Joseph Brot: Besuch beim „Szenebäcker” wider Willen
© Joseph Brot
RETAIL daniela prugger 29.04.2016

Joseph Brot: Besuch beim „Szenebäcker” wider Willen

Unter der Marke Joseph Brot werden nicht nur Brot und Gebäck verkauft, auch das Bistro kommt bei den Besuchern gut an.

••• Von Daniela Prugger

WIEN. Es ist hell im Bistro Joseph Brot in der Wiener Landstraßer Hauptstraße 4 – die dritte neben den beiden Filialen in der Naglergasse und in der Obkirchergasse. Die Einrichtung ist „clean” und ­ohne Schnickschnack. Die Wände sind ganz in weiß gehalten, im vorderen Bereich der Filiale kann neben Brot auch Milch und Jogurth gekauft werden, daneben wird gegessen: Beef Tatar, Clubsandwich, Falafelburger.

Etwas genervt ist Unternehmensgründer Josef Weghaupt schon, als er die Frage gestellt bekommt, wer denn sein Zielpublikum sei. Zu oft hat er sie schon beantworten müssen, seine Antwort bleibt auch dieses Mal gleich: „Es gibt es keinen bestimmten Kundentyp bei uns. Jeder, der unser Produkt schätzt, ist unsere Zielgruppe.” Hier treffen Business-Leute auf verliebte Pärchen, hier werde Mittagspause, Freizeit und der Feier­abend verbracht. Doch der „Querschnitt durch die Gesellschaft” ist es dann doch nicht, wie Weghaupt behauptet. Wer hier speist, weiß gutes ­Essen zu schätzen. Und der Preis, der ist sekundär.

„Die Familie war entsetzt”

Josef Weghaupt hat bereits in jungen Jahren erreicht, wovon viele nur träumen können: Er hat eine eigene Marke aufgebaut. „Joseph – Brot vom Pheinsten” steht für Hochwertigkeit, für Qualität, Schlichtheit und Raffinesse zugleich. Weghaupt will, dass Brot keine Sättigungsbeilage ist. „Es geht mir darum, ein Produkt zu erzeugen, von dem man auch gern eine Scheibe ohne Belag essen will. Ich möchte, dass man mein Brot auch noch nach zwei Tagen gern isst.”

Dass – vor allem auch vom Mitbewerb – immer wieder propagiert wird, Joseph Brot sei „schweineteuer”, regt Weghaupt auf. Er selbst war lange bei einer großen Indus­triebäckerei beschäftigt, „eine meiner Hauptaufgaben war die Entwicklung von Brot und Gebäck für Kunden, also Handelsketten.” Drei Jahre lang habe er das gemacht, und obwohl es immer um das Thema Qualität ging, lag der Haupt­fokus jeglicher Entscheidungen stets auf dem Preis. „Es wurde über jede Kommastelle diskutiert.” Im Jahr 2009 traf Weghaupt dann eine einschneidende Entscheidung: Er ließ seine Karriere als Lebensmitteldesigner hinter sich, nahm sämtliche Risiken in Kauf und machte sich – entgegen jeglicher Bedenken von Freunden und Familie („sie waren entsetzt”) – mit Joseph Brot selbstständig. „Ich wollte ehrliches, hochwertiges Brot herstellen.” Der Umsatz bewege sich mittlerweile zwischen 7 und 8 Mio. €.

In der Branche wird geredet

Für einen Laib Brot zahlt man zwischen 5 und 7 €. „Mein Brot wird per Hand und von Menschen gemacht – die will ich gescheit entlohnen”, so Weghaupt. Er will keine Maschinen, die unendlich viel Brot machen, wie es bei den meisten anderen Anbietern mittlerweile der Fall ist. Wie gut Josefs Produkte bei den Konsumenten ankommen, bestätigte vor Kurzem auch das Testmagazin Konsument. Bei der „Laienverkostung” lag Joseph Brot mit seiner Handsemmel an erster Stelle (siehe Grafik). Die befragten Experten überzeugte die Semmel nicht beim Preis, nicht bei der Form und auch nicht bei der Krusteneigenschaften; sie schneidet schlechter ab als die Produkte von Penny, Der Mann, Ströck, Anker, Felber, Billa und Lidl. Wer die Experten sind, bleibt unbekannt.

Bei dieser Diskrepanz zwischen Kunden- und Experten-Meinung muss Weghaupt schmunzeln. Ob man denn in der Branche gut aufeinander zu sprechen sei, lautet die nächste, logische Frage. „Ich hab keinen Kontakt zu den Großen, nur zu den kleinen Bäckern, mit denen ich mich ganz normal austauschen kann.” Man unterstütze und helfe sich auch gegenseitig. Die Vertreter der „Großen” sieht Weghaupt nur, wenn sie hin und wieder bei ihm ins Bistro reinschauen, um ein Marktscreening zu machen. „Aber man bekommt natürlich mit, was so geredet wird.”

Die Sache mit dem Kornspitzmix

Geredet wird viel in der Branche. Ein heiß diskutiertes Thema ist das bereits oft diagnostizierte Bäckersterben. Insolvenzen wie die von Ring (Linz), Schrammel Brot (Wien) oder Schmidl (Dürnstein) ließen bei vielen die Alarmglocken schrillen. „Die Supermärkte und Discounter sind nicht meine Konkurrenz und auch nicht mein Mitbewerb. Ich habe keine Lust, mich mit deren Produkten zu vergleichen.” Aber die kleinen Bäcker, die im ländlichen Bereich tätig sind, die treffe die Macht der Händler natürlich am härtesten. „Bei vielen dieser Unternehmen kann man das Gleiche kaufen, wie beim Handelskonzern nebenan. Dass der Handel die Ware aber dann auch noch günstiger und dank der Backshops frischer anbieten kann, ist klar.” Hier hätten die Bäcker am Land mitdenken und dazulernen müssen – und es sich überlegen sollen, immer nur denselben Kornspitzmix zu kaufen und zu verarbeiten. „Nur wer selber etwas entwickelt und sich vom Rest absetzt, kann mithalten – aber das würde ja bedeuten, dass man sich mit seinem Produkt und Job auseinandersetzen müsste.” Viele Bäcker am Land hätten das Unternehmen nun mal von den Eltern übernommen – ohne die erforderliche Eigenmotivation.

Vielleicht, lässt Weghaupt durchblicken, wird es insgesamt irgendwann mal fünf Filialen geben, „mehr nicht”. Auch eine Expansion in den Westen Österreichs hat Weghaupt nicht vor. Das liegt nicht nur aber wohl auch an den Herausforderungen, denen sich junge Unternehmer heute in Österreich stellen müssen. „Es ist eine pure Katastrophe. Es gibt eine riesige Diskrepanz zwischen dem, was ein Unternehmer heute leisten muss, und dem, wie schnell der Staat funktioniert.” In Wien sei man sowieso hauptsächlich Bittsteller. „Was Jungunternehmer heute mitmachen, ist eine Verarsche.” Weghaupt – ein Quereinsteiger ohne Familienbelastung im Backbereich, wie er selber sagt – liebt und lebt seinen Job. „Mein Leben dreht sich um Brot.” Im internationalen Vergleich – zum Beispiel in Frankreich – werde der Beruf zwar weit mehr wertgeschätzt als in Österreich. „Das ist ein kulturelles Problem, bei uns zählen halt vor allem ­Titel, das Handwerk kommt danach. Aber wenn man heute sagt, man ist Bäcker, ist das schon wieder was.”

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