Austro-Betriebe blicken weiter über die Grenzen
© Coface/APA-Fotoservice/Preiss
FINANCENET 22.05.2015

Austro-Betriebe blicken weiter über die Grenzen

13. Country Risk Conference Coface (im Bild Country Manager Christian Berger, Ökonom Grzegorz Sielewicz) sieht bei heimischen Konzernen gesteigertes Interesse für neue Märkte. Chinas Probleme eröffnen anderen Schwellenländern Chancen – Beispiel Vietnam, wo u.a. Mayr-Melnhof einen Standort hat.

Wien. Österreichs Unternehmen blicken weiter über die Grenzen – das befindet Christian Berger, Coface-Country-Manager für Österreich. Nicht die Abenteuerlust sei gestiegen, sondern das Interesse an Investitionen in weiter entfernte Märkte wie etwa die Türkei oder asiatische und lateinamerikanische Länder, so Berger anlässlich der 13. Konferenz des Kreditversicherers über Länderrisiken. „Immer mehr Industrieunternehmen suchen auch neue Standorte, etwa in den USA.”

Der Grund dafür sei das begrenzte Wachstum in Österreich und in der Eurozone: Für Öster-reich erwartet Coface heuer ein BIP-Plus von 0,8%, für die Eurozone – bei uneinheitlicher Entwicklung – einen Anstieg von 1,3%. Auch das IHS prognostiziert für Österreich 0,8%, das Wifo nur 0,5%.
„Die Erholung in Österreich zieht sich”, erklärt Coface-Ökonom Grzegorz Sielewicz. Die Trägheit des Vorjahres 2014 sei auch zu Jahresbeginn 2015 bemerkbar, „die Vertrauensindikatioren sind nach wie vor schwach, die Produktionskapazitäten nach wie vor nicht ausgelastet”. Im ersten Quartal dieses Jahres registrierte Österreich nach drei Quartalen der Stagnation kaum Wachstum, so die ernüchternde Bilanz.

CEE, Spanien: mehr Pleiten

Weltweit sieht Coface ein Wirtschaftswachstum von 3%, Russ-land reißt mit minus 3% nach unten aus – als Folge des niedrigen Ölpreises. Der Konflikt zischen der Ukraine und Russland sorgte laut Gläubigerverband Creditreform für eine Verdoppelung der Firmenpleiten in 2014 in der Ukraine und ein Plus in Russland von 10,4% – damit erreichen die Pleiten in CEE den neuen Höchststand von knapp 100.000. In der Eurozone ist Spanien Spitzenreiter mit 6.392 Fällen (+ 28,5%).
Zentral- und Osteuropa (CEE) erholt sich langsam, aber sicher wieder, so Sielewicz. Die CEE-Länder seien wie immer stark von der Eurozone abhängig. Die Erholung legt daher an Tempo zu: Wachstum an Tempo zugelegt: von +1,3% in 2013 zu +2,5% in 2014, 2015 könnten daraus +2,7% werden.

Frankreich als Bremser

Für Italien und Frankreich diagnostiziert Sielewicz aber weiter schwache wirtschaftliche Leistungen. Vor allem die hohe Unternehmensverschuldung in Ländern wie Frankreich mit 62.800 Insolvenzen im Jahr 2014 sei ein starkes Hemmnis für das wirtschaftliche Wachstum der Eurozone. Deutschland hingegen habe mit nur mehr 24.085 Insolvenzen in 2014 einen Rückgang von 7,3% verzeichnet.

Ölpreis-Profiteure

Die großen Profiteure des gesunkenen Ölpreises sind vor allem die Transport- und Chemieindustrie, aber auch viele andere Sektoren, wie die Automobil- und Elektro-nikindustrie sowie der Handel. Für die US-Industrie bedeutet dies – auch dank der verbesserten Situation am Arbeitsmarkt sowie der ansteigenden Haushaltsausgaben – ein prognostiziertes Wachstum von 2,9% für 2015. Die europäische Chemieindustrie schafft es, den Abstand zum US-Markt aufzuholen und die bessere Margen einzufahren. Zusätzlich liefert die Abwertung des Euros einen positiven Impuls für den Export.

Neue Welle von EM

Was durchgängig von Ökonomen für China gesehen wird, bestätigt Sielewicz: Das Wirtschaftswachstum im Reich der Mitte werde heuer mit nur 7,0% einen Dämpfer erhalten. Auf Unternehmensseite sind die wichtigsten Wachstumshemmnisse durch hohe Unternehmensverschuldung (170% des BIP), Schattenwirtschaft und Überproduktion geprägt, zum Beispiel in der Stahl- und Bauindustrie.
„Viele Unternehmen haben Zahlungsschwierigkeiten, 80 Pozent der chinesischen Betriebe sind davon betroffen – der zweite Teil des Problems ist das Schattenbankensystem: Schätzungen zufolge hat es einen Umfang von nicht weniger als 200 Prozent des BIP.”
Da in China die Lohnkosten zusehends steigen, reiben sich andere Emerging Markets (EM oder Schwellenländer) die Hände, etwa Vietnam, das sich sehr stabil entwickelt. Neben dem Handyhersteller Samsung hat u.a. auch der österreichische Karton- und Faltschachtelhersteller Mayr-Melnhof dort einen Standort.
Des weiteren sei Indien auf der Gewinnerseite zu finden – ohne (geo-)politische Risiken, aber mit dem Wermutstropfen der hohen Verschuldung der Unternehmen, was auf lange Sicht problematisch werden könne.(lk/ag)

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