Brexit als Risiko
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Jedes fünfte neue Arzneimittel für die EU wurde bisher in Großbritannien getestet; mit dem Brexit könnte es Probleme geben.
HEALTH ECONOMY Redaktion 06.04.2018

Brexit als Risiko

Pharma- und Chemieexperten warnen vor einer ­Zulassungslücke nach dem EU-Austritt der Briten.

WIEN. Ein Jahr nach dem Brexit-Antrag Großbritanniens warnen die deutsche und österreichische Chemie- und Pharmabranche vor einem unkontrollierten EU-Austritt des Landes. Ein „harter Brexit” würde die Schlüsselindustrie besonders hart treffen, erklärte Utz Tillmann, Hauptgeschäftsführer des deutschen Branchenverbands VCI. Ähnliches betonte zuletzt bei einem Vortrag auch die Geschäftsführerin der heimischen AGES Medizinmarktaufsicht und Vorsitzende des EMA Management Boards, Christa Wirthumer-Hoche.

Komplexe Zulassungen

Sie warnte Unternehmen und Kassen davor, auf den Tag X des Austritts zu warten. Dann wären nämlich alle auf Großbritannien kommenden Produkte, Arzneimittel oder Medizinprodukte wie aus einem Drittstaat und müssten so entsprechend komplizierte Zulassungen durchlaufen. Das könnte in einigen Bereichen auch zu Versorgungsengpässen mit wichtigen Produkten führen.

„Plötzlich fehlende Registrierungen oder Zulassungen für chemische und pharmazeutische Produkte aus Großbritannien würden zahlreiche Lieferketten mit einem Schlag zum Erliegen bringen”, warnte Tillmann. Vor den Folgen eines harten Brexit für die Pharmabranche hatte jüngst auch Merck-Chef Stefan Oschmann gewarnt. So liege die Qualitätskontrolle von Arzneien größtenteils in Großbritannien. Selbst die Versorgung von Patienten sei im Ernstfall gefährdet. Pro Monat würden 45 Mio. Packungen Medikamente aus Großbritannien in die EU gebracht, 35 Mio. gingen umgekehrt auf die Insel.

Österreich vorbereitet

Grund für die Sorgen ist die Regelung, dass alle Zulassungsverfahren für neue Arzneien, die von der britischen Arzneimittelbehörde bearbeitet werden, bis Ende März 2019 abgeschlossen sein müssen. Mit dem Austritt Großbritanniens, das bisher jedes fünfte neue Arzneimittel für die EU getestet hat, entfällt die gegenseitige Anerkennung, laufende Verfahren können nicht mehr beendet werden.

Die Folge könnte Mehrarbeit für nationale Behörden sein, schätzen Branchenbeobachter. Wirthumer-Hoche sieht die AGES dafür allerdings gut gerüstet. (rüm)

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