••• Von Linda Kappel
WIEN. Die Alternative Unternehmensfinanzierung, besser bekannt unter dem Namen Crowdinvesting, erfreut sich immer größerer Beliebtheit, sowohl bei Unternehmen als auch bei Anlegern. Die weltweit erste Crowdinvesting-Plattform, ProFunder, konnte im Jahr 2009 ihr erstes Finanzierungsprojekt erfolgreich beenden. Weitere US-Vorbilder waren Kickstarter oder Indiegogo. Inzwischen hat sich die Finanzierungsform auch in Deutschland zur ernstzunehmenden Variante für Start-ups, Mittelständler oder auch „nur” private innovative Köpfe gemausert.
Die Grenze zwischen Crowdfunding und Crowdinvesting wird sprachlich dabei nicht immer trennscharf gezogen – daher hier nochmals kurz erklärt: Beim Crowdfunding stellen in erster Linie Fans eines Produkts, eines bestimmten Projekts Gelder zur Verfügung und erhalten im Gegenzug dafür Gutscheine, Rabatte udgl.
Bankenunabhängiger agieren
Beim Crowdinvesting erwarten sich die Anleger von ihrem finanziellen Engagement sehr wohl einen Rückfluss in Form einer Rückzahlung und/oder Verzinsung. Für die Beteiligung wird oft die Form eines Nachrangdarlehens gewählt, aber auch Genussrechte sind möglich. Heimische Klein- und Mittelunternehmen können über diese Form der Kapitalbeschaffung bankunabhängiger agieren, ihre eigenen Kunden werbewirksam einbinden und am Unternehmenserfolg teilhaben lassen.
2013 ist das Crowdinvesting auch in Österreich angekommen; die bekanntesten Plattformen hierzulande sind „1000x1000.at” und der Marktführer „Conda”, der mit dem Projekt „Wohnwagon” Aufsehen erregte.
Weitere Portale sind Green Rocket, das sich auf nachhaltig orientierte Unternehmen spezialisiert, und www.dasertragreich.at sowie die auf Immobilienprojekte fokussierte Home Rocket GmbH. Speziell im Immobilienbereich könnte es noch viel Bewegung geben, da sich viele Privatanleger angesichts der nun schon lange anhaltenden Tiefzinsphase und unsicheren Aktienzeiten immer noch verstärkt für Immobilien interessieren. Beispielsweise setzt auch reval.co.at, ein Ableger der Reval Vermögensberatungs GmbH, auf die Crowd, die gemeinsam mit Bauherren Immobilienprojekte von der Idee bis zur Umsetzung begleiten soll.
Neuer Austro-Player Startnext
Doch es geht in rasantem Tempo weiter: Nächster Marktplayer ist Startnext, nach eigenen Angaben größte Crowdfunding-Plattform im deutschsprachigen Raum. Am 21. September 2015 wird das Wien-Büro unter der Leitung von Cloed Baumgartner eröffnet. Startnext kann bereits auf drei Österreich-Erfolgsgeschichten verweisen: „magdas Hotel”, „#openschoool” und „Feldküche Unterwegs”.
Wöchentliche Sprechstunde
Startnext wurde 2010 in Dresden als erste deutsche Crowdfunding-Plattform gegründet. Österreicher können dort seit 2011 ihre Projektideen einstellen. Seit Gründung wurden 22 Mio. € von der Crowd eingesammelt und über 2.900 Projekte erfolgreich finanziert, sagt Denis Bartelt, CEO und Mitbegründer von Startnext: „Mit der Eröffnung unseres Büros in Wien sind wir vor Ort ansprechbar und können unsere Projektstarter aus Österreich noch besser betreuen, zum Beispiel in unserer wöchentlichen Crowdfunding-Sprechstunde. Wir werden außerdem unser Netzwerk mit österreichischen Kooperationspartnern wie Universitäten, Unternehmen und Förderinstitutionen ausbauen.”
Cloed Baumgartner ist Innovationsmanagerin und Serial Entrepreneur im Bereich der Creative Industries. Sie hat u.a. die Crowdfunding-Kampagne für das Social Business magdas Hotel am Wiener Prater durchgeführt. „Für mich ist Crowdfunding das optimale Werkzeug, um zukünftige Kunden für neue Projekte und Innovationen zu begeistern”, sagt Baumgartner. In den Sprechstunden berät sie Projektstarter zu ihren Crowdfunding-Kampagnen.
Nächster Schritt
Bislang sammeln Crowdinvesting-Plattformen Kapital in erster Linie online ein. Doch nun tut sich der nächste Quantensprung auf: Die Republik Österreich hat im Sommer einen wichtigen Schritt für die Crowdfunding- und Crowd-Investingszene auf Schiene gebracht, indem der Nationalrat im Juli das „Alternativfinanzierungsgesetz” beschlossen hat; das AltFG ist Anfang September in Kraft getreten (der detaillierte Gesetzestext findet sich hier: http://tinyurl.com/nkp5ype). Und nun treten auch erste Vermögensberater auf den Plan, die diese neue Form der Kapitalbeschaffung und -veranlagung ihren Kunden ans Herz legen wollen.
Neue Akademie
Andreas Raith, Geschäftsführer der niederösterreichischen Vermögensberatung Kanzlei Nikoll & Raith, vermittelt bereits Crowd-Anlagen und führt in Zusammenarbeit mit www.dasertragreich.at Berater-Schulungen durch. Mit mehr als 20 Partnern seien bereits Kooperationsverträge geschlossen worden und es wird an eine eigene Akademie zum Thema gedacht.
„Der gewerbliche Vermögensberater wird auch hier eine wichtige Rolle spielen, da die Angebote und Modelle sich sehr voneinander unterscheiden und auch das Risikopotenzial von verschiedenen Faktoren abhängig ist”, sagt Raith. Die neue „Assetklasse” bedürfe eines gut ausgearbeiteten Beratungsprotokolls, dieses hat Raith in Zusammenarbeit mit Rechtsanwälten erstellen lassen und auf sämtliche regulatorischen Erfordernisse abgeklopft. An der dasErtragReich Management GmbH gefällt ihm, dass ausschließlich bestehende KMUs für die Plattform ausgewählt werden. Bei echten Start-ups sei die Gefahr einer Ausfallsquote höher, sie seien daher als Beraterprodukt wenig geeignet. Bei aller Euphorie sollte man nicht vergessen, dass eine innovative, tolle Idee nicht zwangsläufig langfristigen wirtschaftlichen Erfolg bedeutet.