„Brauchen eine Strategie”
© Katharina Schiffl
Forschung Elisabeth Keil, Geschäftsführerin von Daiichi Sankyo und Vizepräsidentin der Pharmig, will von der neuen Regierung ein Bekenntnis zu öffentlicher Forschung.
HEALTH ECONOMY Redaktion 17.01.2025

„Brauchen eine Strategie”

Die Pharmawirtschaft sieht sich als Wachstumsmotor, gerade in Krisenzeiten, und fordert eine Life Science-Strategie für Österreich.

••• Von Martin Rümmele

WIEN. Wissenschaftsfeindlichkeit, Spardruck, Standort – medianet sprach zum Jahresbeginn mit den Spitzen der Pharma­branche, der Vizepräsidentin der Pharmig, Elisabeth Keil (Daiichi Sankyo) und Generalsektretär Alexander Herzog.

medianet:
Welche Wünsche haben Sie an eine neue Regierung?
Alexander Herzog: Wir wünschen uns eine Life Science-Strategie für Österreich ohne zeitliche Beschränkungen wie beim Preisband und mit Planbarkeit. Es geht darum, Investitionen nach Österreich zu locken. Und es braucht eine Indexierung für Arzneimittel im Niedrigpreissegment sowie eine Forschungsförderung. Wir müssen auch die Potenziale der Digitalisierung nutzen, etwa im Hinblick auf eine bessere Nutzung der anonymisierten Gesundheitsdaten.
Elisabeth Keil: Es braucht zudem eine Modernisierung bei der Erstattung, damit Medikamente rasch bei den Menschen ankommen. Der Antrag eines Präparates in den Erstattungskodex der Sozialversicherung ist heute langwierig und mit einigen Hürden versehen, so werden etwa Ärzte durch Verschreibungsregeln über die zugelassene Indikation hinaus therapeutisch eingeschränkt. Oft wird das Korsett noch enger geschnürt und der Arzt in der Therapiefreiheit eingeschränkt. Beim Bewertungsboard ist die Sorge, dass ökonomische Kriterien für Krankenhaus- und Schnittstellenprodukte doch wieder eine Rolle spielen.
Herzog: Österreich hatte bis zum Bewertungsboard einen sehr guten internationalen Ruf in Bezug auf die rasche Verfügbarkeit für die Menschen. Den droht man zu verspielen.

medianet: Wie wird die Branche in der Politik wahrgenommen?
Keil: Die Life Science Branche ist ein Wachstumsmarkt mit großem Potenzial für unsere Wirtschaft. Ich würde mir wünschen, dass das anerkannt wird, statt stets nur den Kostenfaktor in den Mittelpunkt zu rücken.
Herzog: Wir hatten immer gute Gespräche mit dem Wirtschaftsministerium. Dort erleben wir hohe Wertschätzung. Bürokratieabbau und Lohnnebenkosten sind auch für uns ein Thema. Wir können Produkte ja nicht automatisch an die Inflation anpassen. Man könnte aber mehr tun und uns fragen, was es braucht, damit mehr investiert wird. Da geht noch was. In der Gesundheitspolitik werden wir nur als Kostenfaktor wahrgenommen.
Keil: Es geht nur um niedrige Preise. Hier ist neue Regierung aufgerufen, eine differenzierte Betrachtung vorzunehmen. Zahlen und Kosten sind nicht immer transparent, und Rückzahlungen der Unternehmen an die Sozialversicherung werden nicht wirklich dargestellt.

medianet:
Blüht Pharma das Schicksal der Autoindustrie?
Herzog: Es ist wichtig, auf den Forschungsstandort Europas aufzupassen. Hier stagnieren die Aktivitäten und in China und den USA steigen sie sehr stark. Solange mit Ideologien und Weltanschauungen Gesundheitspolitik gemacht wird, gehen wir den Bach hinunter.

medianet:
Wie beurteilen Sie die Wissenschaftsfeindlichkeit?
Herzog: Ich glaube die Leute verstehen Forschung, wenn sie sehen, was sie bringt. Hier kann eine neue Regierung viel tun, indem sie aktiv dazu beiträgt. Ob das die Regierung will, werden wir sehen. Die Parteiprogramme lassen nicht darauf schließen.

medianet: Forschungsinstitute und Unis leben von öffentlichen Förderungen. Was passiert, wenn eine Regierung hier spart?
Herzog: Das halte ich für brandgefährlich. Man muss sich fragen, was sind Aufgaben von Staat und Unternehmen? Unternehmen machen ein Produkt marktreif. Sie holen das aber nicht einfach ab, sondern schließen Verträge und kommerzielle Vereinbarungen. Wir leisten maßgebliche Beiträge zur Universitätsfinanzierung. Wir brauchen die unabhängige Forschung.
Keil: Ich warne davor, dass der Staat sich zurückzieht und das der Privatwirtschaft überlässt.

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