„Den Wettbewerb muss ich sowieso akzeptieren”
© WKO/Rupprecht
AmbitioniertPeter Voithofer (KMU Forschung Austria), Christian Kutsam und Harald Sippl (beide: WKO, Bundesgremium Handel mit Mode und Freizeitartikeln).
RETAIL christian novacek 22.06.2018

„Den Wettbewerb muss ich sowieso akzeptieren”

Christian Kutsam, WKO, ortet im Modehandel eine ­fundierte Kampfeslust gegen Amazon & Co.

••• Von Christian Novacek

Christian Kutsam mag es drastisch: Der stellvertretende Obmann des Bundesgremiums Handel mit Mode und Freizeitartikeln kramt im Rucksack, zieht daraus einen Universalreiniger von Cif und verkündet: „Wenn ich das in meine Firma mitnehme, ist es eine gefährlich Chemikalie!”

Nicht, dass er damit nicht umzugehen wüsste – aber: Für ein Reinigungsmittel dieserart muss der Unternehmer ein Datenblatt führen. Worauf Kutsam hinauswill: Die Bürokratie ist des klein- und mittelständischen Modehändlers Hund. An ihr kommt er nämlich nicht vorbei, und sie ist nicht dergestalt, dass sie den Arbeitsalltag erquickt.
Erstens ist der Aufwand beträchtlich, zweitens die Kosten infolge nicht gering, und drittens füttert die Regierung die Branche stetig mit der Hoffnung auf Bürokratieabbau – um letztlich doch immer wieder ein Schäuferl draufzulegen. Aktuelles Beispiel: Kaum ist die Registrierkassenverordnung halbwegs verdaut, ist mit der DSGVO der nächste prinzipiell nicht allzu leicht verdauliche Brocken herangeschafft.

Die Lawine rollt

Das Stimmungsbild, die überbordende Bürokratie betreffend, fasst Kutsam wortgewaltig zusammen: „Das ist wie das Davonlaufen vor einer Lawine – irgendwann kriegt sie einen doch!” Etwa in Sachen Abfälle. Im Modegeschäft fallen an: Packkartons, sauberes Plastik, Haushaltsmüll – und sonst eher nichts. Trotz dieser Überschaubarkeit sind die Händler aber angehalten, ein Abfallwirtschaftskonzept zu erstellen. Oder, tendenziell unbürokratisch, aber in der Sache Hardcore: die Verlängerung der Gewährleistungsgarantie auf ein Jahr. „Sie können heute einen Schuh kaufen, den ein Jahr tragen und dann beanstanden”, führt Kutsam aus.

Was bei derartigen Unsinnigkeiten den Händlern besonders sauer aufstößt, ist die Frage der Machbarkeit. „Was sie heute mit einem Vier- oder Zehn-Mann-Betrieb schaffen sollen, ist einfach nicht mehr schaffbar”, resümiert Kutsam. Er zieht den Vergleich zu Konzernen, die in der Lage seien, eine Person für Datenschutz und andere bürokratische Agenden abzustellen. Im Klein- oder mittelständischen Unternehmen, wo das Überleben oft eine ganz scharfe Kalkulationsfrage auch bei Personalkosten ist, geht das naturgemäß nicht locker von der Hand.

Stationär ist Trumpf

Während die heimischen Modehändler bei den bürokratischen Rahmenbedingungen einen machbaren Paradigmenwechsel orten, herrscht in Sachen Match mit Online-Giganten wie Amazon nicht mal Halbaufgeregtheit. „Vier von fünf Bekleidungsstücken werden immer noch stationär gekauft”, stellt Kutsam trocken fest. Er folgert: „Den Wettbewerb muss ich sowieso akzeptieren, und den stationären Einzelhandel wird es trotzdem immer geben.”

In einer Strukturbereinigungsphase befindet er sich dennoch. Die Top 5 in Sachen Mode (H&M, C&A, P+C, KiK, Kastner & Öhler) stehen für mehr als 30% des Branchenumsatzes, der rund 5,3 Mrd. € schwer ist. Mehr als 3.600 Unternehmen verfügen über rd. 4.800 Geschäfte. Im Vergleich zu anderen Branchen (Lebensmittelhandel) ist das auf den ersten Blick eine durchwegs gesunde Struktur. Aber: „Fast die Hälfte der Unternehmen sieht sich mit Umsatzrückgängen konfrontiert”, sagt Peter Voithofer von der KMU Forschung Austria.
Er hat die aktuelle Studie mit dem Titel „Freiheitsgrad der UnternehmerInnen im Bekleidungshandel” im Gepäck. Insgesamt hat sich demnach die Zahl der Unternehmen im Modehandel von 2008 bis 2016 um rund vier Prozent erhöht, der Branchenumsatz ist im gleichen Zeitraum gar um 19% gestiegen.
Parallel dazu greifen aber einige Bremsfaktoren leider nur allzu gut. Beispielsweise betragen die Personalkosten 20,5% der Betriebsleistung – und die Gehälter im Modehandel sind stärker gestiegen als die Inflationsrate.

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