Durchhängen lassen ist gerade jetzt keine Option
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FINANCENET Redaktion 12.11.2021

Durchhängen lassen ist gerade jetzt keine Option

Studie zeigt: Die europäischen Banken stehen vor einer ihrer größten Transformationsphasen.

••• Von Reinhard Krémer

Durch ihre Erfahrungen aus der letzten Finanzkrise und entsprechende Risikovorsorge konnten europäische Institute die heiße Phase der Covid-19-Pandemie erfolgreich meistern. Dabei haben auch staatliche Eingriffe und eine Reihe von Sondermaßnahmen der Zentralbanken geholfen.

Zeit sich auszuruhen, bleibt jedoch nicht. Um langfristig gegenüber der internationalen Konkurrenz bestehen zu können, ist eine tiefgreifende Neuausrichtung dringend erforderlich, wie die aktuelle Studie „Transforming European Banks” von PwC und Strategy&, der Strategieberatung von PwC, zeigt.

Dolce Vita in Europa

Das aktuelle europäische Bankenumfeld wird durch boomende Märkte, eine niedrige Anzahl an Kreditausfällen und zudem durch einmalige Effekte wie die begünstigten Finanzierungsbedingungen seitens der EZB befeuert.

Die positiven Ergebnisse des EZB-Stresstests verzerren das Bild, da die wirkliche Herausforderung nicht im makroökonomischen Umfeld, sondern in den zu transformierenden Geschäftsmodellen der Banken liegt. Das Kurs-Buchwert-Verhältnis europäischer Banken liegt mit 0,6 bis 0,8 deutlich geringer im Vergleich zu Akteuren in den USA und Asien.

Die Lücke rasch schließen

Das bedeutet für europäische Institute ein erhebliches ungehobenes Wertpotenzial: Mit einer Annäherung an das Niveau der US-Banken könnte die Marktkapitalisierung börsenotierter europäischer Banken um bis zu 600 Mrd. € steigen.

Europäische Banken müssen schnellstmöglich beginnen, die seit Langem klaffende Lücke zwischen ihren Erträgen und den Kapitalkosten zu schließen, indem sie insbesondere ihr Aufwand-Ertrags-Verhältnis (Cost-to-Income Ratio, CIR) durch bessere Skalierungsmöglichkeiten optimieren. Dies kann durch Fusionen erleichtert werden.

Marktanteile gehen verloren

Bei einer größeren konsolidierten Einheit lassen sich auch dringend erforderliche Investitionen in die technologische Neugestaltung spürbar leichter tragen.

Denn BigTech-Unternehmen und kleinere FinTechs haben den etablierten Banken bereits erhebliche Marktanteile abgenommen. Um die eigenen Plattformen weiter zu digitalisieren und die IT-Systeme zu modernisieren, sollten Banken ihr Geschäft mithilfe des Einsatzes von Clouds flexibler, sicherer und vor allem skalierbar machen. Durch schlankere und datenreiche IT-Plattformen können außerdem die Kundenanforderungen besser antizipiert werden, um maßgeschneiderte und hochgradig relevante Dienstleistungen anzubieten.

Radikaler Umbau nötig

„Europäische Banken sollten einen radikalen Umbau ihrer Geschäftsmodelle anstreben. Mit besser skalierbaren Plattformen können Banken mehr Geschäft zu niedrigeren Kosten realisieren. Gleichzeitig gehört zur umfassenden Neuausrichtung des Geschäftsmodells auch, das Thema Nachhaltigkeit konsequent in den Fokus zu nehmen. Banken sollten entsprechende Kriterien nicht nur aufgrund des regulatorischen Drucks als Hebel erkennen, um sich global an die Spitze der Bewegung zu setzen und dadurch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Instituten aus den USA und Asien zu erarbeiten”, sagt Philipp Wackerbeck, Strategy&.

Schlüsselrolle bei Klimazielen

Denn auf dem Weg der EU-Kommission zur angestrebten Klimaneutralität bis 2050 kommt den Banken der Eurozone eine wichtige Schlüsselrolle als Finanzintermediäre zu, diesen Übergang aktiv mitzugestalten.

Sie finanzieren die Nachhaltigkeit ihrer Kunden und sind somit unmittelbar an der Erreichung der Klimaziele beteiligt. Ein flexibles Technologiesystem ist eine wesentliche Voraussetzung für Banken, um die kommende Welle von ESG-Anforderungen seitens der Stakeholder zu erfüllen und für ihre Kunden neue, grüne Produkte zu entwickeln – neben ihrer eigenen ESG-Neuausrichtung.

40% Ersparnis sind drin

Nach den aktuellen Berechnungen von PwC und Strategy& ließen sich die operativen Kosten von Banken innerhalb von drei bis vier Jahren um bis zu 40% reduzieren, wobei die meisten Ergebnisse bereits in den ersten zwei bis drei Jahren erzielt werden können: Kurzfristig durch taktische und schnell umsetzbare Maßnahmen (fünf bis zehn Prozent), mittelfristig durch die selektive Straffung des Geschäftsmodells zur sukzessiven Steigerung der Profitabilität einzelner Geschäftszweige (15–20%) und langfristig durch eine radikale Neukonzeptionierung des Geschäftsmodells (30–40%).

„Der Weg aus der strukturellen Abhängigkeit von Zinsmargen liegt in der Umverteilung knapper Ressourcen auf profitable Segmente und der nachhaltigen Verbesserung der Eigenkapitalrendite. Das erhöht gleichzeitig die Erfolgschancen bei wichtigen strategischen Fusionen”, sagt Roland Schöbel, PwC Österreich.

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