EU-Arzneimittel-Behörde soll von London nach Wien
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HEALTH ECONOMY Ina Karin Schriebl 01.07.2016

EU-Arzneimittel-Behörde soll von London nach Wien

Die Pharmaindustrie fordert, dass die EMA und ihre 800 Mitarbeiter nach Wien kommen. Denn auch die EMA-Chefin ist aus Österreich.

••• Von Ina Karin Schriebl

WIEN. Nach der Brexitabstimmung der Briten beschäftigt Gesundheitspolitiker und Pharmaunternehmen in ganz Europa vor allem eine Frage: Wohin geht die in London sitzende, gewichtige Arzneimittelbehörde EMA, die zuständig ist für europaweite Arzneimittel­zulassungen? Die European Medical Agency EMA beurteilt und überwacht Medikamente und spielt eine zentrale Rolle in der Arzneimittelzulassung; sie sitzt ausgerechnet in London. Das weckt Begehrlichkeiten, wie das Wall Street Journal und deutsche Medien berichten. Angeblich sollen sich Dänemark, Schweden, Deutschland und Italien für die Agentur mit rund 800 Mitarbeitern interessieren – nicht zuletzt, weil zu erwarten ist, dass mit der Agentur auch Hunderte Pharmalobbyisten umziehen dürften.

Gute Karten für Wien

Bisher international noch kaum benannt, aber gute Karten hat auch Österreich als möglicher Standort – nicht zuletzt, weil die Vorsitzende des EMA Management Board die Geschäftsfeldleiterin der österreichischen AGES Medizinmarktaufsicht, Christa Wirthumer-Hoche ist. Sie hält sich auf medianet-Anfrage bedeckt, wohin die EMA wandert. Das entscheide die European Council; die Diskussion, dass Wien der neue Standort der EMA sein könnte, gehe nur in Richtung Vermutungen, sagt sie.

Viel deutlicher wird hingegen der Branchenverband Pharmig. Generalsekretär Jan Oliver Huber fordert, dass Wien neuer EMA-Standort wird. „Wien ist dafür der beste Platz. Es ist eine lebenswerte Stadt mit ausgezeichneten wissenschaftlichen Rahmenbedingungen. Wir haben mit dem AKH die größte Klinik Europas in der Stadt.” Dazu käme eine wachsende Zahl internationaler Mediziner-Kongresse. „Wir haben ausgezeichnete Forschungseinrichtungen und Pharmaunternehmen und eine wachsende Zahl klinischer Studien”, sagt Huber und erinnert zudem daran, dass Wien große Erfahrung mit internationalen Einrichtungen hat. Von den dezentralen EU-Agenturen ist bisher allerdings nur die kleine Agentur FRA in Wien.

Kampf um EMA

Die Chancen stehen also nicht schlecht; zwar wollen auch Deutsche und Skandinavier, Dänen und Italiener die EMA, doch die haben bereits wichtige EU-Einrichtungen und Deutschland könnte zudem von London die Bankenaufsicht erben. Nicht zuletzt deshalb betonte gestern, Donnerstag, auch Finanzminister Hansjörg Schelling, dass er sich für Wien als EMA-Standort stark machen will.

Für Schweden als künftigen Sitz des Medizin-Regulierers spräche, dass die dortige nationale Arzneimittelagentur schon häufiger den Vorsitz über Zulassungsprüfungen von Arzneimitteln in der EU hatte. „Es geht um Prestige und um ein positives Signal an die Pharmaindustrie”, sagte Anders Blanck, Chef des obersten schwedischen Pharmaverbands, gegenüber den dortigen Medien. Gegen Dänemark spricht, dass es dort EU-Austrittsbewegungen gibt. Bliebe Italien. Luca Pani, Chef der italienischen Arzneimittelregulierungsbehörde, sagte: Gerade weil sein Land keinen Pharmariesen beherberge, sei es prädestiniert als Sitz für die EMA. Allerdings sei Italien ein wichtiges Herstellungsland vieler multinationaler Arzeimittelkonzene und – pro Kopf gerechnet – der größte Medikamentenexporteur der Welt.
Egal für welches Land die Entscheidung fällt, ein Umzug werde eine „schmutzige Angelegenheit”, sagte Richard Bergström, Chef des Europäischen Pharmaverbands. Eine riesige Zahl von Spezialisten könnte die Agentur verlassen, falls sie in ein anderes Land gehe.

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