Der ungehobene Schatz der heimischen Firmen
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FINANCENET Redaktion 10.11.2023

Der ungehobene Schatz der heimischen Firmen

Mit der akkuraten Verwendung von Kundenfeedback und besserem Service lässt sich das Geschäft boosten.

••• Von Reinhard Krémer

Banken und Versicherungen investieren Millionenbeträge in ihre Digitalisierung und den Kundenservice, aber nur ein Drittel der Kunden bescheinigt ihnen Verbesserungen im Vergleich zu vor fünf Jahren. Dies ist das ernüchternde Ergebnis einer aktuellen Studie der Unternehmensberatung Eurogroup Consulting (EGC), für die jeweils 1.000 Bank- und Versicherungskunden in Österreich befragt wurden. Einer der Gründe dafür: Die Unternehmen holen das Feedback ihrer Kunden nicht ein und können somit auch nicht daraus lernen.

So wurden laut der Umfrage lediglich 23% der Bank- und 28% der Versicherungskunden nach ihrem letzten Kontakt um Feedback gebeten. Und das, obwohl diese durchaus bereit sind, von ihren Erfahrungen zu berichten: 89% der Befragten würden laut der Studie Feedback geben – und das nicht nur mittels Sternchen oder Schulnote. Vier von zehn Befragten würden eine ausführliche Bewertung in eigenen Worten formulieren.

Wettbewerbsvorteile verspielt

„Unternehmen, die das Feedback ihrer Kunden nicht einholen, verspielen entscheidende Wettbewerbsvorteile”, erklärt Rainer Schamberger, Partner und Geschäftsführer bei EGC. „Kontinuierlich Rückmeldungen zu erfragen, ist essenziell, um die eigenen Prozesse und Leistungen den sich ändernden Umständen anzupassen.”

Und nur mittels Kunden-Feedback lasse sich gezielt an bestehenden Schmerzpunkten der Kunden arbeiten und wirklicher Mehrwert schaffen. In Bezug auf den Service sei dies umso wichtiger, als sich die Finanzprodukte selbst kaum noch voneinander unterscheiden würden und der Kundenservice daher die entscheidende Rolle bei der Anbieterauswahl spiele. Schamberger: „Exzellenter Kundenservice ist eines der wichtigsten Differenzierungspotenziale, doch nur die wenigsten Unternehmen schaffen es, ihre Kunden wirklich zu begeistern.”
Auch hierfür liefert die Studie konkrete Zahlen. So sind nur 19% der Kunden vom jüngsten Kontakt mit ihrer Bank, Sparkasse oder Versicherung begeistert. Da hilft es auch nicht, dass die Mehrheit von 73% der Befragten zufrieden ist. Denn, so Schamberger: „Begeistert ist das neue Zufrieden.”
FinTechs sowie BigTechs wie Amazon und Apple würden extrem hohe Maßstäbe im Hinblick auf schnelle und reibungslose Abläufe setzen. „Wer nicht mithalten kann, verliert insbesondere die jungen Zielgruppen.” Zudem würden die Unternehmen in diesem Fall auf ein wichtiges Marketinginstrument verzichten. Denn wer begeistert sei, erzähle dies weiter.

Geschwindigkeit ist Trumpf

Eine besonders wichtige Voraussetzung für Begeisterung ist laut der Studie die Geschwindigkeit, an die Kunden hohe Ansprüche stellen. So erwartet der Großteil von ihnen bei einer Informationsabfrage innerhalb von 24 Stunden eine Antwort. Wird die Anfrage über die App gestellt, gilt dies bei Banken für 82% und bei Versicherungen für 78% der Befragten. Bei einer Vertragsänderung liegen die Erwartungen an die Geschwindigkeit nur minimal darunter. Wichtig im Hinblick auf begeisterte Kunden ist jedoch auch eine freundliche und kompetente Beratung – und das nicht nur auf digitalem Wege.

Denn auch wenn die digitalen Kanäle wie E-Mail, Unternehmenswebsite oder App laut der Umfrage mehrheitlich akzeptiert sind und in Zukunft noch stärker gefragt sein werden, bezeichnen sich lediglich 38% der befragten Bankkunden als „digitale Kunden”, die ihre Bank am liebsten online kontaktieren. Bei Versicherungen sind es sogar nur 16%.

Die Jungen suchen Kontakt

Insbesondere auch junge Kundengruppen suchen den persönlichen Kontakt: Auch bei Banken und Sparkassen bezeichnen sich die 16- bis 24-Jährigen nur zu knapp einem Viertel als digitale Kunden, bei Versicherungen sind es sogar nur 18% .

„Die persönliche Betreuung bleibt ein entscheidendes Element in der Gestaltung des Kanalmixes”, folgert Hermann Sgardelli, Principal bei Euro-group Consulting.
Ein weiterer Punkt, in dem sich Banken und Versicherungen deutlich verbessern können, sind ihre Marketingkampagnen, die vor allem dann Erfolg versprechen, wenn Kunden maßgeschneiderte Angebote erhalten: 81% der Befragten erklären, dass sie nie, selten oder manchmal personalisierte Werbung erhalten. Lediglich 19% der Befragten geben zu Protokoll, nahezu immer individuell angesprochen zu werden. Positiv für die Banken und Versicherungen:

Mailkontakt ist erwünscht

Eine UWG-Einwilligung, die zur Zusendung von Werbung ebenso wie zum Einholen von Feedback benötigt wird, sind Kunden bei Banken und Versicherungen zu rund 77% bereit zu geben, mit Abstand am häufigsten, wenn es um die Kontaktaufnahme per Mail geht.

„Ob man es Customer Centricity, Kundenfokussierung oder Customer Experience Management nennt: Es geht darum, den Kunden konsequent in den Mittelpunkt zu stellen”, sagt Sgardelli. Banken und Sparkassen ebenso wie Versicherungen hätten großen Nachholbedarf – auch bei der Nutzung vorhandener Daten.

Daten lagern in Silos

Oftmals würden diese in Silos lagern, statt dass sie für die maßgeschneiderte Kundenansprache genutzt werden. Idealerweise würden Banken, Sparkassen und Versicherungen ihren bisherigen Reifegrad in Bezug auf Kundenzentrierung bestimmen und konkrete Projekte zur Verbesserung der Customer Experience starten.

An der EGC-Bankkundenstudie haben insgesamt 2.000 Kunden, jeweils 1.000 Bank- und 1.000 Versicherungskunden, aus Österreich teilgenommen. Die Online-Umfrage wurde im Frühjahr 2023 durchgeführt.

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