••• Von Helga Krémer
Klein, aber oho, möchte man sagen: 10x10x34 cm misst der Cubesat namens Pretty, der für die Europäische Weltraumagentur ESA gebaut wurde und nach derzeitiger Planung am 4. Oktober an Bord einer Vega-Rakete seine Reise ins All antreten soll. Der Start erfolgt vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou (Französisch-Guayana) aus.
Als Teil der weltweiten Umwelt- und Wetterbeobachtung der ESA soll er den Klimawandel erforschen und zur Nachhaltigkeit im Weltraum beitragen. Entwickelt wurde der Satellit von Beyond Gravity Austria als Hauptauftragnehmer gemeinsam mit der TU Graz sowie der Seibersdorf Labor GmbH; gebaut wurde der Pretty-Klimasatellit vollständig in Österreich. „Zum ersten Mal hatten wir die Gesamtverantwortung für eine gesamte Raumfahrtmission – ein Ritterschlag für jedes Weltraumunternehmen”, so Kurt Kober, Geschäftsführer von Beyond Gravity Austria (ehemals Ruag Space), Österreichs größtem Weltraumzulieferer.
Trotz seiner Schönheit steht Pretty aber für Passive reflectometry and dosimetry und wird als Nutzlast zwei wissenschaftliche Experimente fliegen.
Reflexion von Licht
Das Herzstück ist ein passives Reflektometer-System zur genauen Vermessung der Erdoberflächen, entwickelt von Beyond Gravity in Wien (Konzept und Softwaresystem) und dem Institut für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation der TU Graz (Hardware).
Diese neue Technologie kommt im Hauptinstrument zum Tragen und bestimmt Eisbedeckungen auf der Erdoberfläche sowie die exakte Höhe der Meeresspiegel und die Intensität von Meereswellen. „Dieses Instrument erlaubt besonders genaue Höhenmessungen bis in den Dezimeter- und Zentimeterbereich”, so Projektleiter Walter Hörmanseder von Beyond Gravity.
Outer Space-Premiere
Andreas Dielacher, der zuständige Systemingenieur bei Beyond Gravity, ergänzt: „Die interferometrische Methode wird erstmalig im All angewandt. Dabei werden empfangene Signale der EU-Navigationssatelliten Galileo und der US-Navigationssatelliten GPS verwendet, um sie mit an der Erdoberfläche reflektierten Signalen zu korrelieren. Daraus lassen sich unter anderem die Höhe von Wellen und Eiskappen bestimmen, aber auch Windgeschwindigkeiten oder Bodenfeuchte. Die gewonnenen Daten werden von einem internationalen Wissenschafts-team ausgewertet, das auf diese dringend wartet.” Die Daten werden der Öffentlichkeit frei zur Verfügung gestellt.
Strahlenquantifizierung
SatDos die zweite Nutzlast von Pretty, wurde von Seibersdorf Laboratories entwickelt und liefert mithilfe von mehreren Strahlungssensoren Erkenntnisse zu Sonnenaktivität und Weltraumwetter. Die im Rahmen von Pretty entwickelte SatDosReferenzdosimeter-Plattform misst den Einfluss der Strahlungsumgebung im Weltall auf Elektronikbauteile, wie sie vielfach in allen modernen Geräten und natürlich auch in Satelliten zum Einsatz kommen.
„Die gemessenen Strahlungseffekte erlauben Rückschlüsse auf das aktuell vorherrschende Weltraumwetter und die Zuverlässigkeit von Elektronik in Satelliten”, erklärt Christoph Tscherne, Experte für Strahlungsfestigkeit und Projektleiter für Pretty bei Seibersdorf Laboratories; damit trägt die Referenzdosimetrie-Plattform SatDos zur Nachhaltigkeit von Weltraummissionen bei.
Die TU Graz steuert zudem die Satellitenplattform bei, führte die Fertigungs-, Montage-, Integrations- und Testaktivitäten durch und wird mit der Bodenstation am Campus Inffeldgasse für den Betrieb des Satelliten verantwortlich sein.
Nummer 5 lebt!
Pretty wird der fünfte Satellit „Made in Austria” im Weltall sein. Es ist bereits der dritte Nanosatellit aus den Labors der TU Graz. „Die Analyse des Klimawandels und wie wir dessen Herausforderungen begegnen, sind zentrale Forschungsthemen der TU Graz. Der Satellit ‚Pretty' wird hierfür einen wichtigen Beitrag leisten”, sagt Harald Kainz, Rektor der TU Graz.
Denn mit den anspruchsvollen wissenschaftlichen und technologischen Herausforderungen von Satellitenmissionen sei die TU Graz bestens vertraut. „Mit ‚Tugsat-1' und ‚Ops-Sat' konnten wir mit der Konstruktion und Produktion von Satelliten sowie deren Überwachung von der Erde aus über viele Jahre Erfahrung sammeln”, so Kainz.
Die Mission von Pretty ist auf mindestes ein Jahr ausgelegt, nach Missionsende wird die güldene Schönheit auf natürliche Weise wieder in die Erdatmosphäre eindringen – und verglühen.