••• Von Evelyn Holley-Spiess
In gewisser Weise könnte Österreich demnächst wieder von der Pandemie eingeholt werden: „Corona und die Corona-Maßnahmen haben das Leben der Österreicher in allen Lebensbereichen mehr als drei Jahre massiv beeinflusst und eine Reihe von Schäden verursacht”, heißt es im Wahlprogramm der FPÖ aus dem Vorjahr. Und weiter: „Wir treten für die Einführung eines Hilfsfonds für Corona-Folgen nach dem Beispiel Niederösterreichs ein.” Dort bestünde seit 2023 die Möglichkeit, einen Antrag auf eine einmalige Geldleistung im Zusammenhang mit Impfbeeinträchtigungen, „Long-Covid”, psychologischen Behandlungskosten oder Nachhilfestunden für Kinder und Jugendliche zu stellen. Mehrere Tausend Förderungen wurden in Niederösterreich mittlerweile genehmigt.
Die Corona-Politik und hier vor allem die Kritik an den Maßnahmen der damaligen Regierung waren und sind ein Markenzeichen von FPÖ-Chef Herbert Kickl. Seit einer Woche verhandelt er nun mit der ÖVP über ein mögliches Koalitions-Programm. Punkto Gesundheit gibt es dabei sowohl Verbindendes als auch Trennendes.
Produktionsstandort stärken
Übereinstimmung findet sich in den Programmen, wenn es um den Produktionsstandort Österreich geht – vor allem um die Eigenversorgung mit Medikamenten. Die FPÖ schlägt einen Masterplan vor, um die Verfügbarkeit von Arzneimitteln zu gewährleisten. Gleichzeitig soll die heimische Fertigung forciert werden. Die ÖVP will Österreich gar zur „Apotheke Europas” machen und entsprechende Anreize für Forschung und Produktion schaffen. Details zur Umsetzung sind bislang nicht bekannt.
Was die generelle Finanzierung des Gesundheitssystems angeht, so hat Kickl gegenüber Health Economy schon vor der Nationalratswahl seine Agenda dargelegt. Es brauche „die Finanzierung des Gesundheitswesens aus einer Hand, um die Entscheidungs-, Leistungs- und Finanzierungsebenen endlich zusammenzuführen”. Eine Mammutaufgabe, die man angehen will, um „die Gesundheitsversorgung vor Ort sowohl in den Spitälern als auch im niedergelassenen Bereich” sicherzustellen.
Stipendien als Anreiz
Apropos Versorgung: Eine dezidierte Berufspflicht von fünf Jahren für Absolventen des Medizinstudiums im öffentlichen Gesundheitssystem – wie sie die ÖVP vorgeschlagen hatte, um den Ärztemangel zu bekämpfen – findet sich im Programm der Blauen nicht. Dort heißt es: „Um künftige Absolventen für die Tätigkeit in Österreich zu gewinnen, sollen Studienanwärter, die eine entsprechende Verpflichtung eingehen, bei der Vergabe der Studienplätze vorgereiht werden. Darüber hinaus könnten auch Stipendien ein Anreiz dafür sein, sich zur Berufsausübung in Österreich zu verpflichten.” Auch hier könnte man Anleihen an Niederösterreich nehmen – Mitte des Vorjahres wurden dort die Landarztstipendien verlängert und der Betrag von davor 923 auf 977 € pro Monat erhöht.
Digitalisierung: Ja, aber …
Was die Rolle der Wahlärzte angeht, so schlägt die FPÖ einen eigenen Weg ein: Ist eine Behandlung durch einen Kassenarzt nicht innerhalb einer zumutbarer Frist möglich und besteht dringender Behandlungsbedarf, so soll die Sozialversicherung künftig 100% der Wahlarztkosten ersetzen.
Überschaubar ist die Schnittmenge im Bereich Digitalisierung. Beide Parteien befürworten den Ausbau der Telemedizin. Die ÖVP sieht zudem weiteres Potenzial in der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) – auch im Zusammenhang mit dem European Health Data Space. Zu Letzterem hat sich Harald Vilimsky, für die FPÖ Mitglied im EU-Parlament, in der Vergangenheit skeptisch geäußert: Man sieht datenschutzrechtliche Probleme und befürchtet, dass „die EU über die Gesundheitspolitik in Österreich in intransparenten Entscheidungsprozessen bestimmen möchte. Das lehnen wir ab.”