Über die Industrie: Rückblick, Aussicht, Einsicht
© BMLFUW/Christopher Fuchs
Bundesminister Andrä Rupprechter: Die Marktsituation war 2015 schwierig, vor allem die Bauern waren mit großen Herausforderungen konfrontiert.
RETAIL 18.12.2015

Über die Industrie: Rückblick, Aussicht, Einsicht

Die Lebensmittelindustrie hatte es im sich zur Neige beugenden Jahr nicht leicht, die Situation bleibt teilweise angespannt.

••• Von Daniela Prugger

WIEN. Mehrere Insolvenzen, schmerzhafte Nachwehen des HCB-Skandals im Kärntner Görtschitztal, die Abschaffung der EU-Milchquote, das Russland-Embargo, ein Hitzesommer, der alle Rekorde gebrochen hat, und dann stufte die Weltgesundheitsorganisation Wurst und Schinken auch noch als krebserregend ein – verschont wurde die Lebensmittelbranche im Jahr 2015 nun wirklich nicht. Dass die Herausforderungen besonders für die Bauern groß bleiben, weiß auch Bundesminister ­Andrä Rupprechter. Die Agrarförderungen und Leistungsabgeltungen wurden deshalb heuer vorzeitig ausgezahlt, die Rede ist von 714 Mio. €. „Die bäuerlichen Familienbetriebe brauchen das Geld heuer besonders dringend”, so ­Rupprechter.

Für den vor allem von der Ukraine-Russland-Krise gebeutelten Milch- und Schweinefleischsektor gibt es eine spezielle Unterstützung. Damit soll dem Überangebot an Produkten und dem daraus resultierenden Preisdruck innerhalb der EU entgegengewirkt werden. Im September wurde deshalb ein EU-weites Paket zur Marktstabilisierung im Umfang von 420 Mio. € verabschiedet. Österreich erhielt davon einen Anteil von 7 Mio. €, der dem Milch- und Schweinefleischsektor zugutekommt; 4 Mio. € gehen in den Milchsektor.

Österreich bleibt exportorientiert

Die Lebensmittelindustrie zählt zu den Top Fünf der heimischen Industriebranchen. Die rund 200 Unternehmen beschäftigen 26.000 Menschen. Doch die Situation bleibt angespannt: Die gedämpfte Konjunkturprognose, der Rückfall Österreichs in internationalen Wirtschaftsrankings, ein intensiver Wettbewerbsdruck inkl. Währungsrisiken im Export sowie steigende Kosten sorgen für einen Ertragsdruck in der heimischen Industrie. Eine zusätzliche Belastung kommt direkt aus dem LEH, wo die Konzentration ungebremst steigt und der Anteil an Eigenmarken wächst. „Trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen sind wir opti­mistisch, dass die Branche ihr Umsatzziel für 2015 – 8 Mrd. Euro bei der abgesetzten Produktion – erreichen kann”, betont Katharina Koßdorff, Geschäftsführerin des Fachverbandes der Lebensmittelindustrie.

Die erfolgreichsten Exportprodukte sind Energy-Drinks, Limonaden, Eistees, Süßwaren (Schokoladen), Feinbackwaren, Spezialitäten der österreichischeMehlspeisküche, Käse und Wurst. Für ein exportorientiertes Land, wie Österreich – 60 Prozent des erwirtschafteten Produktions­volumens werden in 185 Länder exportiert – gaben 2015 vor allem die „Wüstentage” Anlass zu Sorge. Sie haben zu teils massiven Ertragseinbußen in der Landwirtschaft geführt, erklärt Koßdorff. Der Export bleibt Wachstumstreiber und Jobgarant zugleich. Der Hauptmarkt für die heimischen Exporteure von Lebensmitteln und Getränken ist nach wie vor die EU: Im ersten Halbjahr 2015 wurden rund 78% des österreichischen Exportvolumens von 2,9 Mrd. € innerhalb der Union abgesetzt – das entspricht rund 2 Mrd. €.

Auswirkungen der Steuerreform

Höchst erfolgreich ist Österreich seit Jahren beim Export von Getränken. Was sich im kommenden Jahr besonders positiv auf das Konsumverhalten der Österreicher auswirken wird, so glauben zumindest viele Experten, ist die Steuerreform. Sie bedeute „für die meisten Menschen in Österreich mehr frei verfügbares Einkommen. Das wird sich auf viele Konsumgüter, auch auf den Mineralwasserkonsum, positiv auswirken”, kommentiert Vöslauer-Chef Alfred Hudler. Gespannt dürfe man auch auf die Auswirkungen der Zielpunkt-Insolvenz auf die Lebensmittelindustrie sein. „Die Insolvenz eines Handelspartners ist für jeden Lieferanten schmerzhaft. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Vöslauer-Käufer unseren Produkten auch weiterhin treu bleiben werden. Wo diese in Zukunft einkaufen, wird sich zeigen, wenn sich der Markt neu geordnet hat.”

Schokobranche unter Druck

Stimmungsmäßig am Boden ist derzeit aber vor allem die Schokobranche. Der Grund: höhere Rohstoffpreise für Kakao, Haselnüsse und Mandeln. Ritter Sport-Chef Andreas Ronken rechnet für 2015 mit einer schwarzen Null. Auch Wettbewerber wie Nestlé, Rübezahl und Klett äußern sich besorgt über die hohen Rohstoffpreise; vor allem der Preisanstieg für Haselnüsse hat die Schokobranche hart getroffen.

Ein düsteres Bild zeigt eine Commerzbank-Analyse. Die Kakaopreise dürften sich auch 2016 auf hohem Niveau bewegen, schreiben die Experten. „Kakao wurde aufgrund der Missernte in Ghana deutlich teurer, Mandeln sind sogar extrem gestiegen, während Zucker leicht rückläufig war”, sagt Nestlé-­Managerin Barbara Groll. Für 2016 rechne man mit teilweise weiter steigenden Rohstoffkosten.
Aktuell sprechen viele Firmen mit den Einzelhändlern über Abnahmeverträge für 2016. Wollen die Schokofirmen höhere Preise durchdrücken? Preise, die letztlich an den Verbraucher weitergereicht werden? „Dazu kann ich jetzt noch nichts sagen”, hält sich Ronken bedeckt und erklärt: „Die Rohstoff-Kosten für uns werden nicht geringer.”

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