ländern nach Österreich importiert.
Neben verarbeitetem Fleisch und Fleischprodukten sind es auch lebende Tiere wie Rinder (50.085 t) oder Schweine (38.528 t, Quelle: Statistik Österreich 2016). Bei Tieren, die in einem anderen Land unter anderen Bedingungen gehalten und gefüttert wurden, kann der Verbraucher hingegen nicht selbstverständlich davon ausgehen, dass dabei das Wohl des Tieres mit artgerechter Haltung und kurzen Transportwegen im Vordergrund stand.
Die erwähnten importierten lebenden Rinder und Schweine sind somit die Kuckuckseier in der heimischen Fleischbranche. Trotz ihrer ausländischer Herkunft erhalten sie nämlich die Kennzeichnung „AT”, weil sie hier geschlachtet wurden - und man laut österreichischer Lebensmittelkennzeichnung das letzte Land der Verarbeitung angibt.