Hohe Fallzahlen, wenig Tests und Impfungen
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HEALTH ECONOMY Redaktion 18.03.2022

Hohe Fallzahlen, wenig Tests und Impfungen

Neue Coronawelle und gleichzeitige Lockerungen lassen Fallzahlen explodieren. Experten kritisieren Regierung.

••• Von Martin Rümmele

WIEN. Die hohen Corona-Infektionszahlen lassen wieder Diskussionen aufkommen. Vor allem die Aufhebung der Maskenpflicht wird von vielen Experten als Fehler angesehen. Simulationsforscher Niki Popper sieht für den jüngsten, enormen Anstieg der Corona-Neuinfektionen zwei Gründe: zum einen die Aufhebung der Maßnahmen – und die Omikron-Subvariante BA.2.

Dazu kommt, dass es der Regierung bisher nicht gelungen ist, die Impfquote zu erhöhen und Skeptiker zu überzeugen. Die Diskussionen über die Impfpflicht und deren jüngste Aussetzung sorgen zudem für Verwirrung.

Starke Rückgänge

Alle das wirkt sich nun aber auch auf andere Bereiche aus. In Österreich sind die Durchimpfungsraten aller Impfungen deutlich zurückgegangen. Während die Angst vor schweren Verläufen und Koinfektionen mit SARS-CoV-2 und Influenza in der Saison 2020/21 eine massive Nachfrage ausgelöst hatte, ist sie diese Saison stark zurückgegangen. Sie ist gegenüber letzter Saison sogar noch um mehr als fünf Prozent gesunken und lag diesmal bei rund 17%, berichtete der Österreichische Verband der Impfstoffhersteller (ÖVIH) am Montag.

Eine einfache und rasche individuelle Maßnahme könnte ein Impfpasscheck beim Arzt oder Apotheker sein, empfahlen die Impfstoffhersteller. Die Durchimpfungsrate bei Influenza lag diese Saison zwar weit über dem vorpandemischen Niveau, jedoch deutlich unter jenem des vergangenen Jahres und weit unter dem für einen Gemeinschaftsschutz notwendigen Wert. Die geringe Inanspruchnahme der Influenza-Impfung könnte aber in den nächsten Jahren problematisch werden, da die Influenza-Saisonen nach Wegfall der pandemischen Kontaktbeschränkungen vermutlich wieder deutlich schwerer ausfallen werden als zuletzt.



Influenza als Risiko

„Zwar ist die Influenza-Saison heuer glimpflich verlaufen”, sagte Christoph Jandl, Leiter der Arbeitsgruppe Influenza im ÖVIH. „Das hätte aber auch anders ausgehen können und dann wäre auch in der Risikopopulation ein sehr großer Teil nicht vor einem schweren Verlauf geschützt gewesen.”

Auch bei anderen Impfungen wie Masern oder FSME (Zecken) sind die Durchimpfungsraten durch die Pandemie deutlich unter Druck geraten, in vielen Bereichen öffnen sich große Lücken. Eine davon sind die Masern. Auch hier sah man vor der Pandemie immer wieder Ausbrüche in Österreich, 2019 wurden 151 Masern-Fälle gemeldet. Das Ziel der WHO ist seit Jahren, die Impfungen so weit voranzutreiben, dass die Masern endgültig ausgerottet werden können. Notwendig dafür ist eine Durchimpfungsrate von 95% mit zwei Dosen eines Lebendimpfstoffs, betonte Sigrid Haslinger, Vizepräsidentin des ÖVIH.

Schulimpfungen ausgefallen

Bei den wichtigen Basisimpfungen gegen Diphtherie, Tetanus, Poliomyelitis und Keuchhusten sind die Impfraten ebenfalls deutlich gesunken. Die Rückgänge bei den Impfraten und damit beim Schutz liegen klar im zweistelligen Bereich, genaue Zahlen sind hier allerdings nicht bekannt. Besonders problematisch sind die ausgefallenen Schulimpfungen. „Sie werden ohne besondere Anstrengungen nicht aufzuholen sein”, meinte Haslinger. Gerade jetzt sollten die Menschen neben den Basis­impfungen auch wieder an den Schutz vor FSME denken.

Bei FSME kein Herdenschutz

In diesem Fall kann aufgrund des Übertragungsweges von Tier zu Mensch zwar keine Herdenimmunität erreicht werden und auch eine Ausrottung ist nicht möglich, ein individueller Schutz durch Grundimmunisierung und regelmäßige Auffrischung dagegen schon. Die Auffrischungen sind notwendig, um weiterhin den hohen Schutz von 97% zu haben. Mit einem Auffrischungsstich erreicht man aber wieder eine Immunisierung.

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