••• Von Christian Novacek
Die Ausgangsposition ist hart, aber keineswegs herzlich: Die „Richtlinie der Europäischen Kommission zur Verringerung der Auswirkungen bestimmter Einweg-Kunststoffprodukte auf die Umwelt” sieht vor, dass für Einweg-Getränkeflaschen bis 2025 eine getrennte Sammelquote von 77%, bis 2029 eine von 90% eingeführt wird.
Damit ist klar: Wie man die PET-Flasche auch dreht, die Zeichen stehen auf einschneidende Maßnahmen. Branchenkenner Niki Hartig, Manager im Logistikverbund Mehrweg, dazu: „77% sind schon ein ambitioniertes Ziel, aber eine 90%-Sammelquote wird nur mit Sondermaßnahmen funktionieren. Eine davon ist ein Einwegpfand, es gibt aber auch Alternativen.” Das Einwegpfand ist etwa in Deutschland schon lange etabliert – aber wäre es auch hierzulande sinnvoll? Ist Deutschland in diesem Punkt überhaupt mit Österreich vergleichbar?
Die Ausgangslage ist anders: Österreich hat ein über die ARA etabliertes Trenn- und Sammelsystem, das funktioniert. Der Faktencheck lautet: 2017 wurden in Österreich insgesamt 42.200 t PET-Getränkeflaschen in Verkehr gesetzt, 73% davon wurden getrennt gesammelt und 58% stofflich verwertet. Das ist prinzipiell ein guter Status quo. Entsprechend kopfschüttelnd denn auch die Reaktionen der Branchenvertreter aus dem Lebensmittelhandel, die unisono für einen Ausbau des bestehenden System plädieren.
Vorzeigeland Österreich
So bezeichnet etwa Tanja Dietrich-Hübner, Leiterin der Stabsstelle Nachhaltigkeit bei Rewe International AG, Österreich in Sachen Getränke-Verpackungssammlung als „Vorzeigeland”. Sie ist überzeugt: „Ein Einwegpfand wie in Deutschland ist kontraproduktiv. Wir haben in Österreich eine sehr hohe Recycling-Quote bei Plastikflaschen von 72 Prozent.”
Spar-Sprecherin Nicole Berkmann sieht das ähnlich und gleist die Zukunftsperspektive mit ein: „Aus unserer Sicht ist ein Pfand auf Plastikflaschen eine zu kurz gedachte Maßnahme, die nur Aufwand bedeutet, aber nicht den Zweck erfüllt, den sie erfüllen soll.” Die Ziele der EU seien mit einem Einwegpfand nicht erreichbar – hingegen hält Berkmann eine Verbesserung des bestehenden Systems für zweckmäßig und auch machbar.
Plastik im Supermarkt
Kleiner Einschub: Es geht hier ausschließlich um PET-Einwegflaschen. Insgesamt sind Maßnahmen in Richtung weniger Plastik im Supermarkt nämlich zahlreich und löblich – in ökologischer Gesamtperspektive aber ggf. nicht mehr als ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Niki Hartig plädiert für Realismus: „Es ist vielleicht charmant, wenn Sie an der Kassa einen Baumwollbeutel statt des Plastiksackerls angeboten bekommen. Allerdings müssen Sie den Baumwollbeutel laut einer aktuellen englischen Studie rund 120 Mal verwenden, damit er ökologisch die bessere Bilanz abgibt als das Plastik-Einkaufssackerl.” Grundsätzlich sei der plastikfreie Supermarkt eine „Illusion” – das bestätigt ein Blick ins SB-Regal Fleisch und Wurst und in viele andere Warengruppen.
Spezialfall Discounter
Aber zurück zur Problematik PET-Einwegflasche: In einer bizarren Situation befänden sich die Lebensmitteldiscounter bei Einführung eines Einweg-Pfandsystems. Beim Preis pro PET-Flasche Mineralwasser von 19 Cent kämen z. B. 25 Cent Pfand drauf – und die Anmutung, dass das Pfand mehr kostet als die Ware, ist zumindest sonderbar. Wenn dann noch die Flasche bei Hofer gekauft und bei Billa zurückgegeben wird, hätte Hofer allein mit dem Pfand ein Xfaches dessen verdient, was die Ertragsspanne von Mineralwasser sonst bei ihm hergibt.
Trotz dieser vermeintlich lukrativen Option treten die Discounter Hofer und Lidl ebenso einhellig gegen das Einwegpfand auf wie die Supermärkte. Bei der Hofer KG verweist man darauf, dass laufend Verbesserungen bei Produktverpackungen geprüft werden. Ziel ist beispielsweise die Materialeinsparung bei PET-Flaschen. Die Einführung eines Pfandsystems für Plastikflaschen indes wird klar kontraproduktiv verortet: „Das hätte erhebliche Auswirkungen auf die Filialstruktur. Es müssten sämtliche Filialen adaptiert werden, womit umfangreiche bauliche Maßnahmen für jeden einzelnen Standort einhergehen müssten”, lautet es aus der Hofer-Zentrale.
Auch bei Lidl fürchtet man „enorme Investitionen” – die seien umso unsinniger, weil „ein zusätzliches Sammelsystem für die zu erreichenden Gesamtziele einen vergleichbaren geringen Beitrag leisten würde”, so Lidl-Geschäftsführer Christian Schug. Das Erreichen der Ziele könnten einheitlichere Sammelsysteme in Verbindung mit einer höheren Sammeltiefe und mehr Bewusstseinsbildung beim Konsumenten ebenso bewerkstelligen.
Was kann die ARA?
Die ARA als Organisation, die fürs Sammeln zuständig ist, fühlt sich zur EU-Zielvorgabe durchaus befähigt. So sei mittels Hightech-Sortier-Technologie eine massive Steigerung der Sortiertiefe bewerkstelligbar. Unter dem Titel „ARA Circular Design” geht es weiters darum, die Ressourceneffizienz und Recyclingfähigkeit von Verpackungen zu steigern.
Konsumentenseitig sollen Gelbe Tonne und Gelber Sack österreichweit vereinheitlicht werden – mehr Bequemlichkeit durch Verdichtung und Umstellung von Bring- auf Holsysteme stehen laut ARA ebenfalls für eine Steigerung der Sammelmenge um mindestens 40%.
Auf der anderen Seite wird emsig die Entstehung von Plastikmüll vermieden, sprich: Plastikverpackung grundsätzlich eingespart oder substituiert. „Wir vermeiden Plastik, wo es geht; zum Beispiel lassen wir die Plastikhülle bei vielen Nonfood-Verpackungen weg und geben um das Produkt nur mehr eine Kartonschlaufe oder bei Obst und Gemüse verzichten wir immer öfter ganz drauf und setzen auf Laserbranding”, sagt etwa Nicole Berkmann für Spar.
Aus fürs Plastiksackerl
Bei Rewe hat man das Plastiksackerl längst ins Abseits gestellt. Aktuell wird das Öko-Sackerl forciert: Das besteht aus dem nachwachsenden Rohstoff Kartoffelstärke – die keine Lebensmittelkonkurrenz darstellt, da sie aus Industrieabfällen gewonnen wird – und Kunststoff, der biologisch abbaubar ist. Ab 26.10. wird es flächendeckend bei Billa, Merkur, Penny, Adeg und Sutterlüty erhältlich sein.
Auch bei Hofer gibt es ambitionierte Zugänge: Bis Ende 2025 soll der Materialeinsatz der Eigenmarken-Verpackungen um 30% reduziert werden. Bis 2025 wollen Lidl und Hofer recyclingfähige Kunststoffverpackungen für alle Eigenmarken. Es stellt sich die Frage: Reicht das nicht? Sollte die EU nicht eher in jenen Ländern ansetzen, wo Müllgewohnheiten vergleichsweise archaisch sind? Denn Österreich ist, was Müll sammeln und recyclen betrifft, ein Vorzeigeland.