Die Regale der Zukunft
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DOSSIERS Redaktion 01.03.2019

Die Regale der Zukunft

Wohin und wie schnell der Zug bei Mehrweg- Systemen und Mehrweg-Ladungsträgern fährt, diskutierte medianet-Herausgeber ­Oliver Jonke mit Branchenprofis im Rahmen eines Experten-Round Tables.

Bei Mehrweg denken die meisten, vor allem Konsumenten, an Pfandflaschen – besonders an Bierflaschen und die dazugehörenden Kisten. Dies ist aber nur ein kleiner Teil der Mehrweg-Systeme, in diesem Universum sind gar viele verschiedene Teile unterwegs. Im Prinzip könnte jedes (!) Gebinde oder Behältnis einem Mehrweg-System angehören und gleich auch auf einem Mehrweg-Ladungsträger stehen.

Der große Vorteil von Mehrweg – er ist ökologisch und ökonomisch, ist sich die Expertenrunde einig. Einigkeit besteht auch an der Notwendigkeit der Standardisierung.
Paradebeispiel dafür: das Biertray. Bier im 4er- und 6er-Träger wurde und wird nach wie vor als Promotioneinheit immer beliebter. Um diesem Trend Rechnung zu tragen, hatte die L-MW (Logistikverbund Mehrweg) Arbeitsgruppe nach gemeinsam erstellten Anforderungen eine Ausschreibung für Biertrays für Multipacks in ganz Europa durchgeführt. In dieser Ausschreibung hatten zwei Trays allen Anforderungen entsprochen. Nachdem die mit Brauereien und Handelsunternehmen durchgeführten Praxistests erfolgreich waren, erfolgte schließlich 2016 die Markteinführung. Den Anstoß hatte seinerzeit der Handel gegeben, der mit der Aussicht, nun nicht nur Bierkisten, sondern auch noch Biertrays „Brauerei-rein” sortieren zu müssen, nicht gerade glücklich war.

Land des Mehrwegs

Österreich ist, was Mehrwegsysteme anbelangt, international gut aufgestellt – besonders im DACH-Raum. Auffällig dabei: eine Art europäisches Nord-Süd-Gefälle. So haben die Skandinavier ein sehr großes Interesse an Standardisierung. Dort haben sich alle Beteiligten auf einen Systemtyp geeinigt. Ganz ähnlich in Holland: Auch hier haben sich Händler und Lieferanten auf einen Systemtyp verständigt.

Das Interesse an Mehrwegsystemen ist in Österreich, verglichen mit Deutschland, höher, was wiederum an der österreichischen LEH-Landschaft liegt. Es ist ein sehr konzentrierter Markt – wenn „die zwei Großen mit den vier Buchstaben” eine Idee haben und diese mit dem L-MW gemeinsam verfolgen, dann sind diese Ideen meist leichter umsetzbar als in Deutschland. Bei unserem Nachbarn gibt’s nämlich „mehrere Kleine”, wo dann zwar alle mitreden dürfen, man aber nicht alle unter einen Hut bekommt. Was die Branche außerdem an Österreich schätzt: die klaren Angaben und Rückmeldungen vom Handel, seine guten Ideen und die Alpenrepublik ganz generell als guten Testmarkt.
Österreich ist ein „Display-Land”. Laut einer Marktschätzung des L-MW gibt es bei uns drei Mio. Viertel-Displays pro Jahr für 5.500 Geschäfte im Lebensmitteleinzelhandel und rund 1.000 Tankstellen. Wenn man davon ausgeht, dass diese 6.500 Displays Karton-Einwegdisplays mit einem Einzelgewicht von mindestens 6 kg sind, so ergibt das – aufs Jahr gerechnet – eine unheimliche Menge an Kartonage. Und damit letztlich Abfall. Was also tun? Etwas Neues erfinden.

Das Mehrwegdisplay

Rund sechs Jahre wurde am Mehrwegdisplay gearbeitet, viel Überzeugungsarbeit musste geleistet werden. Das Display wurde ja von der Pike auf neu erfunden; dabei ließen die Produzenten auch die unterschiedlichen Interessen des Einkaufs und des Marketings des einzustellenden Produkts mit einfließen. Gemündet sind die Anstrengungen letztes Jahr in einem sehr zufriedenstellenden Test. Fazit: Besser als das Einwegdisplay. Am Mehrwegdisplay traten weniger Beschädigungen auf, und der Pappenverbrauch konnte auch reduziert werden. Das Einsparpotenzial lag im Testlauf bei 60%.

Ist das Einwegdisplay der Klassiker unter den Aufstellern für Promotions, so ist das Mehrwegdisplay ungleich praktikabler. Es ist eine echte Alternative und dabei ökologischer. Jetzt liegt der Ball beim Handel – er muss im „Daily Business” herausfinden, was seine einzelnen Abteilungen und der Konsument, wiewohl nicht Letzt­verbraucher des Displays, will.

Blick in die Kristallkugel

Bei Post und Paketdiensten bereits gang und gäbe, hätte „track & trace” im Mehrweg-Bereich auch Bedarf. Die „track & trace”-fähige Kartoffelkiste könnte dann auf Nachfrage des Eigentümers melden, dass sie nicht mehr im Lager oder in der Gemüseabteilung steht, sondern in der Spielwarenabteilung.

Was Digitalisierung, Automatisierung und Convenience betrifft, so ist die Fahnenstange bei Mehrweg noch nicht erreicht. Ergonomie in den Märkten wird wichtiger werden, Hilfsmittel für Mitarbeiter, wie der Dolly oder der Rolly, werden wohl weiter in den Fokus rücken. Vielleicht wird es in absehbarer Zukunft automatisch befüllbare Regale geben, wo es dann wiederum standardisierte Behälter braucht.

Ökologie & Nachhaltigkeit

Interessant wird sein, was die nächste Generation an Kon­sumenten will. Welchen Druck die jetzt Jugendlichen auf Handel und Industrie ausüben werden. Mehr Bio? Ja, gern, dann aber auch in einem entsprechendem Behältnis. Supermärkte mit Öffnungszeiten 24/7? Ja sicher, dann aber auch gleich mit automatisch befüllten Displays.

Da wird die Entwicklung bei den Mehrwegsystemen schon mal mit der Entwicklung bei den Mobiltelefonen verglichen. Wir erinnern uns an 1998, an das Nokia 5510. Und heute? Smartphones, die eine bessere Rechnerleistung haben als ein ein paar Jahre alter PC und ungleich weniger kosten.
Völlig gleich, welche Branche man nach der Zukunft fragt, diese Antworten sind immer dabei: „Ökologie und Nachhaltigkeit”. Mehrwegsysteme werden hier etwas bewegen können. Wiederverwendung wird à la longue immer wichtiger werden. Die „Circular Economy” (Kreislaufwirtschaft, Anm.) haben wir jetzt schon und an der wird auch in Zukunft kein Weg vorbeiführen.
Ziel wird es sein, Transparenz entlang der Lieferkette und der Nutzung zu zeigen, sodass jeder Benutzer die Vorteile erkennen kann. Und damit die Entscheidungsträger von Einweg-Mehrweg ihre Entscheidungen auf Fakten stützen können; „gefühlte Wahrheiten” und „alternative Facts” sollten hier keinen Platz haben.
Bereits 70% der Arbeitsgruppen beim L-MW haben im weitesten Sinne ökologisch-nachhaltige Themen. Hier wird immer wieder Neuland betreten werden – siehe auch das Mehrwegdisplay. „Wir können proaktiv eingreifen und unsere Beiträge leisten, noch bevor es nötig ist, dass EU-Regelungen kommen”, meint Nikolaus Hartig, Manager Logistikverbund Mehrweg, abschließend.
Mehrweg hat also noch viel vor.

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