WIEN. Die Digitalisierung öffnet uns weltweit viele Türen, zuweilen leider mit einem bitteren Beigeschmack. Denn egal ob es sich um Schadsoftware, Datendiebstahl oder digitaleErpressung handelt, die Möglichkeiten von Cyberkriminellen nehmen rasant zu – auch imOnlinehandel. Wenngleich die eCommerce-Umsätze im Vorjahr erstmals in den letzten 20 Jahren zurückgegangen sind, wächst das Risiko für Betrug weiter. Das ist auch eine zentrale Erkenntnis der Sicherheitsstudie 2023, die vom Handelsverband in Kooperation mit dem Innenministerium und dem Bundeskriminalamt durchgeführt wurde.
Die Digitalisierung ist aus dem privaten und geschäftlichen Alltag nicht mehr wegzugdenken. Darauf haben sich auch Kriminelle eingestellt und ihr Treiben großteils in das Internet verlagert. Auch im digitalen Raum kommt es zu den verschiedensten Formen von Kriminalität. Die Beschränkungen rund um die Covid-19-Pandemie haben, im Gegensatz zu den herkömmlichen Eigentumsdelikten, die Entwicklungen im Cyberbereich noch weiter beschleunigt. 2022 wurde in der Kriminalstatistik im Bereich der Cybercrime ein Höchstwert von 60.195 Anzeigen verzeichnet. Besonders der Online-Handel ist von Betrugsdelikten betroffen. Die Aufklärungsquote bleibt – gerade im Hinblick auf die gestiegenen Zahlen – konstant hoch. Das besagt der Lagebericht des Bundeskriminalamts (BK).
Starker Anstieg
Betrug im Netz ist keine Einbahnstraße: Mehr als ein Fünftel der Konsumentinnen und Konsumenten haben laut Sicherheitsstudie schon Erfahrungen mit Fake-Webshops gemacht.
„Im Kampf gegen die Internetkriminalität setzen wir als Sicherheitsbehörde sowohl in der Strafverfolgung als auch der Prävention auf stete Fortbildung, Modernisierung und eine möglichst umfassende Vernetzung mit den diversesten Stakeholdern”, erklärt Innenminister Gerhard Karner. „Ganz nach der Prämisse: Das beste Delikt ist jenes, das schon vorab verhindert werden konnte.”
Aber was fällt eigentlich alles unter Cybercrime? Cybercrime im engeren Sinne umfasst kriminelle Handlungen, bei denen Angriffe auf Daten oder Computersysteme unter Verwendung der Informations- und Kommunikationstechnik (IKT) begangen werden. Die Straftaten sind gegen die Netzwerke selbst oder aber gegen Geräte, Dienste oder Daten in diesen Netzwerken gerichtet, wie zum Beispiel bei der Datenbeschädigung, dem Hacking oder Angriffen auf Dienste (DDoS-Attacken). Betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch gehört auch dazu – hier verzeichnete das BK 2022 massive Anstiege. Hauptgrund hierfür sind die zunehmende Verlagerung des täglichen Lebens in das Internet sowie die Schaffung neuer internetbasierter Zahlungsmöglichkeiten. Die betrügerische Verwendung von Near Field Communication (NFC) bei Bankomat- und Kreditkarten mache hierbei den größten Anteil der Anzeigen aus. Auch die Fälle von Phishing seien stark angestiegen, heißt es aus dem BK. Unter Cybercrime im weiteren Sinne werden Straftaten verstanden, bei denen die Informations- und Kommunikationstechnik als Tatmittel zur Planung, Vorbereitung und Ausführung von herkömmlichen Kriminaldelikten eingesetzt wird, wie zum Beispiel Betrugsdelikte, Drogenhandel im Darknet, Online-Kindesmissbrauch, Cybergrooming oder Cybermobbing. „Jene Bereiche der traditionellen Kriminalität, in denen Digitalisierung und IT keine Rolle mehr spielen, werden somit immer kleiner”, so Karner.
Konstante Aufklärung
Cybercrime in all seinen vielfältigen Erscheinungsformen stieg von 46.179 angezeigten Delikten im Jahr 2021 auf 60.195 im Jahr 2022 – dies bedeutet ein Plus von 30,4 Prozent. Trotz des beachtlichen Zuwachses konnte die prozentuelle Aufklärungsquote mit 33,9 Prozent sehr hochgehalten werden. Den größten Posten nimmt der Internetbetrug ein, er hat mit 27.629 Anzeigen einen neuen Höchststand erreicht. „Auch wenn wir die Beobachtung machen, dass sich die Kriminalität in vielen Bereichen in das Internet verlagert, so dürfen wir den stationären Handel, als essenziellen Teil der Wirtschaft in Österreich, keinesfalls außer Acht lassen”, betont General Andreas Holzer, Direktor des Bundeskriminalamts.
Warnende Worte
Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbands, bringt das pandemiebedingte Wachstum an Webshops und Onlinebestellungen mit den häufigeren Delikten, neuen Betrugsmaschen und deutlich höheren Schäden in Zusammenhang und warnt: „Handlungsbedarf ist gegeben. Im Vorjahr waren bereits zwei Drittel der heimischen Händler Opfer von Betrug im Netz, ein Drittel sogar schon mehrmals. Damit steht Internetbetrug weit oben auf der Liste potenzieller Bedrohungen für den Handel. Die Schäden nehmen zu und gehen teilweise in die Millionen.” Ähnlich sei die Situation auf Konsumentenseite: Jeder Zweite schätze die Gefahren im eCommerce als hoch ein. Für Online-Shopper zähle Sicherheit mittlerweile zu den wichtigsten Kaufkriterien.
Der eCommerce-Boom sei auch den Kriminellen nicht entgangen, mahnt Manuel Scherscher, stellvertretender Direktor des BK und Leiter der Initiative Gemeinsam.Sicher: „Sie nutzen die vermeintlichen Schwachstellen im Bestellprozess von Webshops für ihre Machenschaften oder verwenden real existierender Identitäten beim Kauf auf Rechnung missbräuchlich.”
Prävention und Kooperation
Eines zeigt die Kriminalitätsstatistik deutlich: „Es ist aus Sicht der Polizei unumgänglich, ein besonderes Augenmerk auf den Faktor Sicherheit im Onlinehandel zu werfen, wobei auch der stationäre Handel im Fokus vieler Täter steht”, betont Scherscher. Die Polizei registriert laufend neue Vorgehensweisen der Kriminellen, weshalb neben der Repression, der Verfolgung der Täter, auch vermehrt auf Präventionsmaßnahmen gesetzt wird. Im Schadensfall kann in jeder Polizeiinspektion eine Anzeige erstattet werden. „Mit der Initiative ‚Gemeinsam.Sicher' im Onlinehandel haben das Bundeskriminalamt und der Handelsverband bereits vor Jahren eine Plattform geschaffen, welche die enge Zusammenarbeit zwischen dem österreichischen Handel und der Polizei intensiviert und fördert. Diese Sicherheitspartnerschaft stellt ein wesentliches Element dar, die Sicherheit im Onlinehandel weiter zu verbessern”, erklärt Scherscher das Ziel der Kooperation.