Wels zeigt auf: So wird die Innenstadt lebendig
© Wels Marketing & Touristik
RETAIL christian novacek 12.04.2019

Wels zeigt auf: So wird die Innenstadt lebendig

Peter Jungreithmair von der Wels Marketing & Touristik GmbH über die erfolgreiche Attraktivierung der Welser Handelsflächen.

••• Von Christian Novacek

Peter Jungreithmair ist es gelungen, in der Stadt Wels sämtliche Akteure im Bereich Betriebsansiedelung und Standortmarketing zu bündeln – ein hierzulande einzigartiges Modell, das sich klar auf der Erfolgsstraße bewegt.

 

medianet: Wie gesichert sehen Sie die Position von Wels heute als Top-Einkaufsstadt?
Peter Jungreithmair: Die Ergebnisse der Neuauflage der Einzelhandels-und Strukturanalyse der GMA – Gesellschaft für Markt- und Absatzforschung im Jahr 2018 bestätigen Wels insgesamt ein kräftiges Wachstum bei allen relevanten Kenngrößen gegenüber 2012. Der Gesamtumsatz in der Stadt im Einzelhandel konnte in diesem Zeitraum um 13 Prozent auf rund 879,3 Mio. Euro gesteigert werden, die Anzahl der Betriebe im Einzelhandel um fünf Prozent auf 604 sowie die Verkaufsfläche um 13 Prozent auf 309.210 m². Besonders beachtlich ist die mit 4.170 Euro pro Quadratmeter hohe Flächenproduktivität der Welser Innenstadt – das ist ein absoluter Top-Wert für vergleichbare Mittelstädte in Österreich.

medianet: Wie gern kaufen die Welser selbst in ihrer Stadt ein?
Jungreithmair: Wir haben eine hohe Eigenbindungsquote von 93 Prozent. Damit verbunden ist ein Plus von 30 Mio. Euro an gebundener Kaufkraft – das zeigt, dass sich Wels im Wettbewerb mit Handelsagglomerationen, vor allem in den Marktrandgebieten, sehr gut schlägt.

medianet:
Womit punktet die Welser Innenstadt konkret?
Jungreithmair: Sie punktet durch ihr individuelles und noch stark inhabergeführtes Angebot an Fachgeschäften. Die vielen Neuansiedelungen brachten hier ein kräftiges Plus an Betrieben (+22 Prozent seit 2012) und somit neues Angebot im Branchen-und Mietermix mit oftmals Alleinstellung in der Region – direkt in die Welser Innenstadt.

medianet: Wird es aufgrund der bislang absolvierten Attraktivitätssteigerung in Zukunft leichter, Leerständen mit tollen Geschäften entgegenzutreten?
Jungreithmair: Standortentscheidungen werden grundsätzlich immer sorgfältiger getroffen. Die GMA-Studie aus 2018 bestätigt den eingeleiteten Trend. Die Einkaufsatmosphäre und der Branchenmix konnten in der Welser Innenstadt aus Kundensicht und Händlersicht am meisten gesteigert werden. Die vielen neuen Geschäfte und gezielte Maßnahmen im Branchenmix brachten eine deutliche Bereicherung der Angebotsstruktur. Die Neugestaltung der Fußgängerzonen Bäckergasse und Schmidtgasse sowie beim Stadtplatz laden wieder zum Flanieren in der City ein.

medianet: Wie hoch ist der Filialisierungsgrad in der A-Lage?
Jungreithmair: Bei 62 Prozent – das und die Ansiedelung bzw. Rückübersiedelung von Ketten aus peripheren Lagen in die City zeigt die wieder gewonnene Attraktivität der Innenstadtlage in Wels.

medianet: Und wie sieht es in den B- und C-Lagen aus?
Jungreithmair: Hier konnten wir durch unser proaktives Flächenmanagement mit vielen neuen und individuellen, inhabergeführten Konzepten ehemalige Leerstände wiederbeleben. Wenn die A-Lage funktioniert, dann werden auch B-und C- Lagen für attraktive und individuelle Geschäfte wieder interessant, da hier nun auch die Mietpreise sehr moderat sind.

medianet:
Sind 97 Prozent Vermietungsgrad jetzt ein Wert, den es zu halten gilt, oder ist da noch mehr drin?
Jungreithmair: 97 Prozent Vermietungsgrad sind für eine Mittelstadt wie Wels ein Top-Wert in Österreich (Nr. 3 von 18 erhobenen Innenstädten in Ö., Anm.). Natürlich strebt man immer nach mehr, aber es ist auch eine ständige Herausforderung, das Erreichte zu halten, denn die Herausforderungen durch Onlinehandel, zurückhaltende Expansion generell und Flächenschwund sind aktuell Makro-Effekte im Handel. Von denen kann sich auch Wels, trotz bisher positivem Gegentrend, nicht gänzlich abkoppeln. Vor allem neue Anbieter gehen in Österreich mit Ausrollungen in Etappen vor. Mittelstädte wie Wels sind hier oft erst später an der Reihe, da sie oft auch unterschätzt werden.

medianet: Wo liegt somit ihr Akquisitionsfokus?
Jungreithmair: Unser Fokus für die City liegt auf einer gezielten Akquise von passenden Anbietern, die wir oft über Jahre für Wels aufbauen. Wenn es dann so weit ist, muss man auch die passende Fläche für diesen Anbieter haben. Hier kommt dann auch wieder unsere enge Kooperation im Flächenmanagement mit den Liegenschafts-Eigentümern in der Innenstadt ins Spiel.

medianet: Was haben die in Sachen niedrige Leerstände erfolgreichen Städte Dornbirn, Salzburg und Wels gemeinsam?
Jungreithmair: Alle drei Städte haben seit Längerem ein besonderes Auge auf die Entwicklung ihrer innerstädtischen Lagen und setzen hier auch im Standortmarketing an. Ein sorgsamer Umgang mit Umwidmungen in der Peripherie ist hier sicher ein Aspekt, den man auf politischer Ebene erkannt hat. Alle drei Städte haben eine sehr starke, generell wirtschaftlich dynamische Entwicklung. Wels als Teil des OÖ-Zentralraums konkurriert hier regelmäßig mit Salzburg und Wien beim Ranking um das höchste pro Kopf-BRP in Österreich. Wels verfügt zudem durch seine zentrale Lage über einen hohen Versorgungsgrad in einem beachtlichen Einzugsgebiet.

medianet: Welche Rolle spielt das Image der jeweiligen Stadt?

Jungreithmair: Das Image einer Stadt ist sicherlich auch sehr wichtig. Wels verfügt hier nicht über die internationale Strahlkraft wie Salzburg, jedoch konnte durch die Neupositionierung der Marke Wels, begleitet durch eine Vielzahl von konkreten und messbaren Maßnahmen, ein Imagewandel vollzogen werden. Der Welser Weg koppelt sich etwas ab, aktives Flächenmanagement durch den Wirtschaftsservice Wels ist hier ein österreichweit beachtetes Projekt, da hier erstmals in Österreich alle Akteure ihre Kräfte in der Betriebsansiedelung und Standortmarketing auf Augenhöhe bündeln.

medianet: Die Digitalisierung krempelt den Handel um – inwieweit braucht es zur Leerstandvermeidung neue, innovative Konzepte, die über das reine Handelsinstrumentarium deutlich hinausgehen?
Jungreithmair: Ein Rückgrat des Welser Handels sind z.B. die vielen inhabergeführten Geschäfte und Unternehmen. Der Kunde findet hier einen kompetenten Ansprechpartner vor Ort. Den Anbietern wiederum ist bewusst, dass sie Zusatzangebote bieten müssen, um eine Alleinstellung bei den Kunden im Wettbewerb mit dem Onlinehandel zu erlangen. Dazu kommt der Aspekt, dass Gastronomie und ein wertiges Umfeld wieder Kunden in die Städte bringen.

medianet: Wie sieht es um die Zweitnutzung frei werdender Flächen durch neue Konzepte aus?
Jungreithmair: Unser Fokus liegt hier auf Konzepten, die sowohl off- als auch online kombinieren können bei den Ketten in den A-Lagen. In den B-und C-Lagen versuchen wir, bestehende Angebotslücken gezielt abzudecken in der Gesamtstadt. Wir verfolgen hier eher den Ansatz mit inhabergeführten Individualisten, deren Fach- und Beratungskompetenz sich von jener in peripheren Lagen deutlich abhebt.

medianet: Im Rückblick: Was war der entscheidende Zug, um Wels als Handelsstadt attraktiv zu machen?
Jungreithmair: Entscheidend war hier, einen Gesamtansatz zu verfolgen. Die Neupositionierung der Marke Wels mit einer Vielzahl von konkreten und messbaren Maßnahmen, die wir laufend evaluieren. Die Positionierung als Top-Wirtschafts-und Bildungsstandort mit Lebensqualität und Lebensgefühl entspricht nun genau dem, wofür Wels auch steht. Die Botschaften sind glaubwürdiger. Gerade für die Ansiedelung von Handelsbetrieben sind Image, Reputation und die Referenzen eines Standorts entscheidend. Die neue Marke brachte die Imagekorrektur, Reputation konnten wir uns wieder erarbeiten und Referenzen durch die hohe Dichte an neuen Ansiedelungen belegen. Vermehrt sehen Anbieter Wels nun auch wieder als Testmarkt in Oberösterreich.

medianet: Es kamen aber auch namhafte Marken zurück nach Wels – wie wurde denen das schmackhaft gemacht?
Jungreithmair: Wir sind laufend und mehrmals im Jahr mit allen Anbietern in Kontakt. Viele begleiten wir hier schon über Jahre, bis die Zeit für Wels reif ist. Zur Entscheidungsunterstützung bieten wir profunde Marktdaten, Frequenzdaten, konkrete Objekt­anbote und begleiten hier auch in Verhandlungen mit Eigentümern und Behörden. So können wir den eigentlichen Ansiedelungsprozess dann optimal begleiten und vor allem, wenn sich die Standortfrage ‚Wels' dann stellt, auch zeitnah ‚versorgen'. Die vorausschauende Akquise und die Kontakte zum Markt sind hier Vertrauensaspekte, die wir uns erarbeiten konnten.

medianet: Können Sie ein gelungenes Beispiel für pro-aktives Flächenmanagement nennen?
Jungreithmair: Wir haben alle 331 Objekte in den A-, B-, und C-Lagen der Welser Innenstadt in unserer Datenbank und führen hierzu auch ein tagesaktuelles Leerflächen- und Risikomanagement. Der Schlüssel dazu ist auch ein intensiver Austausch mit den Liegenschaftseigentümern in den einzelnen Straßenzügen. Weiters verfügen wir durch unser Netzwerk im Wirtschaftsservice Wels über einen intensiven Informationsaustausch. Z.B. hat das Wels Marketing durch die intensive Händler-Nachbetreuung viele Informationen. Zeichnet sich hier eine Veränderung ab, so werden wir umgehend – in enger Abstimmung mit den Eigentümern und potenziellen Interessenten – aktiv.

medianet:
Die Rolle des Wirtschaftsservice Wels in dem Kontext?
Jungreithmair: Über das Netzwerk Wirtschaftsservice Wels verfügen wir auch über einen ständigen Pool an Interessenten, die z.B. beim Gründerservice der WKO einen Geschäfts­idee realisieren wollen, dazu einen Standort suchen, den wir dann zielgerichtet einbringen können. Voraussetzung dafür ist es, alle wichtigen Objektinformationen vorliegen zu haben. Mit unseren Tools, wie Edi-Real oder den eigenen Immofinder auf www.wels.at/immobiliensuche können wir hier Interessenten aus einem Pool von Objekten laufend bedienen oder Projekte gemeinsam mit Interessenten und Eigentümern entwickeln.

medianet: In Wels standen 2018 50 Eröffnungen 29 Schließungen entgegen – steht das auch für mehr Umsatz?
Jungreithmair: Die GMA-Studie 2018 zeigt, dass die Einzelhandelsumsätze in der Welser Innenstadt seit 2012 um sieben Prozent auf 292,5 Mio. gesteigert werden konnten.

medianet: Ging das mit Frequenzsteigerungen einher?
Jungreithmair: Die Besucherfrequenzen in beiden Fußgängerzonen konnten um insgesamt 0,11 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesteigert werden auf aktuell 5,84 Mio. Euro p.a. Neue Geschäfte und neue Veranstaltungsformate bringen hier eine messbare Belebung der Welser Innenstadt. Unser Ziel ist es, die Frequenz durch weitere Angebotsverbesserungen und neue Veranstaltungsformate stabil zu halten und, wenn möglich, weiter auszubauen.

medianet: Gibt es da nicht massive Gegenströmungen wie etwa den boomenden Onlinehandel?
Jungreithmair: Ja, ganz kann man sich hier nicht den Mega­trends entkoppeln, wie eben Onlinehandel. Der Schlüssel liegt in einem noch individuelleren Angebot einer Innenstadt, an dem man laufend arbeiten muss, um Kunden in die Innenstadt zu mobilisieren.

medianet: Wie entwickelt sich hier das Wechselspiel zwischen Frequenz und der Höhe des Mietpreises?
Jungreithmair: Frequenz und Mietpreis stehen hier natürlich in engem Zusammenhang, wie auch die deutliche Mietpreisunterschiede von A zu B/C-Lagen zeigen. Nach großteils erfolgter Marktanpassung von Altverträgen und historischen Mieten in den letzten Jahren wurde hier die Talsohle erreicht. Durch unsere laufende Frequenzmessungen am letzten Stand der Technik verfügen wir hier über profundes Datenmaterial über die Zeitachse. Ein weiterer Faktor bei den Mietpreisen ist natürlich auch eine vollzogene Verknappung an Leerständen in den Top-Lagen.

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