So geht es der rot-weiß-roten Finanzbranche
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FINANCENET Redaktion 30.04.2021

So geht es der rot-weiß-roten Finanzbranche

Studie zeigt: Der Sektor hat rasch auf die Krise reagiert und neue, zukunftsfitte Strukturen geschaffen.

••• Von Reinhard Krémer

WIEN. Im Rahmen einer qualitativen Studie wurden vom Finanz-Marketing Verband Österreich (FMVÖ) in Zusammenarbeit mit Telemark Marketing und EFS Consulting Experten-Interviews mit Vorständen sowie Bereichs- und Filialleitern von 17 Banken und 13 Versicherungen geführt. Im Zentrum stand die Frage, wie Banken und Versicherungen Covid-19 für Veränderungen genutzt haben.

Bei den befragten 17 österreichischen Banken wurden rasch Rahmenbedingungen geschaffen, um bestehende Video-Tools und gesicherte Mailbox-Verbindungen intensiver für die Kundenkommunikation anbieten zu können.

Change is good

Für einen Teil der Befragten war dabei die plötzliche Entschlossenheit interner Abteilungen zur Vereinfachung von bis dato unabänderlichen Abwicklungsprozessen besonders erfreulich. „Aber so selbstverständlich der Einsatz von Videotools bei internen Meetings geworden ist, so überraschend gering ist die Akzeptanz bei Kunden, wenn es um Bankprodukte und Beratung geht. Selbst bei Jüngeren werden reine Onlineprodukte, Chats oder Robo-Advisor noch wenig nachgefragt”, sagt FMVÖ-Vorstand Werner Schediwy. Werden indes interne Experten zu Gesprächen in der Filiale per Videocall dazugeschaltet, begrüßen das Kunden und Filialberater gleichermaßen.

Noch Spielraum nach oben

Video-Ident-Verfahren und elektronische Signaturen werden hier jedoch in naher Zukunft die Abschlussmöglichkeiten bei Neukunden weiter verbessern. Wie einer der befragten Experten erklärte, gibt es derzeit aber noch „Spielraum für Verbesserungen im täglichen Betrieb”.

Trotz aller Digitalisierungsschritte werden die Kundenbetreuer laut einer Mehrheit der Befragten auch in Zukunft eine zentrale Rolle in der Beratung spielen, wie es einer auf den Punkt bringt: „Durch die ständige Nabelschau des Prozessmanagements wird die ‚Net-Client-facing-Time' mittelfristig verdoppelt.”
Oder anders gesagt: Der Kundenbetreuer wird zum Finanzmanager, der durch digitalisierte und automatisierte Abwicklungen mehr Zeit für Kunden bekommt. Daneben werden gerade mit Hochdruck nahezu alle Produkte onlinefähig gemacht. Noch stärker als bei den Banken setzen die Versicherungen auf den persönlichen Kontakt. Nachdem der persönliche Kontakt der Außendienstmitarbeiter, Makler und Agenten zu ihren Kunden nur eingeschränkt – vor allem über Telefon in Kombination mit E-Mail und nur zu einem geringen Prozentsatz über Videotools – möglich war und ist, erwarten die Experten eine noch offensivere persönliche Kundenbetreuung nach Ende der Kontaktbeschränkungen.

Online ist nicht sehr gefragt

Online-Abschlüsse bei Versicherungen sind im Gegensatz zu anderen Branchen während der Covid-19 Krise nur in geringem Ausmaß angestiegen.

Zu einem deutlichen Entwicklungsschub kam es in nahezu allen Instituten bei der Digitalisierung von Prozessen im Kundenkontakt. So wurden in den meisten Unternehmen (weitere) Schritte zu einer Online-Schadenseinreichung und ‑Bearbeitung gesetzt; nach Ansicht der Experten liegt in diesem Bereich nach wie vor großes Optimierungspotenzial für die Versicherungen. Die Pandemie hat die Entwicklungen in vielen Fällen beschleunigt.

Nachhaltigkeit im Fokus

Der nachhaltige Einsatz von eigenen Ressourcen der Institute und die verantwortungsvolle Veranlagung von Kundengeldern gewinnt weiter an Bedeutung – trotz oder gerade wegen Covid-19. Wie die Experten unisono erklärten, war die Kundennachfrage noch nie so groß. Nahezu alle Bank- und Versicherungs­institute bilden daher ihre Nachhaltigkeitsbemühungen in ihrer Organisation ab oder verstärken sie gerade. Bei der Remote-Arbeit haben die Umstände aus 2020 einen Handlungsdruck erzeugt und es wurde in kürzester Zeit das geschafft, was in vielen Digitalisierungsinitiativen zuvor nicht erreicht wurde. Moderne Informationstechnologien haben es erlaubt, Prozesse dezentral ablaufen zu lassen. Allerdings wird bei Kultur und Führungsstil von den Befragten selbst noch hohes Potenzial gesehen.

Der Mut zur Lücke

Eine entscheidende Rolle sehen die befragten Bank- und Versicherungsexperten in den Führungspersonen ihrer Institute. Deren Verantwortungsumfang habe sich erweitert, daher brauche es ausgewogene und zeitgemäße Führungsstile, die verbinden können müssen.

Sie sollten mit gutem Beispiel vorangehen und gegenüber Veränderung offen sein. Es bedürfe mehr Empathie, Flexibilität, Offenheit, Reflexion, Vertrauen und Mut zur Lücke. Die daraus resultierende Unternehmenskultur würde einen Wettbewerbsvorteil darstellen, der auch durch die breite Masse der Mitarbeitenden getragen wird.
Fazit: Die heimische Finanzbranche sieht sich für die Zukunft gerüstet und blickt optimistisch in die Zeit nach Corona.

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