••• Von Daniela Prugger
WIEN. Die wiederholten Gastro-Lockdowns haben Österreichs Brauwirtschaft im Jahr 2020 stark getroffen und auch den Verband der Brauereien Österreichs gefordert. Dort gab man nun einen Wechsel in der Geschäftsführung bekannt: Jutta Kaufmann-Kerschbaum geht in den Ruhestand und übergibt alle Agenden an ihren Nachfolger Florian Berger. Nicht zuletzt sei es Kerschbaum zu verdanken, dass sich Österreich in den vergangenen zwei Jahrzehnten zu einem Bierland entwickelte, das auch über die Grenzen hinweg höchste Wertschätzung genießt, lobt Obmann Sigi Menz. Ansonsten fällt seine Bilanz beim Rückblick auf diese zwei Jahrzehnte düster aus.
An der Grenze des Machbaren
„Die Pandemie hat uns um gute 20 Jahre zurückgeworfen. Seit 2000 bzw. der Jahrtausendwende war der Inlandsausstoß nicht mehr so niedrig wie im vergangenen Jahr.” Nach mehrmonatigen Lockdowns von Gastronomie, Hotellerie und einer brachliegenden Veranstaltungs- und Eventszene seien viele Brauereien nun an der Grenze des Machbaren angekommen: Fließt in normalen Jahren rund ein Drittel des Bieres in die Gastronomie, existiere dieser Bereich seit Monaten praktisch nicht mehr. „Unsere Brauereien haben mit Gesamtumsatzrückgängen von durchschnittlich 20 Prozent zu kämpfen. Einzelne, vor allem kleine und mittelständische Brauereien, die stark im Gastronomie- und Veranstaltungssektor aktiv sind, berichten von bis zu 70 Prozent Einbußen. Die Vielfalt unserer heimischen Bierkultur und damit das Bierland Österreich sind in Gefahr.”
Ob der Dramatik der Situation betont Menz die Relevanz der heimischen Brauereien für die Wirtschaft – die rd. 700 Millionen €, die jährlich in die heimische Staatskasse fließen und die Jobs, die durch die Branche geschaffen werden. „Trotzdem werden wir weiterhin außerordentlich belastet”, moniert Menz. Während österreichische Brauereien im Schnitt 24 € pro hl Bier an das Finanzministerium abführen, sind in Deutschland nur 10 € fällig. Welche Prognosen er für die Branche hat und wie eine verträgliche Lösung von Corona-Restriktionen und Gastro in der Zukunft aussehen könnte, erzählt er im Interview.
medianet: Herr Menz, nicht auszuschließen ist, dass es in der zweiten Jahreshälfte 2021 zu einer Insolvenzwelle kommt. Bis zu 29 Prozent der Unternehmen in der Sparte Hotellerie und Gastronomie könnten vom Markt verschwinden. Davon ausgehend – welche Szenarien malt sich der Verband der Brauereien Österreichs für die Branche aus?
Sigi Menz: Die österreichische Gastronomie ist einer unserer wichtigsten Partner. Sie ist – gemeinsam mit unseren Brauern – Trägerin der unverwechselbaren heimischen Bier- und Genusskultur, die weit über die Grenzen des Bierlands Österreichs geschätzt wird. Wir hoffen also stark, dass die meisten Betriebe diese sehr lang andauernde Pandemie auch überleben werden. Zur Unterstützung unserer Gastronomen haben wir bereits im November 2020 die Solidaritätsaktion ‚Es Wirt wieder!' gestartet. Hier helfen wir Menschen dabei, ihre in den letzten Monaten verpassten Feste bei ihrem Lieblingswirt nachzufeiern – so es die gültigen Bestimmungen zur Pandemie zulassen. Parallel dazu haben viele Brauereien mittlerweile auch ihre Online-Kanäle sowie das Lieferservice ausgebaut.
medianet: Wie würde denn Ihrer Meinung nach eine verträgliche Lösung für Corona-Restriktionen, Schanigärten und Gastronomie in den kommenden Wochen aussehen?
Menz: Was wir jetzt brauchen, ist ein ‚Comeback-Plan'. Wir brauchen ein verantwortungsvolles Öffnen der Betriebe mit klaren Rahmenbedingungen bei denen sich die Gäste auch wohlfühlen. Hier müssen Sperrstunden-Regelungen ebenso miteinbezogen werden wie etwaige Zutrittstests. Aber eines ist auch klar: Es muss sich für die Gastronomen rechnen. Es macht keinen Sinn, einen Betrieb zu führen, der nicht erfolgreich wirtschaften kann. Das verschleppt nur Probleme. Daher werden rasch einheitliche Regelungen sowie nachvollziehbare, evidenzbasierte Entscheidungen benötigt. Wir müssen die nächsten Schritte mit klaren Fakten und einer Perspektive verknüpfen, die länger als ein bis zwei Wochen gültig ist. Nur so können die Betriebe planen und sich auf den lang ersehnten Neustart vorbereiten. Wir müssen endlich nach vorn schauen und der Bevölkerung wieder Mut und Vertrauen zurückgeben. Das braucht es aktuell am meisten.
medianet: Inwiefern wird die Krise Auswirkungen auf die Qualität des hiesigen Bieres haben, auf die Vielfalt der Brauereien und Produkte?
Menz: Unser österreichisches Bier ist ein Natur- und Qualitätsprodukt. Daran ändert auch die Pandemie nichts. Der Einsatz hochqualitativer natürlicher Rohstoffe aus Österreich – durchschnittlich verbrauen wir 150.000 Tonnen Braugerste sowie 500 Tonnen Hopfen pro Jahr und verwenden dabei ausschließlich unser heimisches, besonders hochwertiges Wasser – ist eine der tragenden Säulen des Bierlandes Österreich und ein überaus genussvolles Kapitel in der Erfolgsgeschichte des heimischen Bieres. Selbiges gilt für die Vielfalt des österreichischen Bieres.