„Kaum Rückgang im Zigarettenbereich”
© Andi Bruckner
Ralf-Wolfgang Lothert
RETAIL Redaktion 21.02.2025

„Kaum Rückgang im Zigarettenbereich”

Ralf-Wolfgang Lothert von JTI Austria darüber, wie das „Camel” im Tabakmarkt durchs Nadelöhr kommt.

••• Von Chris Radda und Georg Sohler

Unzufrieden wirkt Ralf-Wolfgang Lothert, Head of Public Affairs und Mitglied der Geschäftsleitung der JTI Austria GmbH, nicht beim Gespräch im medianet-Studio. Denn der Markt zeigt sich derzeit stabil, der Anteil an nicht in Österreich versteuerter Ware ist mit knapp über elf Prozent geringer als früher – und viel niedriger als anderswo. Allerdings gibt es auch eine gewisse Ungewissheit. Diese ergibt sich aus den medial immer wieder kolportierten Plänen, Teile des Budgetlochs mit einer erhöhten Tabaksteuer zu begleichen.

Und das betrifft genau das Geschäftsfeld von JTI. Japan Tobacco International ist seit 2007 fest mit der 1784 noch zu Kaiser Joseph II. gegründeten Österreichischen Tabakregie verbunden, hält einen Marktanteil von 32% und ist mit den Marken Camel, Winston und Benson & Hedges einer der führenden Anbieter im Land. Lothert selbst ist Rechtsanwalt und seit 2013 Mitglied der Geschäftsführung, schon von 2000 bis 2012 war er im Tabakbusiness tätig.
„Auffällig ist, dass der Markt stabil ist, im Zigarettenbereich gibt es kaum Rückgang”, sagt Lothert. Die nackten Zahlen: In Österreich wurden 2024 11,2 Mrd. Stück Zigaretten verkauft, ein minimaler Rückgang zu 2023.Dieser ergibt sich aus veränderten Konsumgewohnheiten sowie einer Verschiebung hin zu alternativen Produkten wie Tabakerhitzern. Aber: „Der Haupt-umsatz sind Tabakprodukte sowie immer mehr Tabakersatzprodukte wie Nikotinpouches oder E-Zigaretten.”

Weniger Unversteuerte

JTI profitiert aktuell auch davon, dass es bei geschmuggelter bzw. nicht in Österreich versteuerter Ware einen Rückgang gibt. Zur Begriffsklärung: Aktuell ist es etwa erlaubt, vier Stangen Zigaretten (800 Stück) ohne weitere Kosten aus anderen EU-Ländern einzuführen. Extra versteuert werden muss das hierzulande nicht, weswegen der Fiskus um die Einnahmen umfällt. Schmuggel bzw. Abgabenhinterziehung und -betrug sind Delikte im Sinne des Finanzstrafgesetzes.

„Zu Hochzeiten betrug dieser Anteil 17 Prozent”, berichtet Lothert über den Anteil an unversteuerter Ware. Derzeit liegt man bei nicht-versteuerten Zigaretten bei 11,7%. Die Zeiten ändern sich, und Österreich profitiert in dieser Hinsicht von Marktverschiebungen. Zwar sind die Preise für Tabakwaren in Österreich gestiegen – „es gibt aber auch Länder, in denen die Zigarettenpreise höher sind als hierzulande.”
Waren Zigaretten noch vor ein paar Jahren in nahen, vor allem nördlichen und östlichen Nachbarländern noch deutlich günstiger als hierzulande, so gleichen sich die Preise immer mehr an. Also wird auch der heimische, legale Markt gestärkt.

Unattraktives Schmuggeln

Die sehr teuren Tabakpreise in weiter westlichen, europäischen Ländern führen wiederum dazu, dass Österreich nicht mehr so attraktiv für Schmuggler ist. „Richtig gefälschte Ware gibt es in Österreich so gut wie keine. Wir sind ein Durchfuhrmarkt für Länder, wo die Ware teurer ist und man mehr Geld machen kann, wie etwa Frankreich oder England”, führt Lothert aus. Dort kostet eine Packung das Doppelte oder mehr.

Marktverschiebungen durch Preiserhöhungen wirklich genau zu erfassen, gestaltet sich aber insgesamt eher schwierig. Es gibt jene, die wegen Preiserhöhungen aufhören oder auf Alternativen umsteigen, der Effekt sei aber „nicht riesig. Frankreich und England haben teilweise nicht-versteuerte Ware von 30 Prozent und mehr. Bei großen Preis- und Steuererhöhungen deckt sich der Konsument woanders ein”.
Eine Preiserhöhung schwebte auch der letztlich geplatzten FPÖ-ÖVP-Regierung vor. Wie steht man dazu?

Steuerschock in der Trafik?

Was daraus wird, ist derzeit kaum eruierbar, eine Erhöhung der Tabaksteuer sei generell auch in anderen Regierungskonstellationen denkbar. Derzeit liegt die Tabaksteuer auf Zigaretten bei 60%, inklusive Mehrwertsteuer beträgt der Steueranteil pro Zigarette rund 76%.

50 Mio. €, so viel wollte die verhinderte Regierung aus der Tabaksteuer lukrieren. Während die Zigaretten selbst hoch besteuert sind, sind es andere Nikotinprodukte wie die Pouches nur mit 17%. Aus beiden Bereichen sollen nun rund 25 Mio. € kommen, zusätzlich zu den 2,15 Mrd. €: „Der Staat hat fast 60 Millionen Euro mehr als im Vorjahr eingenommen. Das ist ein exorbitanter Schritt.”
Lothert stellt generell in Frage, ob diese Beträge überhaupt zu holen wären. „Niemand freut sich über Steuererhöhungen”, sagt er. Darüber hinaus sage ja der Hausverstand, dass Steuererhöhungen auch zu Preiserhöhungen führen, was wiederum – siehe England und Frankreich – zu einer Erhöhung der Menge an nicht-versteuerten Zigaretten beitragen könnte.

Trafiken: Rückläufige Zahlen

Wie es in dieser Hinsicht weitergeht, ist nach wie vor offen. Einfacher ist das Attest an anderer Stelle: Die Anzahl der Trafiken ist rückläufig. Derzeit gibt es rund 4.500 (–5% gegenüber 2023). Zwar ist der Tabakhandel ein Monopol – eines der letzten in Europa – mit einer sogar gesetzlich geregelten Handelsspanne von 53%, der Trend hin zu größeren Trafiken besteht trotz des Gebietsschutzes.

Für Lothert sind dafür folgende Gründe ausschlaggebend: Neben einem rückgängigen Rauchwarenkonsum werden auch immer weniger Zeitungen direkt in Trafiken gekauft; das führe dazu, dass größere Geschäftsräumlichkeiten mehr Umsatz generieren (können) und somit kleinere wegfallen.
Zur Erinnerung: Im Gesetz ist festgeschrieben, dass Personen mit einer körperlichen Behinderung von mindestens 50% ein Vorzugsrecht haben, eine Trafik zu betreiben. Doch auch darüber hinaus ist dieser Geschäftszweig wichtig für Österreich.

Investitionen in Millionenhöhe

Insgesamt ist der Tabaksektor in Österreich ein bedeutender Wirtschaftssektor, der etwa 15.000 Menschen beschäftigt. Damit bewegt sich dieser Bereich hinsichtlich unselbstständig Beschäftigter in der Größenordnung der Fachverbände „Dachdecker Glaser und Spengler”, „Fleischer” oder „Stahlerzeugende Industrie”.

Innerhalb dieser Branche stellt JTI Austria mit 500 Mitarbeitenden auch das größte japanische Unternehmen des Landes dar. Über die Tochtergesellschaften Austria Tabak, Tobaccoland und Ökolab ist der Konzern breit aufgestellt.
Seit neun Jahren belegt JTI Austria zudem als Top Employer den ersten Platz unter den in Österreich gerankten Unternehmen. Ebenso konnte JTI zum insgesamt elften Mal als Top Employer Europa und Global reüssieren: „Wir sind einer der besten Arbeitgeber, was Sozialleistungen und das Umfeld betrifft, angefangen bei 50 Prozent Homeoffice bis zur Unterstützung von Familien. Das ist einzigartig in Österreich.” Davon profitieren die rund 500 Mitarbeiter. In Gumpoldskirchen bei Wien investiert Tobaccoland in den Bau eines neuen Logistik-Zentrums für rund 200 Mitarbeiter.

Verpönt, aber wirkmächtig

Für 2025 sei nun, so Lothert, davon auszugehen, dass die Entwicklung stabil bleibt und der Markt sich noch professioneller strukturiert. Für den Konsumenten selbst stünden Veränderungen bei Preisen im Raum, hierbei müsse man aufpassen, dass dies nicht zu einem Anstieg an Tabakwaren aus dem Ausland führt. Nun mag das Rauchen zwar immer verpönter werden, der Wirtschaftszweig jedoch bleibt bedeutend. Ein großer, internationaler Konzern, gepaart mit der Altehrwürdigkeit der Tabakregie, ist eine gute „Melange”, wie es Lothert nennt – auch für die Beschäftigten.

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