••• Von Martin Rümmele
BRÜSSEL/WIEN. Monatelang haben Pharmalobbyisten auf der einen Seite und solche von Krankenversicherungen und Gesundheitsbehörden auf den anderen Seiten gerungen über eine neue Arzneimittelstrategie der EU. Mehrmals wurden angekündigte Termine verschoben. Einig war man sich vor allem darüber, dass es Neuerungen braucht, denn die alte Strategie ist 20 Jahre alt. Einig war man sich auch, welche Probleme gelöst werden sollen: Lieferengpässe, Zulassungsregelungen und der Umgang mit neue, teuren Medikamenten.
Kritik von Industrie
In der Vorwoche wurde der Plan nun von der EU-Kommission vorgestellt – und Brüssel setzt der Industrie in einigen Bereichen das Messer an. Entsprechend wenig begeistert zeigt sich die Branche. Der Präsident des Europäischen Pharmaverbands (EFPIA), Hubertus von Baumbach, warnte, dass die Vorschläge die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie gefährdeten. Auch aus Österreich kommt heftige Kritik: „Statt Forschungs- und andere Anreize für ein Mehr an Arzneimitteln, einen schnelleren wie breiteren Zugang zu Medikamenten und eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas zu setzen, verfolgen die Verordnungsentwürfe das Gegenteil. Sie zwängen die pharmazeutische Branche in ein Korsett aus Restriktionen und Verschärfungen”, kritisiert der heimische Pharmaverband Pharmig. Die für sich stehenden Bereiche Marktzugang und Anreize würden im vorgelegten Text derartig miteinander verwoben, dass Vorgaben für Firmen nicht umsetzbar sind und es unattraktiv gemacht wird. Sylvia Hofinger, Geschäftsführerin des Fachverbandes der Chemischen Industrie Österreich in der WKO sieht sogar eine vertane Chance. „Die Vorhaben werden Investitionen in innovative Arzneimittel eher verhindern, statt sie zu forcieren.”
Doch welche EU-Vorschläge konnte die Branche nicht verhindern? Geplant sind vor allem Änderungen beim Patentschutz. Damit Generika in der EU schneller auf den Markt kommen, sollen die Entwickler der Originalmedikamente einen kürzeren Schutz für ihre neuen Mittel bekommen. Dafür gibt es aber Zuckerl. Konkret plant die EU, eine Liste besonders wichtiger Präparate anzulegen. Schwachstellen in den Lieferketten dieser Medikamente sollen angegangen werden. Unternehmen sollen verpflichtet werden, Versorgungslücken und den Rückruf von Medikamenten früher zu melden sowie Vorsorgepläne zu erstellen. Die EU-Kommission will zudem sicherstellen, dass Medikamente in Zukunft zeitgleich in allen EU-Staaten auf den Markt kommen. Zugleich will man gegen Antibiotikaresistenzen vorgehen.
Lob vom Großhandel
Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides betonte, dass derzeit in östlichen EU-Staaten nur 10% der verfügbaren Medikamente wirklich zugänglich seien. Dafür soll die Zulassungsbehörde EMA schneller werden: So wird sie für die Bewertung von Medikamenten in Zukunft 180 statt 210 Tage Zeit haben. Für die Zulassung will die EU 46 statt 67 Tage zur Verfügung stehen. All dies soll die derzeitig durchschnittliche Dauer von 400 Tagen zwischen Antragstellung und Marktzulassung reduzieren. Drittens soll der Verwaltungsaufwand verschlankt werden. Die Kommission schlägt weiters vor, die Entwicklung neuer Antibiotika attraktiver zu machen. Konkret könnten Firmen, die ein Präparat herstellen, künftig einen Gutschein über den Schutz der Daten eines Medikaments – also eines Monopols – für ein weiteres Jahr erhalten. Das wiederum kann auch für andere Produkte verwendet oder an andere Firmen verkauft werden.
Zustimmung kommt vom Verband der Arzneimittel-Vollgroßhändler (Phago); dort begrüßt man die geplante Verpflichtung zur bedarfsgerechten Belieferung durch die Hersteller.