••• Von Christian Novacek
Dass sich der Handel wandelt, klingt abgedroschen, ist aber derzeit handfest. Onlinehandel und Digitalisierung sind da – nicht nur um zu bleiben, sondern um zu wachsen: „Derzeit werden rund zehn Prozent der Einzelhandelsumsätze im Internet getätigt“, sagt Christoph Klein, Direktor der AK Wien. In zehn Jahren werde der Anteil bei 15% liegen – positive Einschätzungen gehen über 15% hinaus. Problem: Die Spielregeln folgen mehr einem „Kaufmann ärgere dich nicht“ als einem geordneten Regelwerk.
Bereits in den Grundfesten ist die Ungerechtigkeit zementiert: Onlineriesen versteuern vorzugsweise auf kleinen Inseln – ergo haben österreichische Händler durch diese Steuerparadies-Möglichkeit massive Wettbewerbsnachteile. Zahlen bzw. Schätzungen über Steuerausfälle im Online-Handel aufgrund der Nichtmeldung von Umsätzen, unzureichenden Umsatzmeldungen oder eben durch klassischen Umsatzsteuerbetrug sucht man indes vergeblich – deswegen fordern AK und GPA-djp vom Finanzministerium eine „Task-Force-Online-Handel“ in Österreich.
Wege aus dem Steuerparadies
Was in Sachen Steuerparadies auf der einen Seite für die Onlinegiganten die Gewinne gemütlich durch die Welt schaukelt, ist auf der anderen als himmelschreiende Ungerechtigkeit klar konturiert. Um einiges undurchsichtiger wird die Situation aber bei der lautstark diskutierten Digitalisierung. Ursprünglich mühte sich die Industrie, etwa Brigitte Ederer in der FEEI (Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie) um ein Bild, das sowohl Chancen als auch Risiken beinhaltet: Überschaubar qualifizierte Arbeitsplätze würden zwar wegfallen – etwa jene im Handel, wo die Selfscanning-Kasse der natürliche Feind des Mitarbeiters an der Kasse sei. Bei genauer Betrachtung ergibt sich aber sogar in scheinbar schwerst anhand der Digitalisierung von Verwüstung bedrohten Arbeitsgefilden mehr als nur ein Hoffnungspflänzchen. Marcel Haraszti, der seit Juni amtierende neue Bereichsvorstand Lebensmittelhandel Österreich der Rewe International AG, ist überzeugt: „Die Digitalisierung schafft auch im Handel Arbeitsplätze.“ Und das überaus konkret: Erstens in der Logistik, wo im Onlinehandel die letzte Meile zum Konsumenten bewältigt werden muss; zweitens anhand des Umstandes, dass ein neues Angebot wie der Onlinehandel naturgemäß mit Arbeit verbunden ist.
Chance Multichanneling?
Wo starke Händler wie Spar (Interspar) und Rewe auch gegenüber Kolossen wie Amazon oder Google flexibel und gewichtig auftreten können, schaut das für KMUs eventuell etwas düster aus. Somit mag zwar aus Kammern und weiteren Interessensvertretungen der Mahnruf erschallen, dass Multichanneling nicht nur für die Großen eine Chance ist – die Initiativen dafür (z.B. regionale Plattformen) sind für die große Chance allerdings ziemlich spät dran.