Interview: Wo die richtigen Top-Führungskräfte sind
@ DraganDok
CAREER NETWORK Redaktion 06.08.2024

Interview: Wo die richtigen Top-Führungskräfte sind

WIEN. Für viele Unternehmen gilt heute „more of the same is not enough“: In diesen Zeiten wachsender Anforderungen an das Spitzenpersonal wird es immer schwerer, die richtigen Aufsichtsräte, Vorstände und Geschäftsführer zu finden. Das kann man auch daran sehen, daß auf den Shortlists von einigen renommierten Personalberatern immer wieder die gleichen Personen, die zum Teil aber immer wieder nicht genau auf die Anforderungsprofile passen, aufscheinen. Immer häufiger kommt es nun zur sogenannten „verdeckten Suche“. medianet Herausgeber Oliver Jonke hat dazu den auf „ Verdeckte Suche“ spezialisierten Director von EO Austria Gmbh, Herbert Fritsch-Richter, befragt.

medianet ( Oliver Jonke): Herr Fritsch- Richter, was macht denn Ihr Unternehmen genau?
Herbert Fritsch-Richter: Wir suchen Führungskräfte und Aufsichtsräte bzw Board Member für Unternehmen, hauptsächlich in Österreich, aber auch in anderen Ländern. Die EO ist in acht Ländern und 22 Standorten vertreten, international stark expandierend und wachsend. Unser Zugang besteht darin, die Suchen sehr breit zu gestalten und dadurch mehr Diversity reinzubringen. Es hat eine Zeit lang auch gedauert am Markt, bis man uns wahrgenommen hat, jetzt wird unser Angebot vermehrt gut angenommen, sozusagen als neuer disruptiver Anbieter im Executive Search.

medianet: In welchen Branchen ist EO im Besonderen?
Herbert Fritsch-Richter: In Automotive, Industry und Finance, das sind unsere Kerngebiete. Wir haben aber immer wieder auch Anfragen aus anderen Bereichen, wie aktuell zum Beispiel für ein Unternehmen, das nachhaltige Baulösungen anbietet. Bewusst werden hier auch Quereinsteiger gesucht, mit Erfahrung mit Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Wir haben nicht nur eine sehr große Datenbank, sondern recherchieren auch sehr stark über Social Media. Über Direktansprache versuchen wir bei jeder Suche das Suchfeld breiter zu machen, sonst kommt man als Headhunter immer zu den gleichen Profilen.

medianet: Sie haben den Begriff Headhunter eingebracht. Ist das ein Begriff, der heute nicht mehr mit so viel Skrupel ausgesprochen wird wie früher?
Herbert Fritsch-Richter: Ich glaube, das wird ganz, ganz unterschiedlich gesehen. Jedenfalls braucht es einen sehr hohen Servicegedanken zum Kunden hin sowie ein sehr gutes Verständnis für verschiedene Branchen und natürlich auch dafür, was der Kunde denn exakt für die offene Position sucht.

medianet: Heute ist ja die Wirtschaftslage nicht mit der von vor ein paar Jahren zu vergleichen. In allen Bereichen steigt die Komplexität bei Marktherausforderungen, gesetzlichen Vorgaben, bei Procedures, Personalknappheit und und und. Wie hat sich denn hier das Anforderungsprofil an Führungskräfte verändert?
Herbert Fritsch-Richter: Die Herausforderungen für das Management und die Unternehmen sind mannigfaltig. Auf der anderen Seite sollen die Unternehmen transformiert werden. Wir sehen, dass es da einen großen Nachholbedarf gibt, zum Beispiel bezüglich Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Heute gibt es Homeoffice-Regelungen usw- das heißt sich auch da zu modernisieren und neu aufzustellen. Aufgrund der zahlreichen Krisen verändert sich die Welt sehr stark. Aber die Unternehmen und ihre Organisationen sind oftmals noch die gleichen wie vor ein paar Jahren. Es müssen Transformationen vorgenommen werden, mit viel Feingespür, man muß hier alle Mitarbeiter mitnehmen und die Stakeholder zufriedenstellen. Auch manche Aufsichtsräte finden vielleicht die Veränderung gar nicht so prickelnd und finden neue Dinge nicht gut…Auf der anderen Seite hat eine Führungskraft mit mannigfaltigen Krisen zu kämpfen: mit Kostensteigerungen, Lohnsteigerungen, Lieferkettenproblemen, diversen disruptiven äußeren Faktoren, wie zB in der automotiven Branche, wo wir viele Kunden haben, die sich neu aufstellen müssen. Also eigentlich eine Mammutaufgabe fürs Management.

medianet: Die richtigen Leute zu finden ist ja sicher nicht einfach, wie gehen Sie vor?
Herbert Fritsch-Richter: Immer öfters durch verdecktes Suchen. Der Eigentümer oder der Geschäftsführer kontaktiert uns und möchte Alternativen abwägen, ob es nicht ein anderes Management gäbe, das dieses Unternehmen vielleicht mehr in die Richtung lenkt, wie er möchte. Manche Unternehmen gehen jetzt, nachdem die wirtschaftliche Lage schwieriger ist, sehr stark zurück zu den Basics. Das heißt, das Profil wird wieder Finance und Controlling- lastiger- zum Beispiel sind CFOs mit Controlling- Background gefragt.

medianet: Jetzt haben diese Personen ja wahrscheinlich andere Assignments. Wie treten Sie an die heran?
Herbert Fritsch-Richter: Wenn die Suche nicht verdeckt ist, dann erzeugen wir, ohne den Auftraggeber zu nennen, Aufmerksamkeit über Social Media und auch über unser Netzwerk. Aber, wenn sie verdeckt sind, schreiben wir an, rufen an, kontaktieren direkt über Social Media, über Linkedin zum Beispiel. Mittlerweile sind fast alle Vorstände und Geschäftsführer von großen Unternehmen auch auf LinkedIn . Und die kann man sehr gut und sehr schnell erreichen mit einer freundlichen Nachricht. Man hat eine interessante Position, die Interesse wecken könnte und fragt nach einem unverbindlichen Austausch. Und wenn der Austausch stattfindet, gibt man ein paar Informationen preis, die man preisgeben kann, und vertieft dann je nach Interesse die Gespräche.

medianet: Wie ist denn so der Ablauf einer verdeckten Suche?
Herbert Fritsch-Richter: Das Wichtigste ist immer vorab ein sehr intensives Gespräch mit unserem Auftraggeber, um eine Profilanalyse zu machen: Wer sind die Stakeholder oder Auftraggeber, welche Ziele haben sie? Das kann ein Konsortium sein aus Gesellschaftern oder der Aufsichtsrat oder der Geschäftsführer. Mit ihnen bespricht man sehr genau das Anforderungsprofil. Wer soll es sein? Mit wie viel Erfahrung? Welche Industrien kommen in Frage? Und auf Basis davon erstellen wir ein Anforderungsprofil. Dann schauen wir, wer denn dafür in Frage kommt. Das heißt, wir suchen nach passenden Profilen nicht nur in unserem Netzwerk, sondern auch über Social Media mit Hilfe von KI.

medianet: Wie wird die KI eingesetzt?
Herbert Fritsch-Richter: Die KI funktioniert teilweise schon ganz automatisch. Ja, zB im Hintergrund auf LinkedIn, wenn man gewisse Suchbegriffe eingibt. Aber KI kann auch schon helfen bei beim Erstellen des Anforderungsprofils und beim Identifizieren von weiteren Industrien, die in Frage kommen, wer die Marktbegleiter sind, wo sich die Standorte befinden. KI kann sehr viel Zeit sparen beim Research und jedenfalls den Kandidatenkreis erweitern, denn der Kunde hat ja den Anspruch, dass man den Besten bekommt, der am Markt verfügbar ist.

medianet: In welchen Branchen ist denn bei EO „verdeckte Suche“ am häufigsten ausgeprägt?
Herbert Fritsch-Richter: Im Automotivebereich. Der ganze Markt ist ja sehr stark in Bewegung. Er transformiert sich sehr in Richtung E-Mobilität, vor allem Richtung China und USA. Unternehmen müssen es jetzt schaffen, nach China rein zu kommen. Das war zum Beispiel eine unserer letzten Suchen Für einen unseren Kunden im Automotivebereich haben wir eine Asienexpertin besetzt, die Kontakt hat zu den OEMs in Asien hat und die für unseren Automotive Zulieferer nun dort Kontakte herstellt. Da sind Organisationen neu aufzubauen, Strategien zu überdenken, neue Produkte zu entwickeln.

medianet: Wie ist die Motivation der Kandidaten, den angebotenen Job auch anzunehmen? Ist es eine deutlich höhere Gage oder die interessantere Aufgabe? Was überwiegt hier?
Herbert Fritsch-Richter: Wir bemerken, dass manche sehr klassische Industrieunternehmen in Österreich, die erforderliche Transformation nicht vollzogen haben, teilweise ein sehr gutes Management haben, das aber diese Transformation gern vollzogen hätte und Stakeholder das nicht wünschten. Die sehnen sich nach einer Aufgabe, wo sie was bewegen können. Ja, da gibt es zurzeit einige am Markt. Wir merken zurzeit, dass gute Manager oft klassische Unternehmen verlassen, für neue Unternehmen, die ihre Visionen und Werte teilen oder wo sie was bewegen können.

medianet: Also geht es um „Interessante Spielfelder“ ?
Herbert Fritsch-Richter: Ja, Interessantere Spielfelder, wo sie was bewegen können und wo was machbar ist. Und da ist eigentlich immer die Aufgabe für einen Manager das Wichtigste. Ein guter Manager hinterfragt auch immer genau die Stakeholder Struktur. Fragezeichen gibt es bei uns immer bei Kandidaten, die zu allem Ja sagen. Ich erwarte mehr von solchen Kandidaten, dass sie kritisch alles hinterfragen. Wer sind die Stakeholder? Mit wem muss ich mich da abgeben? Was kann ich machen, Was kann ich bewegen? Das heißt, Kandidaten, die auch kritische Fragen stellen, teilweise auch unangenehme Fragen stellen, ist eigentlich sehr erwünscht, weil dann weiß man, die wissen, auf was sie sich einlassen.

medianet: Wie lange bleiben solche Kandidaten bei ihren neuen Assignements?
Herbert Fritsch-Richter: Üblicherweise bis die Aufgabe erfolgreich abgeschlossen ist, zB nach fünf bis sieben Jahren geht man dann halt zur nächsten Aufgabe. Dann hat man wieder Lust auf was Neues, eine andere Spielwiese, eine neue Challenge.

medianet: In Österreich haben Top Führungskräfte sehr häufig im Vergleich zu Leuten aus anderen Ländern die Schwierigkeit mitgebracht, dass sie sich örtlich nicht gerne verändern wollten. Ändert sich das?
Herbert Fritsch-Richter: Je höher die Position ist und je besser die Dotierung ist, und je spannender die Aufgabe ist, desto mehr ist man umzugsbereit oder auch reisefreudig. Wir lesen in den Medien vermehrt von Freisetzungen von Mitarbeitern. Das heißt, suchende Unternehmen haben wieder mehr Auswahl, und dadurch haben es die Kandidaten schwieriger, gute Positionen zu bekommen und dadurch werden die auch wieder flexibler, was gewisse Rahmenbedingungen betrifft.

medianet: Welche persönlichen Eigenschaften sollten Personen im Aufsichtsrat oder im Vorstand mitbringen?
Herbert Fritsch-Richter: Emotionale Intelligenz- insbesondere wie man mit den Mitarbeitern umgeht, neben einer sehr hohen Expertise in den geforderten Bereichen. Aber es wird auch immer wichtiger das Rüstzeug zum Widerspruch mitzubringen. Viele Auftraggeber wünschen sich , dass der Aufsichtsrat kein Abwinker ist, sondern durch seine Expertise kritische Fragen stellt Richtung Unternehmensführung. Das heißt, der Aufsichtsrat wird auch immer mehr Sparringpartner. Und obwohl es wieder mehr potentielle Kandidaten gibt, ist die Kombination nicht leicht zu finden… Wir haben zum Beispiel bei der letzten Aufsichtsratsbesetzung 18.000 Ansichten auf meinen LinkedIn Post verzeichnet, woraus über 300 Kandidaten herausgefiltert wurden.

 

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