••• Von Georg Sander
WIEN. Der Darreturm in Wien-Ottakring, eines der Wahrzeichen der Heimat des „16er-Blech”, wird nicht mehr für den ursprünglichen Trockenvorgang verwendet. Nur noch ganz unten wird das eigene Brunnenwasser für das Bier enthärtet. Ganz oben, unter dem Dach, empfängt Geschäftsführer und 1. Braumeister Tobias Frank medianet zum Gespräch. Der Raum ist eben mittlerweile perfekt für Meetings aller Art und nicht mehr direkt zum Mälzen in Verwendung. Das ist der Lauf der Zeit, die Brauerei muss sich ja auch ständig verändern.
Eine ungeplante Veränderung waren die letzten zwei Jahre Coronapandemie. „Fast 100 Prozent Ausfall bei den Events, dann die langen Gastroschließungen, ein schleppend zurückkommender Tourismus”, zählt er diese auf. Darüber hinaus: „Es kam zu einer deutlichen Verschiebung von Mengen aus der Gastronomie in den Handel, daher hatten wir immer gut zu tun und konnten dadurch die Arbeitsplätze halten. Dennoch ließen sich die Umsatzverluste nicht ganz kompensieren.”
Gastro für Marketing wichtig
Allerdings sei die Erlösspanne im Handel nicht so hoch wie in der Gastronomie. Zudem ist für die Brauerei, deren bekanntestes Produkt das „Helle” ist, die Gastro auch aus Marketinggründen spannend und wichtig, um auch die anderen Biere interessant zu machen. Die eigene Eventlocation im Herzen Ottakrings am Fuße des Darreturms konnte im letzten Sommer zum Glück wieder bespielt werden; nach den langen Ausgangsbeschränkungen starten die Events dieser Tage auch wieder voll an, inklusive des Bierfests, in diesem Sommer zum zehnten Mal.
Positiver Blick
Mit dem Frühling und dem Sommer und vielen Öffnungen blickt Frank also positiver in die Zukunft. Weniger Festivals heißt, vermehrt die eigene Marke stärken, etwa mit dem Bierfest im Sommer bzw. der Indoor-Eventlocation in der Brauerei. „Jeder, der im Sommer hier ist, ein Konzert besucht oder eine Brauereiführung mitmacht, hat ein gutes Erlebnis mit uns. Das wollen wir vermehrt machen”, erklärt er. Dieses Verstärken der eigenen Marke sei durchaus auch aus der Covidpandemie geboren, war aber schon länger am Radar.
Denn die eigene Biervielfalt kann und sollte man auch zeigen. Neben dem Klassiker gibt es mehr als 15 verschiedene Biersorten – vom Wiener Original, über das Bio-Zwickl und Radlern bis zum Bock und den Craft-Bieren aus dem Ottakringer BrauWerk. Um diese Produktpalette bekannter zu machen, braucht es diese Maßnahmen am eigenen Gelände oder in der Gastro. Schließlich verschiebt sich der Pro-Kopf-Konsum, verkürzt von Masse zu Klasse. „Darum wollen wir alles herzeigen und freuen uns auch über die vielen neuen Craft-Bier-Mitbewerber”, meint er.
Diese kleineren Brauereien mit lokalem Handwerk geben dem Bier insgesamt ein hochwertigeres Image. Und weil man bereits seit 2014 das Ottakringer BrauWerk hat, in dem man aktuell selber zehn verschiedene Craftbier-Sorten braut, konstatiert Frank: „Das Bier bekommt durch die neuen Richtungen, das Handwerk und die Qualität in Summe mehr Aufmerksamkeit – es ist in dem Sinn keine Konkurrenz, sondern unterstützt die Bierszene insgesamt.”
Premiumisierung ist das Stichwort; darum hat Ottakringer das Zwickl auf Bio umgestellt, das Wiener Original kommt sowieso mit Wiener Braugerste. Zur Biervielfalt gibt es seit Mitte April eine Plakatkampagne.
Aktuell nehmen die Herausforderungen eher zu als ab und hängen mit der Lieferketten-Problematik und den internationalen Rohstoffmärkten zusammen; Stichworte sind hier gerade auch für eine Brauerei die Energie- und Rohstoffpreise. „Mit den Lieferketten haben wir schon in den letzten zwei Jahren große Probleme, zum Beispiel fehlen dann auf den ersten Blick nicht wahrnehmbare Grundmaterialien und Hilfsstoffe (u.a. für Reinigungsmittel und Verpackungen) aus Asien, wenn Häfen gesperrt werden”, erklärt Tobias Frank. Kartonagen beispielsweise wären schon seit geraumer Zeit teurer.
Neu dazugekommen ist nun die Preissteigerung am Energiemarkt. „Das begann schon letztes Jahr, gewisse Preise haben sich am Markt verzehnfacht”, führt Frank aus. Zwar hätte das Unternehmen da und dort langfristige Verträge, die entsprechend günstiger sind; on top kommen jetzt jedoch Erzeugnisse wie etwa Karton, Paletten und Getreide dazu, die aufgrund des Ukrainekriegs teurer würden.
Flexibel bleiben
Die letzten Jahre und Monate haben Ottakringer Flexibilität gelehrt. Und wenn am Fuße des Darreturms in Wien-16 wieder in der eigenen Eventlocation gefeiert wird, wenn das Ottakringer BrauWerk-Craftbier oder Bio-Zwickl eine Rolle für den Besuch spielen, weil der Biergenuss wichtiger geworden ist, dann ist man auf einem richtigen Weg. Denn dieser ist gemäß der Wendungen der letzten Jahre bio, regional, hat kurze Wege – passt zum Zeitgeist. Und eigentlich auch zu Wien, Ottakring und seinem Wahrzeichen, dem Turm mit der Haube.