WIEN. In die Umsetzung der Gesundheitsreform und die Entlastung der teuren Krankenhausambulanzen kommt nun doch Bewegung. Die Primärversorgung in der Bundeshauptstadt wird auf neue Beine gestellt – darauf haben sich alle Beteiligten geeinigt. Ziel der Neuregelung ist, die medizinische Versorgung in Wohnortnähe anbieten zu können. Berücksichtigt werden dabei unter anderem das Bevölkerungswachstum und der Versorgungsbedarf. Erste Planungsergebnisse sollen in den kommenden Wochen vorliegen.
Neues Versorgungszentrum
Parallel bekommt die Bundeshauptstadt – nach dem Pionierprojekt in Mariahilf – ein zweites Primärversorgungszentrum (PHC) beim Krankenhaus SMZ Ost. Nach einer äußerst langwierigen Suche hat sich nun ein entsprechendes Ärzteteam als Betreiber gefunden. Der endgültige Zuschlag steht noch aus, der Start ist für Herbst geplant. Den neuen Standort werden drei Allgemeinmediziner gemeinsam betreuen. Darüber hinaus sollen Sozialarbeiter, Physiotherapeuten und Pflegepersonal das Angebot ergänzen. Dank längerer Öffnungszeiten – vorgesehen sind 50 Stunden pro Woche, darunter auch an den Tagesrandzeiten – soll die Einrichtung die Spitalambulanzen entlasten.
Ursprünglich hätte das Projekt im 22. Bezirk bereits im Vorjahr eröffnen sollen. Der Plan scheiterte allerdings, da sich keine Bewerber gefunden haben – was nun doch noch gelungen ist. Die Kasse sieht die Gründe für das endenwollende Interesse einerseits darin, dass man sich bereits bei der Ausschreibung als Dreier-Team bewerben und damit ein gemeinsames wirtschaftliches Risiko eingehen musste und der Pilotversuch vorerst auf fünf Jahre begrenzt ist. Andererseits gebe es, da das PHC-Gesetz nach wie vor auf sich warten lasse, keine endgültige Rechtssicherheit und finanzielle Sicherheit über den Versuchszeitraum hinaus, gibt die WGKK zu bedenken. Laut der Krankenkasse sind mittelfristig zwei weitere PHC-Standorte in Wien geplant. Sie gehe davon aus, dass man bald ein gemeinsames zukunftsfähiges Finanzierungsmodell in Wien auf die Beine stellen werde, betont WGKK-Obfrau Ingrid Reischl.
Durch die PHC und die nun auch mit der Stadt Wien und der Ärztekammer fixierte Neuorganisation der Primärversorgung wolle man die Versorgung im niedergelassenen Bereich stärken, sagt Reischl. Und weiter: „Der Ausbau der PHC-Zentren ist ein Gewinn für beide Seiten: Zum einen erhalten die Patienten auch an Tagesrandzeiten umfangreiche Betreuung, und zum anderen verbessert sich das Arbeitsumfeld der Ärzte. Sie können, da sie im Team zusammenarbeiten, die Fälle gemeinsam besprechen und auch die Arbeitszeiten nach ihren Bedürfnissen gestalten.”
Bessere Verträge für Ärzte
Um dieses Ziel zu erreichen, wird bestehenden Vertragsgruppenpraxen für Allgemeinmedizin, die aus zwei Gesellschaftern bestehen, angeboten, ihre Praxis zu erweitern. Wird dieses Angebot angenommen, soll es nach einer kurzen Etablierungszeit möglich sein, die Praxis in ein Primärversorgungszentrum aufzuwerten. Sollte eine schon jetzt bestehende Dreier-Gruppenpraxis umsteigen wollen, soll das durch einen Einzelvertrag mit besonderem Inhalt möglich sein.
Reischl zeigte sich zuversichtlich, dass die Pläne rasch umgesetzt werden. „Seitens der Ärzteschaft wurde bereits Interesse bekundet; ich bin daher optimistisch, dass es in absehbarer Zeit zur Eröffnung weiterer Primärversorgungszentren kommen wird.”
Die Einigung löste innerhalb des Gesundheitswesens überwiegend positive Reaktionen aus. Robin Rumler, Präsident der Pharmig, begrüßte den Vorstoß: „Mit diesem gemeinsamen Fahrplan von Ärzteschaft, Stadt Wien und Gebietskrankenkasse wird nun endlich ein konkreter Weg beschritten, die Gesundheitsversorgung auszubauen und an die Patientenbedürfnisse anzupassen. Der Konsens zwischen den Partnern des Gesundheitswesens wird sich in einem hohen Patientennutzen auswirken.”
Die Neugestaltung der Versorgung im niedergelassenen Bereich sei eine Notwendigkeit, um die Effizienz im Gesundheitswesen zu erhöhen. „Eine verbesserte Zusammenarbeit zwischen den einzelnen medizinischen Disziplinen, leichterer Zugang zu den Angeboten und das Schaffen von Synergien sind wesentliche Maßnahmen, die die Patienten auch unmittelbar wahrnehmen”, sagt Rumler. Dazu brauche es auch ein adäquates, langfristig ausgerichtetes Finanzierungsmodell.
Aufatmen bei Ministerin
Die Einigung sei ein Beispiel dafür, wie die Gesundheitsreform mit Leben erfüllt werde und zeige, „dass der Weg der Zusammenarbeit, der mit der Gesundheitsreform begonnen wurde, zu Erfolgen führt”, freute sich auch Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser. „Dass auch die Ärztekammer bei der neuen Primärversorgung an Bord ist, werte ich als ein positives Zeichen für die laufenden Verhandlungen über ein Primärversorgungsgesetz”, betonte Oberhauser. (red/APA)