„Es reicht nicht, eine gute Idee zu haben”
© Unimarkt/Michael Hügel
RETAIL Anna Muhr 23.11.2018

„Es reicht nicht, eine gute Idee zu haben”

Andreas Haider, Präsident des Österreichischen Franchise Verbandes, im Gespräch über Trends und Risiken beim Franchising.

••• Von Anna Muhr

Am Anfang stand das gelbe „M”: Ende der 70er-Jahre eröffnete der Fast-Food-Riese McDonald’s seine erste Filiale in Österreich und brachte bald neben Big Mac und Co. auch die Vertriebspraxis Franchising ins Bewusstsein heimischer Unternehmer. Seither hat sich die Branche stetig entwickelt und wächst immer weiter. 440 Systeme zählt die österreichische Franchise-Landschaft derzeit, gemeinsam stehen sie für einen Netto-Umsatz von etwa 9 Mrd. € pro Jahr.

Der Präsident des Österreichischen Franchise Verbandes (ÖFV), Andreas Haider, ist Geschäftsführer der Supermarktkette Unimarkt mit Sitz in Traun/OÖ und mit seinem Unternehmen selbst Franchise-Geber. Im Interview erklärt er, wann es ratsam ist, via Franchising zu expandieren, welche Fehler zu vermeiden sind und wie die Zukunft der Branche aussehen kann.


medianet:
Der österreichischen Franchise-Branche geht es derzeit offenbar sehr gut. Woher kommt das große Interesse am Franchising?
Andreas Haider: Das Thema Franchise trifft den aktuellen Zeitgeist. Eine wesentliche Komponente davon ist das Multiplizieren. Wenn man ein Business hat, muss man sich überlegen, wie man daraus mehr macht. Dafür ist Franchise ideal, weil man sein System mit gut dokumentiertem Know-how übergibt, und andere recht leicht in die Multiplikation gehen können, ohne die wirklich großen Entwicklungen selbst stemmen zu müssen. Ich glaube, aktuell kommen sehr viele junge Systeme drauf, dass das eine gute Idee ist. Ähnlich populär war das Thema schon in den 80er-Jahren, als es damals mit McDonald’s aus den USA nach Europa kam.

medianet: Auf der Franchise Messe vor einigen Wochen konnte man sehen, dass sich das Thema mittlerweile durch viele verschiedene Branchen zieht – gibt es eine Branche, die dafür besonders prädestiniert ist?
Haider: Das Paradesystem ist mit Sicherheit McDonald’s. Nachdem das so gut funktioniert hat, gab es viele Nachahmer im Bereich der Systemgastronomie. Hier gibt es eben auch eine große Nutzergemeinschaft, die Erfolg verspricht. Generell kann man sagen: Gastronomie und Handel sind die beiden Branchen, die deutlich mehr als 50 Prozent aller Systeme ausmachen und auch 80 Prozent des Gesamtumsatzes generieren. An dritter Stelle steht dann die Dienstleistungsbranche – zum Beispiel mit Systemen wie AIS, das 24h-Betreuung und Pflege privatwirtschaftlich anbietet. So was ist total am Puls der Zeit.

Etwas unterbelichtet ist aktuell noch der Bereich Gewerbe, aber auch da gibt es interessante Modelle wie das Sanierungs-Unternehmen Soluto.


medianet: Wie sieht der ideale Franchise-Nehmer aus, den jedes System sich wünscht?
Haider: Der geeignete Franchise-Unternehmertyp muss ein Mensch sein, der gern in Teams arbeitet und der sehr stark vertriebs- und menschenorientiert ist. In einer Studie, die wir mit der Privatuni Seeburg gemacht haben, hat sich außerdem klar herausgestellt, dass ein guter Franchise-Nehmer sehr gewissenhaft arbeiten muss.

medianet:
Vor allem Frauen gehen gern ins Franchising. Mehr als die Hälfte der Mitarbeiter und etwa 40 Prozent der Führungskräfte im Franchising sind weiblich – woran liegt das?
Haider: Viele davon sind Wiedereinsteigerinnen, die eine neue Aufgabe und Selbstverwirklichung suchen. Und auch parallel zur Kindererziehung kann man sich die Zeit als Franchise-Nehmerin ja besser einteilen als in einem Angestelltenverhältnis. Und die Hürde, ein neues Business aufzubauen und neue Kunden zu suchen, fällt weg. Als Franchise-Nehmer werde ich in der Anfangszeit von der Zentrale begleitet und bin von Beginn an wesentlich produktiver.

medianet:
Wie sieht es denn von der anderen Seite her aus: Wann ist es für ein Unternehmen ratsam, ins Franchising zu gehen? Welche grundlegenden Voraussetzungen müssen gegeben sein?
Haider: Man sollte sich die Frage stellen: Was habe ich, wofür andere Geld bezahlen werden? Was ist mein besonderes Know-how, das ich anderen zur Verfügung stellen kann? Habe ich eine besondere Expertise, vielleicht in Sachen Prozessoptimierung oder Digitalisierung? Wenn ja, dann lohnt es sich, mit diesem fertigen Betriebskonzept rauszugehen.

medianet:
Auf die Größe des Unternehmens kommt es also nicht an.
Haider: Nein, absolut nicht. Es reicht aber auch nicht, einfach eine gute Idee zu haben und die zu verkaufen. Franchise bedeutet: Ich habe selbst mit meinem System erfolgreich einen Piloten absolviert und damit Geld verdient und jetzt bin ich bereit, Ressourcen zur Verfügung zu stellen, damit mein System sich verbreitet und ich die Abgabe meines Know-how wiederum in Geld retour bekomme.

medianet: Was kann dabei schiefgehen?
Haider: Nun, es ist nach wie vor eine Selbstständigkeit mit allen Risiken, die ein Selbstständiger hat. Aus meiner Sicht ist es auch risikoreich, wenn der Geber sein System noch nicht ausreichend professionalisiert hat und dann schon in die Expansion geht. Da kann es passieren, dass der Nehmer mit in die Negativspirale gezogen wird. Beim ÖFV müssen deshalb alle ordentlichen Mitglieder mindestens einen erfolgreichen Piloten absolviert haben, einwandfrei in der Vertragsgestaltung sein und einen Systemcheck absolvieren. Aber auch wenn der Geber sich zu wenig Zeit bei der Auswahl der Franchise-Nehmer nimmt und nicht prüft, ob man wirklich zusammenpasst, kann es schwer werden.

medianet: Was sind die aktuellen Trends im Franchising? Man hört da oft die Worte Multi-Unit und Multi-Brand.
Haider: Beim Multi-Unit-Franchising hat ein Franchise-Nehmer mehrere Standorte, er braucht ausgeprägte Management-Fähigkeiten. Der Geber sollte eine gute Einschätzung haben und wissen, wie viele Units man einem Nehmer zumuten kann. Das ist längst gelebte Praxis. Multi-Brand ist ein Thema, das gerade aufkommt. Wir praktizieren das auch bei Unimarkt. Ich bin Franchise-Nehmer der Bistro-Box, die Sofortverzehr-Lebensmittel über Automatenverkauf anbietet. Ich habe die Automaten in einigen stationären Stores und sehe hier einen erweiterten Absatzkanal. Multi-Brand macht also Sinn, wenn die Systeme zueinander passen und einander ergänzen. Beliebig sollte es nicht werden, immerhin braucht man im Franchising schon auch Leidenschaft für das Tätigkeitsfeld, in dem man ist.

medianet: Zum Schluss ein Ausblick – wie wird sich die heimische Franchise-Branche in den nächsten Jahren entwickeln?
Haider: Sie wird sich nicht revolutionär verändern. Ich gehe von einer stetigen Weiterentwicklung und einem Wachstum aus. Was mich freut, ist, dass sich Franchise im Bereich Gewerbe weiterentwickelt und dass Systeme versuchen, etwas zu starten, was es noch nicht gab. Wie eben das System Soluto, das gute Arbeit von Handwerkern mit professioneller Organisation, Administration, Digitalisierung verbindet. In dieser Richtung muss man weiterdenken.

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