••• Von Christian Novacek
Die wunderkinder sind junge und jung gebliebene Designer, die seit über zehn Jahren erfolgreich nationale und internationale Marken betreuen. Die Arbeiten umfassen Brand Identities, Packaging Design, Corporate Publishing, Exhibition und Screen Design. medianet sprach mit Wunderkind Tom Maderthaner über nachhaltige Verpackungstrends.
medianet: Derzeit kann man leicht den Eindruck gewinnen, dass sich der Lebensmittelhandel vor allem dadurch als nachhaltig positioniert, indem er Plastikverpackungen reduziert – ist Plastik so schlimm, wie es derzeit suggeriert wird?
Tom Maderthaner: Fakt ist, dass Verpackung die primäre Aufgabe hat, das Produkt und damit den Konsumenten zu schützen. In vielen Fällen erfüllt Plastik diese Anforderung deutlich besser als andere Materialien.
medianet: Der schlechte Ruf ist also unverdient?
Maderthaner: Der schlechte Ruf von Plastik ist vor allem viel zu eindimensional – die Herausforderungen sind bei Weitem komplexer. Nachhaltigkeit hat nämlich nicht nur mit dem Material selbst zu tun. Vielmehr geht es darum, wie wir mit der Verpackung umgehen, nachdem sie ihre ‚Aufgabe' erfüllt hat. Verpackung wird dann zum Problem, wenn sie nicht mehr Teil der Wertstoffkette ist bzw. sein kann. Plastik hat im Hinblick auf das Recycling ein hohes Potenzial.
medianet: Gibt es somit eine Zukunft für Plastik im Nachhaltigkeitskontext?
Maderthaner: Plastik als Verpackungsmaterial wird uns sicherlich noch längere Zeit begleiten. Der C2C-Ansatz (Cradle to Cradle), der für eine durchgängige Kreislaufwirtschaft steht, ist in der Verpackungsbranche präsenter denn je. Viele Bestrebungen gehen in die Richtung, den Recyclinganteil von Plastik deutlich zu erhöhen. Beispielsweise wird der Materialeinsatz wieder viel kritischer hinterfragt: Eine PE-Tube mit einem PP-Verschluss etwa verhindert effizientes Recycling. Monomaterialien können einen wesentlichen Beitrag zu einem nachhaltigeren Umgang mit Plastik leisten. Jedoch werden auch Monomaterialien nicht die finale Lösung darstellen. Vielmehr sehe ich für die Zukunft eine Vielzahl an Maßnahmen, die unser Verständnis und unseren Umgang mit Plastik beeinflussen werden.
medianet: Wie ist aus Ihrer Sicht der Glas-Boom zu bewerten? Rechnen Sie mit einer verstärkten Rückkehr des Glasmehrweggebindes?
Maderthaner: Es gab ausreichend Gründe, warum die Glasflasche in der damaligen Form von Kunststoffgebinden abgelöst wurde. Glas ist schwerer als andere Materialien und schneidet in der CO2-Bilanz beim Transport nicht wirklich gut ab. Kunststoffe wiederum sind im Vergleich stärker gasdurchlässig, was sich wiederum auf die schlechtere Haltbarkeit des verpackten Lebensmittels auswirkt. Zudem können Stoffe aus dem Plastik in die Lebensmittel übergehen.
medianet: Also beides nicht gerade optimal?
Maderthaner: Stimmt, weder Glas noch Plastik stellen das perfekte Packmaterial dar. Seit einigen Jahren forscht man an Monokunststoffen (PET), die mit einer dünnen Siliciumoxid (SiOx)-Schicht bedampft werden: eine ‚Plastikflasche mit Glasschicht', wenn man so will – leicht und flexibel wie der Kunststoff und schützend wie das Glas. Im Recyclingprozess lässt sich dann das SiOx wieder vom PET trennen. Glas hat damit als Packstoff sicherlich nicht ausgedient, aber auch hier muss man schlicht neu denken.
medianet: Und in welche Richtung muss nachhaltig neu gedacht werden?
Maderthaner: Vom ideologischen Zugang würde ich von einer ‚nachhaltigen Verpackung' erwarten, dass sie mit möglichst geringem Ressourceneinsatz so lange wie möglich im Wertstoffkreislauf verbleibt. Aus pragmatischer Sicht muss nachhaltige Verpackung natürlich auch leistbar sein. In einer deutschen Studie aus dem Jahr 2018 geben zwar neun von zehn Verbrauchern an, dass sie nachhaltige Verpackung nutzen würden. Allerdings sind nur 23% der Befragten bereit, mehr dafür zu zahlen. Man wird daher den Konsumenten zukünftig gerade über die Verpackung einen Mehrwert bieten müssen – damit rückt die Verpackung selbst als Produkt wieder stärker in den Fokus.
medianet: Dünnere Plastikfolien dünken nachhaltig, weil sie weniger Material brauchen, sind aber meist nicht recycelbar – wie schmal ist hier der Grat zwischen nachhaltig und Umweltsünde?
Maderthaner: Es ist eine Gratwanderung und ein weiteres Beispiel dafür, wie wichtig eine klare Zieldefinition dessen ist, was wir unter ‚Nachhaltigkeit' verstehen. Solange wir ‚Zero Waste' ausschließlich als Konzept der Müllvermeidung bzw. -reduktion verstehen, erscheint es vernünftig, die Plastikfolien dünn zu halten. Verstehen wir ‚Nachhaltigkeit' allerdings als langfristig angelegte Ressourcenschonung – und das ist mein Zugang –, dann muss der Fokus auf qualitativ hochwertigen Materialien liegen, die möglichst lange im Wertstoffkreislauf gehalten werden können. Das setzt allerdings voraus, dass diese Kreisläufe etabliert sind und wir Verpackung nicht als Müll, sondern als Wertstoff sehen.
medianet: Wer hat in Sachen Nachhaltigkeit aus Ihrer Sicht die Nase vorn und warum: der LEH oder die Markenhersteller?
Maderthaner: Der LEH hat schneller reagiert und gerade bei den Bio-Eigenmarken rasch erkannt, dass die Nachhaltigkeit das Interesse des Konsumenten weckt. Das war allerdings nur der erste Schritt: die Sensibilisierung. Die viel spannendere Frage ist: Was kommt als Nächstes? Hier liegen LEH und Markenhersteller wieder gleichauf. Wer dem Konsumenten glaubhaft versichern kann, dass das Nachhaltigkeitsetikett nicht einfach aus Marketinggründen aufgeklebt wurde, sondern Nachhaltigkeit ein fixer Bestandteil des Markenkerns ist, der wird die nächste Runde für sich entscheiden.
medianet: Wie viel trägt aus Ihrer Sicht der Onlinehandel zur Verpackungsflut bei?
Maderthaner: Ich kenne aktuell nur die Zahlen aus Deutschland und da sind die Abfallmengen bei Papier und Plastik in den letzten zehn Jahren rasant gestiegen – bei Papier fast doppelt so stark wie bei Plastik. Der wachsende Onlinehandel spielt hier sicherlich eine Rolle. Papier genießt per se den Nimbus der Nachhaltigkeit, ist es doch ein Material aus einem nachwachsenden Rohstoff, das auch gut recycelt werden kann. Dies hat sich zuletzt bei der Diskussion um die Plastiksackerl im Handel gezeigt – eine aus meiner Sicht fehlgeleitete Diskussion um die SUP (Single Used Plastics), bei der es ausschließlich um Plastik gegangen ist und nicht um den Single Use: Ein Papiersackerl einmal zu verwenden und es dann im Altpapier zu entsorgen, ist ebenfalls alles andere als nachhaltig. Dass knapp 50 Liter Wasser für die Herstellung eines Kilogramms Papier aus frischen Fasern notwendig sind und auch der Energieaufwand äußerst hoch ist, relativiert die vermeintliche intrinsische Nachhaltigkeit von Papier.