Digital total: Bits & Bytes im Warenkorb
© Messe Düsseldorf/Constanze Tillmann
RETAIL Eva Kaiserseder 09.03.2018

Digital total: Bits & Bytes im Warenkorb

Die heurige EuroCis zeigt: Der Handel giert nach Hightech-Lösungen in allen Facetten.

••• Von Eva Kaiserseder

Sag, wie hältst du’s mit der Technik?” Das ist die Gretchenfrage, der sich Retailer rund um Globus stellen (müssen). Als Impulsgeber und Leitmesse in Sachen Retail Technology hat sich dabei die Düsseldorfer EuroCis etabliert, wobei „uns die aktuelle dynamische technologische Entwicklung sowohl im stationären als auch im Online-Handel und die daraus resultierenden Investitionen des Handels dabei Rückenwind geben” so Hans Werner Reinhard, Geschäftsführer der Messe Düsseldorf. Als Mastermind hinter der EuroCis fungiert seit deren Bestehen 1997 das EHI Retail Institute. Mit 12.000 Besuchern hat die Messe übrigens heuer so viele Besucher verbucht wie nie zuvor – Handels-IT ist ein weites Feld geworden. Der internationale Besucheranteil war hoch, jeder Zweite kam aus dem Ausland. Insgesamt 89 Nationen waren vertreten, dabei kamen die meisten Besucher aus den benachbarten Niederlanden, gefolgt von Großbritannien, Russland und Italien. Neben den auch heuer dominierenden Themen wie Check-out-Systemen, Cash Management, Mobile Solutions oder Omnichannel-Management sind vor allem Lösungen im Bereich Internet of Things, Augmented Reality sowie künstliche Intelligenz gefragt. Ausstellerzuwächse gab es insbesondere im Bereich mobile Datenerfassung, Online-Shopsysteme, Kartenterminals und digitale Marketinglösungen. Michael Gerling, Geschäftsführer des EHI Retail Institute, betont den Bereich Informationstechnik als einen wesentlichen Erfolgsfaktor für den Handel, der völlig neue Möglichkeiten der Kundenansprache ermöglichen würde. Mehr und mehr würde sich daher konsequenterweise abzeichnen, dass die EuroCis „eine Messe ist, die nicht nur für IT-Entscheidungsträger spannend ist, sondern einen Besuchermix quer durch alle Unternehmensbereiche, egal ob Ladenbau, Marketing oder Einkauf, anzieht”, so Gerling.

Persönlich werden

Was auf der Messe ebenfalls großes Thema war: Ideen zur personalisierten Kundenansprache. Konsumenten wünschen sich verstärkt maßgeschneiderte Lösungen – dabei sind unter anderem Location Based Services, bei denen der Kunde genau auf ihn abgestimmte Angebote auf sein Handy erhält, gefragt. Generell werden Lösungen wichtiger, die Produkte personalisierter gestalten. Das Thema Robotics und Künstliche Intelligenz (KI) nimmt ebenfalls Fahrt auf. Der flächendeckende Einsatz humanoider Roboter ist zwar Zukunftsmusik, zumindest könnten sie aber bei Kommissionierung, Regalbestückung und Inventur gute Dienste leisten. Großen Beifall bei den Besuchern fand das Start-up-hub, eine Premiere auf der EuroCis: Dort stellten zwölf Newcomer unter Beweis, warum gerade sie der Retail Technology-Welt ein Bein ausreißen wollen. Dort wurde gezeigt, wie Kunden Ware selbst per App scannen, bezahlen und ohne Kassenvorgang das Geschäft verlassen; wie man mit praktisch jedem Smartphone ein individuelles Körperprofil erstellt und die ideale Konfektionsgröße berechnet oder wie Instore Analytics-Lösungen in Echtzeit die Bewegungen von Kunden im Store aufzeichnen und gleichzeitig messen, mit welchen Produkten sie interagieren.

Keine Messe ohne Award

Zu den Höhepunkten der EuroCis zählte auch heuer wieder die „reta”-Verleihung, aka retail technology award europe. In vier Kategorien ermittelte die Branche ihre Besten in Sachen „Best Customer Experience”, „Best In-Store Solution”, „Best Enterprise Solution” und „Best Omnichannel Solution”. Case Study Boggi Milano, Gewinner in letzterer Kategorie: Der Fashion Retailer hatte bereits 2016 mit seiner Omnichannel-Strategie begonnen, dem Kunden werden seither drei flexible Optionen geboten: Click & Collect, Reservierung im Store, Instore Ordering samt Lieferung in einen anderen Store. Selbst die Lieferung zum Kunden nach Hause ist kein Problem. Zur Marketing Cloud gehört eine 1:1 E-Mail-Kommunikation, die Service Cloud setzt auf umfassenden Kundenservice – für Boggi Milano der Schlüssel zur Steigerung der Markentreue. Mit Erfolg: Der Onlineumsatz stieg 2016 um 150% gegenüber dem Vorjahr.

Zauberwort Omnichannel

Als das omnipräsente Schlagwort der Stunde, auch auf der EuroCis, ist Omnichannel also nach wie vor aktueller denn je. Die EHI-Studie „IT-Trends im Handel” belegt das eindrücklich. So haben für mehr als die Hälfte der befragten IT-Verantwortlichen in den nächsten zwei Jahren diejenigen Projekte oberste Priorität, die mit der Umsetzung von Omnichannel-Strategien zu tun haben. Christoph Langenberg, EHI-Studienleiter von „Omnichannel Commerce 2017”, sieht dabei auf jeden Fall Nachholbedarf: „Omnichannel ist zwar im deutschen Handel angekommen, Standard ist es aber noch keiner.” Ob die Erwartungen ans große Geld dabei gerechtfertigt sind? Und soll man als Retailer für Omnichannel-Lösungen selbiges in die Hand nehmen oder lieber nicht? Langenberg sieht das differenziert: „So wurde in der Branche zwar schon vorgerechnet, dass der Omnichannel-Kunde mehr Umsatz generiert als ein rein stationärer oder ein reiner Online-Kunde, der Anteil der Omnichannel-Kunden aber noch zu gering ist, um die Kosten der Kanalverknüpfung zu tragen.” Klingt nach klassischer Pattsituation für die Branche. Wirft man einen Blick auf die Umsatzzahlen der Top 1.000 Onliner, haben die Multichannel-Shops mit Mobile-Unterstützung jedenfalls noch die Nase vorn und gerieren 13,3 Mrd. €, Cross- und Omnichannel Shops kommen auf gemeinsame 7,1 Mrd. €. Sie sind zahlenmäßig allerdings wesentlich weniger vertreten.

Sieht man sich dagegen das Durchschnittsergebnis je Shop an, ändert sich dieses Bild: Cross- und Omnichannel-Shops inklusive Mobile bringen es da nämlich auf 42,1 Mio. €, während Online Pure Player mit 41 Mio. € knapp darunter liegen. Multichannel-Vertreter sind mit 28,8 Mio. €/Shop schon weit abgeschlagen. Langenbergs Fazit ist dementsprechend durchwachsen: Omnnichannel sei keine Umsatzbremse, wie die Analyse zeigt, aber auch nicht das Allheilmittel für heftig wachsende Umsätze. Omnichannel sei schlicht „eine Strategie von vielen”, so der Experte.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL