Geplante Obsoleszenz Handys, Kleidung, Möbel – die Produktlebens-dauer von Gebrauchsgegenständen wird immer kürzer. Manchmal ist der Verschleiß von Herstellerseite sogar gewollt, kritisieren Konsumentenschützer.
Wien. Die Konsumgewohnheiten haben sich verändert. Auf der einen Seite begeistert sich der moderne Verbraucher für Design, erwartet Vielfalt und interessiert sich für die Philosophie von Marken und Unternehmen. Auf der anderen Seite wird die Lebens- und Nutzungsdauer alltäglicher Gebrauchsgegenstände wie Handys, Laptops, Kleidung, Drucker, Möbel und so weiter immer kürzer. In manchen Fällen verkürzen Erzeuger die Produktlebensdauer sogar künstlich und sorgen damit für Nachfrage – auch in gesättigten Märkten. In diesem Fall spricht man von geplanter Obsoleszenz, also dem geplanten Verschleiß von Produkten. Konsumentenschützer beobachten und kritisieren diese Strategie seit Jahren. Denn die Gebrauchsgüter gehen nicht nur früher ein, auch ihre Reparierbarkeit nimmt ab und begünstigt damit das frühzeitige Wegwerfen von Dingen aller Art.
Problem: soziale Akzeptanz
„Geplante Obsoleszenz gehört eindeutig und ausschließlich in den Verantwortungsraum ‚vom Rohstoff bis zum Regal' (raw to shelf)”, erklärt Stefan Schridde, Gründer des Blogs „Murks? Nein Danke!” Der gelernte Betriebswirt ist anerkannter Experte für geplante Obsoleszenz. „Fälschlicherweise wird von manchen Politikern, Ministerien, Behörden und Marktbeobachtern die Verantwortung immer noch den kaufenden Bürgern zugeordnet”, erklärt Schridde. Die unternehmerische Seite wiederum werde weitgehend geschont, auch dank aktiver Lobbyarbeit. Aktuell beschäftige ihn die zunehmende Tendenz, LED-Leuchtmittel fest in Lampen einzubauen. Dadurch werde die Produktnutzung „Lampe” auf die Nutzungsdauer des Leuchtmittels begrenzt. „Dabei zeigt sich, dass die Aussagen zur Lebensdauer der LED durch das komplette Leuchtmittel selbst deutlich unterschritten werden.” In seinem Blog dokumentiert Schridde seit Jahren Obsoleszenz-Fälle bei Herstellern wie Apple, HP, Epson, Sony uvm. Geplante Obsoleszenz werde heute zwar als Tatbestand anerkannt, so der Deutsche, aber weitere Debatten seien unabdingbar: „Unternehmen erkennen immer noch nicht, die ihnen zukommende Verantwortung im Sinne eines ‚Leadership for durability'”. Die Arbeiterkammer (AK) Wien untersuchte in einer empirischen Studie den Umgang und die Nutzung von 21 Gebrauchsgütern in Österreich. Ein zentrales Ergebnis: Konsumenten haben einen hohen Anspruch an Produkte, aber aus diversen Gründen eine geringe Erwartung an deren Lebensdauer. Wird eine vergleichsweise kurze Nutzungsdauer bereits als selbstverständlich, gar „normal” hingenommen? Studienleiter Harald Wieser kommentiert: „Neben der kurzen Lebensdauer und schlechten Reparierbarkeit der Produkte sind vor allem die soziale Akzeptanz einer kurzen Nutzungsdauer und die Verkaufsstrategien der Unternehmen problematisch.”
Handy wird 2,7 Jahre genutzt
Laut AK-Studie führt die niedrige Erwartungshaltung von Konsumenten auch zu einer geringeren Bereitschaft einen höheren Preis für Qualitätsprodukte zu zahlen und Gegenstände wenn nötig auch selbst zu reparieren. Dieser Umstand wiederum lässt Konsumenten im Zweifelsfall aber neue Produkte den gebrauchten vorziehen. Was die positiven und negativen Erfahrungen mit der Produktlebensdauer angeht, so machen Konsumenten ihre negativsten Erfahrungen mit der Produktkategorie Digitale Medien (siehe Grafik 2) – allen voran dem Handy oder Smartphone. Am häufigsten positiv überrascht zeigten sich die Studienteilnehmer von der Lebensdauer diverser Haushaltsgroßgeräte, wie der Waschmaschine und dem Fernseher – Gegenstände, deren Lebensdauer allgemein als hoch gilt. Doch die Nutzungsdauer hängt auch stark von soziodemografischen Faktoren ab. Ältere Konsumenten, Konsumenten mit einem höheren Bildungsniveau und einem höheren Einkommen nutzen Gegenstände in der Regel länger.
Unter den 21 Gegenständen, zu denen die Teilnehmer der Studie befragt wurden, sind Sandalen jene mit der allerkürzesten Nutzungsdauer: Im Durchschnitt werden diese in Österreich nach 2,2 Jahren abgelegt, weitergegeben oder entsorgt (siehe Grafik 1). Auf Platz zwei folgt das T-Shirt mit einer Nutzungsdauer von 2,5 Jahren, und auf Platz drei findet sich auch schon das Handy bzw. Smartphone mit einer Nutzungsdauer von 2,7 Jahren. Auch Laptops und Notebooks haben in Österreich lediglich eine Nutzungsdauer von durchschnittlich 4,1 Jahren – und das trotz ihres meist stolzen Preises.
Doch für Wieser ist klar, dass Maßnahmen, die auf eine längere Nutzungsdauer abzielen, „über technische Aspekte hinausgehen müssen”. Zwar spricht er von einer geteilten Verantwortung zwischen Konsumenten- und Hersteller-Seite. Jedoch hält er Maßnahmen, „die beim Unternehmen ansetzen, für effektiver”. Schließlich hätten diese einen größeren Handlungsspielraum und das notwendige Wissen über ihre Produkte. „Letztlich liegt die Verantwortung für die Konsequenzen des beschleunigten Konsums bei allen Akteuren, denn eine kurze Nutzungsdauer und das frühzeitige Ersetzen von Gebrauchsgegenständen werden von einem auf Wachstum ausgerichteten Wirtschaftssystem begünstigt”, ergänzt Wieser. Nachhaltiges Leben gehe nur, „wenn der Westen es schafft, das Konsumniveau beträchtlich zu senken”. Dass tatsächlich eine sogenannte Wegwerfmentalität vorherrscht, konnte in der AK-Studie nicht nachgewiesen werden. Stefan Schridde tut den Begriff als Mythos ab. „Wegwerfwirtschaft” treffe es schon eher und beschreibe immerhin, „dass wir es weltweit mit einer prozyklisch kapitalgetriebenen Wirtschaft zu tun haben”. Die Themen geplante Obsoleszenz und Haltbarkeit haben für Schridde eine besonders hohe gesellschaftliche und soziale Relevanz: „Haltbarkeit ist der stärkste Hebel, um vielen Anforderungen der Nachhaltigkeit und des Klimawandels gerecht zu werden.”
„Handel hat es in der Hand”
Dafür, dass auch die Konsumenten-Seite sich damit auseinandersetzt, wie das Wirtschaftssystem nachhaltig organisierbar ist, plädiert auch Gabriele Zgubic, die Abteilungsleiterin der AK Konsumentenpolitik. Dafür brauche es aber auch adäquate gesetzliche Rahmenbedingungen: „Ein wirksamer Hebel wäre die Anhebung der Gewährleistungsfrist, die ist derzeit zwei Jahre. Auch Mindeststandards hinsichtlich Lebensdauer und Reparierbarkeit von Produkten wären sinnvoll sowie die längere Erhältlichkeit von Ersatzteilen.” Für sie geht es um Ressourcenverbrauch, Abfallerzeugung und den klaren ökonomischen Nachteil für die Konsumenten. In erster Linie haben es die Produzenten und der Handel in der Hand, „langlebige und qualitativ gute Produkte” anzubieten, ist Zgubic überzeugt. Denn eines sei sicher: Konsumenten wollen keine „billigen Wegwerfprodukte”.