Das sonnige Gemüt des Andreas Buhl
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INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 14.02.2020

Das sonnige Gemüt des Andreas Buhl

„Seine” Ruag Space Austria hat die Thermalisolation für die 1,5 Mrd. € teure Raumsonde Solar Orbiter realisiert.

••• Von Paul Christian Jezek

Die Sonde Solar Orbiter der europäischen Raumfahrtagentur ESA startete am Montag dieser Woche von Cape Canaveral im US-Bundesstaat Florida zur Sonne; an Bord einer Atlas-V-411-Rakete hob der Orbiter um 5.03 Uhr (MEZ) ab.

Es dauert noch bis Ende nächsten Jahres, bis der Orbiter in seine endgültige Umlaufbahn gelangt. Die Reise von Solar Orbiter zur Sonne wird rund drei Jahre dauern. Vor der 1,8 t schweren Sonde liegt eine lange Reise: Auf ihrer Flugbahn wird die größte Distanz zwischen dem Orbiter und der Erde bei 300 Mio. km liegen. Ein Radiosignal wird dann 16,5 min brauchen, bis es zur Erde gelangt ist.

Das insgesamt rund 1,5 Mrd. € teure Gemeinschaftsprojekt der US-Raumfahrtbehörde NASA und ihres europäischen Pendants ESA soll neue Erkenntnisse vor allem über weniger bekannte Regionen auf unserem rund 150 Mio. km entfernten Heimatstern ermöglichen – und auch darüber, wie die Sonne die Erde beeinflusst.

Ohne Österreich geht’s nicht

Weil der Solar Orbiter bis auf 42 Mio. km und damit nach kosmischen Maßstäben vergleichsweise sehr nah an die Sonne heranfliegen wird, braucht er einen adäquaten Hitzeschutz: In dieser Entfernung ist die Intensität der Sonne rund 13 Mal so hoch wie auf der Erde.

„Entsprechend hoch sind die Anforderungen”, erklärt Andreas Buhl, Geschäftsführer von Ruag Space Austria, im Exklusivinterview mit medianet.

Ein spezieller Schutzschild aus Titan auf der Sonnenseite schützt den Satelliten durch Abschattung vor dem größten Teil der enormen Hitzebelastung.

Hinter diesem Schild übernimmt Ruag Space die Kühlung der Sonde: „Der gesamte Satellit ist mit einer Thermalisolation aus Österreich umhüllt”, sagt Buhl. „Unsere Thermalisolation hält Temperaturen von –200 bis +300 Grad Celsius aus.”

Made in Lower Austria

Die schwarzfärbige Thermal­isolation wurde im Ruag Space-Standort Berndorf in Nieder­österreich hergestellt und besteht aus mehreren Lagen metallbedampfter Polyester- und Polyimidfolien. Mit einem Gesamtwert von fast zehn Mio. € ist dieses Thermalschutzsystem einer der bislang größten Einzelaufträge für Ruag Space im Bereich Hitzeschutz.

Aber auch ein anderer prestigeträchtiger Auftrag für das Vorzeigeunternehmen trägt dazu bei, dass sich die Menschheit seit Kurzem im wahrsten Wortsinne noch bessere Bilder vom All machen kann. Seit Dezember ist das Weltraumteleskop „Cheops” im All, Ruag Space Austria zeichnet dafür in Kooperation mit dem Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) für die Stromversorgung der Instrumentenelektronik verantwortlich.

Das IWF hat einen von zwei Bordrechnern entwickelt und gefertigt, der den gesamten Datenverkehr abwickelt und zusätzlich die thermische Kontrolle des Teleskops checkt – und das Institut für Astrophysik der Universität Wien lieferte die Programme zur Übertragung und Verarbeitung der wissenschaftlichen Daten.

Ein neues Geschäftsfeld?

Zurück zum Solar Orbiter und – ein wenig – zurück in der Zeit. Die Ruag Space Austria war auch mit dem Transport des Satelliten auf der Erde befasst, denn dafür hat das Unternehmen einen Hightech-Container entwickelt, der mit einer speziellen Türkonstruktion, Hightech-Federelementen und einem ausfahrbaren Satelliten-Trolley ausgestattet (und in Österreich produziert) wurde.

„Das ist ein gutes Beispiel für den Profit, den wir aus dem Know-how-Zuwachs solcher One-Off-Geschäfte ziehen”, erklärt Buhl. „Hightech-Container verkaufen wir laufend an Weltraumkunden.“

Im Bereich der Weltraumthermalisolation ist Ruag Space Austria schon heute Marktführer – nahezu jeder europäische Satellit wird mit Thermalisolation aus Österreich vor extremer Hitze und Kälte im All geschützt.

Das größte österreichische Weltraumtechnikunternehmen kümmert sich weltweit auch um Elektronik und Mechanik für Satelliten und Trägerraketen und verfügt naheliegenderweise über eine Exportquote von annähernd 100% …

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