Pandemie treibt Wandel der Arbeitswelt voran
© APA/AFP/Ina Fassbender
CAREER NETWORK Redaktion 29.01.2021

Pandemie treibt Wandel der Arbeitswelt voran

„Wir erleben derzeit einen echten Struktur- und Paradigmenwechsel”, sagt Kristina Knezevic, Country Managerin von Xing Österreich.

••• Von Britta Biron

Im Gespräch mit medianet erläutert Kristina Knezevic, Country Managerin Xing Österreich, die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Arbeitswelt und analysiert die Trends für die Zukunft.

medianet: Die Umfrage zu den Vorsätzen und Wünschen für 2021 hat ähnliche Ergebnisse wie in den Vorjahren gebracht. Spielt Corona eine kleinere Rolle als man angenommen hat?
Kristina Knezevic: Der Einfluss der Krise ist wohl größer darauf, wie und wo wir arbeiten als was. Nachdem die Menschen in den vergangenen Monaten sehr viel Neues – beschleunigte Digitalisierung, Homeoffice, hybride Office-Lösungen, aber auch Kurzarbeit – erlebt haben und ihre Arbeitsweisen dementsprechend adaptiert haben, sind viele wohl nicht dazu gekommen, sich über einen Arbeitgeberwechsel Gedanken zu machen. Dass aber immerhin die Hälfte darüber nachdenkt, ist bemerkenswert, denn in Krisensituationen hält man normalerweise eher an Bekanntem fest.

medianet:
Welche Faktoren beeinflussen die Wechselbereitschaft ?
Knezevic: Das Hinterfragen der eigenen Jobsituation und das Erkennen, dass man etwas anderes machen will, ist am wichtigsten. Die Sinnfrage und die Tatsache, das tun zu wollen, was man wirklich will, erhöhen die Bereitschaft zum Jobwechsel. Auf der anderen Seite gibt es einige Ausschlusskriterien für einen Wechsel. An der Spitze steht ein niedrigeres Gehalt als bei der aktuellen Tätigkeit; 62% der Befragten in Österreich nannten das als Grund. Das Fehlen flexibler Arbeitszeitgestaltung ist für mehr als jeden Dritten ein Ausschlusskriterium.

medianet:
Sie haben das Thema Sinn der Arbeit angeführt. Das scheint ja wichtiger zu werden.
Knezevic: Viele Arbeitnehmer haben Corona zum Anlass genommen, über den Sinn ihrer Arbeit nachzudenken. Für rund ein Viertel der Befragten ist eine sinnvolle Tätigkeit heute wichtiger als noch vor einem Jahr. Eine einheitliche Definition oder Lösung gibt es nicht, wir sehen aber, dass die Frage nach dem persönlichen Sinn und Selbsterfüllung, mehr Flexibilität und Freiräume, flachere Hierarchien, mehr Selbstorganisation und Agilität genauso wie der Purpose eines Unternehmens stärker ins Zentrum rücken. Arbeit wird noch mehr zu einem identitätsstiftenden Bestandteil des Lebens.

 medianet: Trotz der historisch hohen Arbeitslosenzahlen und weiterer Unsicherheitsfaktoren für viele Wirtschaftszweige macht sich die Mehrheit der Österreicher aber wenig Sorgen um den Arbeitsplatz. Worauf führen Sie das zurück?
Knezevic: 60% der österreichischen Befragten stellen ihren Arbeitgebern ein gutes oder sehr gutes Zeugnis für das Corona-Management und die damit verbundenen Maßnahmen aus – dieses gute Management gibt auch Sicherheit in schwierigen Zeiten. Generell hat sich Haltung der Befragten gegenüber ihrem Arbeitgeber durch Corona und die veränderten Rahmenbedingungen in der Arbeitswelt kaum verändert. So geben 65% an, dass sie genauso zufrieden sind wie vor der Pandemie, zehn Prozent sind sogar zufriedener als noch vor einem Jahr.

medianet:
Obwohl Männer tendenziell zufriedener mit ihrem Arbeitgeber sind als Frauen, machen sie sich aber auch mehr Sorgen um die Sicherheit ihres Arbeitsplatzes. Wie lässt sich das erklären?
Knezevic: Das könnte daran ­liegen, dass sich Männer vielleicht noch in der traditionellen Rolle des Versorgers sehen und sich dementsprechend mehr sorgen, diese Rolle nicht mehr erfüllen zu können. Nach wie vor sind die Einkommen der Männer höher und die Abhängigkeit – ­gerade bei Familien – davon höher.

medianet:
Homeoffice ist seit Corona ein heißes Thema. Ist es Ihrer Meinung nach gut, dass weiterhin auf Freiwilligkeit der Unternehmen gesetzt wird?
Knezevic: Das Prinzip der Selbstbestimmtheit sollte auch beim Homeoffices im Vordergrund stehen – alles, was Pflicht ist, nimmt Freiheit und Freude.

medianet: Wie nachhaltig wird sich das Homeoffice etablieren?
Knezevic: Vor allem Remote Work dürfte sich durchgesetzt haben, und eine Umstellung auf ein Szenario wie es vor der Krise war, ist kaum vorstellbar. Ich bin überzeugt, dass sich ein hybrides Modell durchsetzt. Das bedeutet: Konzentriertes und produktives Arbeiten im Homeoffice – soziale Kontakte und persönlicher Austausch am Arbeitsplatz. Diese bessere Verteilung macht uns und unseren Arbeitsalltag schöpferischer und leistungsfähiger. Dadurch haben Effektivität und Produktivität in der Krise durch Selbstbestimmtheit eine neue Bedeutung erlangt. Was wir auch sehen, ist, dass durch die gesteigerte Produktivität auch die Arbeitszeit neu definiert bzw. diskutiert wird.

medianet:
Homeoffice heißt aber nicht nur, dass daheim statt im Büro gearbeitet wird.
Knezevic: Remote Work verlangt nach Remote-Führung und dazu braucht es ein neues Führungsverständnis. Führungskräfte sollten die Motivatoren sein, die Mitarbeiter wiederum kontrollieren und disziplinieren sich selbst. Aufgabe der Führungskräfte ist es, Nähe trotz Distanz sowie gute Mitarbeitererfahrungen zu schaffen, um die besten Mitarbeiter zu bekommen, zu halten und zu inspirieren.

medianet:
Stichwort Recruiting: Welchen Einfluss hat der durch Corona ausgelöste Digitalisierungsschub?
Knezevic: im HR-Bereich sind digitalisierte Prozesse wichtig, um beispielsweise die Time-to-Hire zu verkürzen und um im Wettbewerb um die besten Kandidaten mithalten zu können. Die Digitalisierung bietet die große Chance, zeitintensive Prozesse zu automatisieren, und HR-Manager können sich dadurch wieder auf ihre Kernkompetenz konzentrieren: Gespräche mit geeigneten, vorselektierten Kandidaten führen und schlussendlich Entscheidungen treffen. Am Ende des Tages sprechen wir auch beim Recruiting von einem hybriden Modell.

medianet: Für Unternehmen, die in Sachen Digitalisierung vielleicht noch nicht so fit sind, hat Xing ein neues Tool gelauncht.
Knezevic: Mit dem Xing TalentService betreten wir Neuland und nehmen Unternehmen die E-Recruiting-Prozesse ab, die sie nicht immer selbst bewältigen können. Unser Ziel ist es, eine Brücke zu schlagen, um das volle Potenzial von E-Recruiting allen Unternehmen zugänglich zu machen, unabhängig von ihrem Digitalisierungsgrad.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL