Landwirtschaft bietet viel Raum zur Automatisierung
© Australian Centre for Field Robotics
INDUSTRIAL TECHNOLOGY 20.11.2015

Landwirtschaft bietet viel Raum zur Automatisierung

Am Bauernhof 4.0 übernehmen Roboter, Drohnen und vernetzte ­Maschinen Arbeiten auf Feld, Weide und im Stall.

••• Von Britta Biron

Bis 2018 werden, so eine aktuelle Analyse von Quest Technomarketing, die deutschen Maschinenbauer noch stärker auf Roboter setzen. Allerdings sind es in erster Linie jene Unternehmen, die bereits heute Roboter an ihren Maschinen einsetzen und damit gute Erfahrungen gemacht haben, die das Wachstum tragen.

Dass auch weiterhin mit 49% fast jeder zweite Maschinenbauer auf Roboter verzichten will, hat verschiedene Gründe.
„Der Hauptteil von ihnen sieht keinen funktionalen Ansatz an der Maschine für Roboter. Sei es, dass ein kontinuierlicher Prozess keine Roboter benötigt oder der Verarbeitungsprozess bereits ohne Roboter vollautomatisiert ist, die Maschinen zu speziell oder zu kompakt für den Roboter sind”, erläutert Thomas Quest, Geschäftsführer von Quest Technomarketing, das Ergebnis der Umfrage, die auch zeigt, dass Roboteranwender hinsichtlich der künftigen Entwicklung deutlich positiver eingestellt sind. Maschinenbauer ohne Roboter erwarten ein Wachstum ihrer Maschinenproduktion von 2% pro Jahr bis 2018, Roboter-Anwender rechnen dagegen mit einem jährlichen Plus von 6,5%.

Bauernhof 4.0

Nach wie vor ist die Automobilbranche sowie deren Zulieferfirmen die größte Kundengruppe für die Roboterhersteller, daneben springen aber auch immer mehr andere Sparten auf den Automatisierungszug auf – auch die Landwirtschaft, wie eine aktuelle Umfrage des VDI jetzt zeigt.

„Grundsätzlich stehen die Befragten dem Zusammenwachsen der virtuellen und realen Welt positiv gegenüber”, fasst Peter Pickel, Vorsitzender der VDI-MEG, die Ergebnisse zusammen. 87% der 170 befragten Landwirte sehen darin eine Chance für ein effizienteres und kostengünstigeres Wirtschaften. „Den größten Vertrauensvorschuss erhält der Einsatz von Feldrobotern”, erklärt Pickel. „74% sehen diese Technik in der landwirtschaftlichen Praxis zukünftig im Einsatz. Nur leicht zurückhaltender sind die Antwortenden beim Thema sensorische Einzelpflanzenerkennung, etwa bei Mais, Zuckerrüben. 70 Prozent gehen davon aus, dass eine individuelle Versorgung der Einzelpflanze mit Nährstoffen erfolgen kann.”
Eine wirksame und ökonomisch sinnvolle Bekämpfung von Unkräutern ohne Herbizideinsatz auf Grundlage sensorischer Unkraut­erkennung halten 64% für eine ­realistische Option
Bei den Themen Elektromobilität und autonome Fahrzeuge sind die Landwirte derzeit noch deutlich skeptischer. Zwar räumen jeweils 43% diesen Technologien eine Chance für den Einsatz in einem Jahrzehnt ein, aber nur 14% denken, dass eine effiziente Nutzung von elektrischen Speichern bei Traktoren eine sichere Anwendungsoption sein wird. Mit autonomen Landmaschinen auf den Feldern rechnet sogar nur jeder Zehnte in zehn Jahren.

Sensoren am Feld

Die Zurückhaltung resultiert vor allem aus den Unsicherheit hinsichtlich Sinn und Verwendungsmöglichkeit von Big Data.

Hubertus Paetow, Vizepräsident der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG), dazu: „Die Kommunikation zwischen Maschinen muss standardisiert erfolgen, da diese Maschinen gewöhnlich von unterschiedlichen Herstellern kommen. Diese Voraussetzungen sind allerdings noch nicht überall vollständig gegeben. Ohne Schnittstellen, die einen Austausch von Daten unterschiedlichster Quellen und Anwendungen ermöglichen, wird die weitere Vernetzung nicht funktionieren.”
Und last but not least ist es auch die Datensicherheit, welche in Verbindung mit Future Farming gelöst werden muss.
Generell bewertet man die Digitalisierung in der Landwirtschaft als schwieriger als in anderen Sektoren, etwa wegen der Witterungseinflüsse, der wechselnden Bodenbeschaffenheit und dem Umgang mit lebenden Organismen wie ­Tieren und Pflanzen.

Nachfrage steigt

Ein Trendthema ist sie, wie kürzlich die Agritechnica in Hannover zeigte, aber trotzdem. Eine Besucherbefragung hat gezeigt, dass für mehr als 40% der Landwirte digitale Produkt- und Serviceangebote ein kaufentscheidender Faktor sind.

„Wer im Agribusiness auf Erfolg setzt, kommt an intelligenter und leistungsfähiger Landtechnik nicht vorbei”, ist allerdings Bernd Scherer, Geschäftsführer des VDMA-Fachverbands Landtechnik, überzeugt.

Digitaler Landarbeiter

Zu den Neuheiten für den Feldeinsatz gehörte etwa der Bonirob des Bosch-Start-ups Deepfield ­Robotics.

Das autonome Fahrzeug steuert per video- und laserbasierter Positionsbestimmung und Satelliten­navigation zentimetergenau und kann dank Kameraaugen und Bildanalyse Pflanzen erkennen und klassifizieren. Dies hilft etwa Züchtern, die Tausende Gewächse auf Blattgröße und -farbe, Fruchtgröße und -form oder Insektenbefall analysieren müssen, um zu entscheiden, mit welchen weitergearbeitet wird. Seine Fähigkeiten bei der Pflanzenerkennung machen Bonirob auch zu einem wirksamen Unkrautbekämpfer
Zudem präsentiert das Bosch-Start-up in Hannover auch „Deepfield Connect – Asparagus Monitoring”, einen Funksensor für bessere Erträge im Spargelanbau. Der Sensor misst die Temperatur in den Erdwällen mit dem Gemüse und überträgt sie auf das Smartphone der Landwirte. Diese können den Temperaturverlauf ihrer Kultur damit im Detail verfolgen und die Wachstumsbedingungen des Spargels optimieren.

Viele Einsatzmöglichkeiten

An autonomen Systemen für das Feld arbeiten aber nicht nur internationale Konzerne, sondern auch das 2014 gegründete österreichische Unternehmen PAS Peschak Autonome Systeme GmbH. Statt auf GPS setzt man auf 3D-Kameras und Sensoren, mit deren Hilfe der smarte Traktor über das Feld navigieren, Hindernissen ausweichen und Pflanzen- und Bodenbeschaffenheit messen kann. Das System soll in spätestens zwei bis drei Jahren marktreif sein und wird durch die Forschungsförderungsgesellschaft (FFG), das accent Gründerservice sowie Crowdfunding (unter den Investoren sind auch etliche Landwirte) finanziert.

In Australien arbeiten Forscher des Centre for Field Robotics unter anderem an einem Roboter für das Hüten und Zusammentreiben von Rinderherden.
Marktreif ist dagegen der Entmistungsroboter Enro der OÖ Schauer Agrotronic. Der digitale Stallbursche wurde noch weiter entwickelt und mit einer neuen Steuerung samt einem großen Touch Display ausgestattet. Zudem bietet das Unternehmen auch Fütterungsroboter und Melkroboter und mit der FarmManager-Sortware einen detaillierten Überblick über Futter- und Wasserverbrauch sowie technische Anlageninformationen in Echtzeit.

Roboter am „Holzweg”

Auch die Holzindustrie, bisher eher eine Low-Tech-Branche, wird zum Einsatzgebiet für Roboter. Die TU Wien hat gemeinsam mit Unternehmen und Partneruniversitäten einen Roboter entwickelt, der Fehler in Schalungsplatten erkennt und repariert.

In einem Sägewerk des Projektpartners Lip Opazne Plosce Bohinj im slowenischen Bohinjska Bistrica läuft bereits erfolgreich eine Prototypenanlage und ergänzt die ansonsten manuelle Korrektur von Holzdefekten.

Erfolgreicher Praxiseinsatz

Die Anlage übertrifft den Menschen in ihrer Fähigkeit, Schadstellen im Holz zu erkennen und einzuschätzen, ob sie noch akzeptabel sind oder doch bereits ausgebessert werden müssen. Auch was die Geschwindigkeit und die Präzision betrifft, mit der die Maschine die notwendigen Ausbesserungen vornimmt, ist sie menschlichen Fähigkeiten überlegen.

Zunächst wird die Schalungsplatte mit einem Kameranetzwerk gescannt. Dieses erkennt Problemstellen, entscheidet, welche von ihnen entfernt werden müssen und berechnet die minimal notwendige Anzahl an Patches.
„Ein Mensch würde sich dabei auf sein Bauchgefühl verlassen”, sagt Projektleiter Andreas Kugi vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik (ACIN). Der Roboter entfernt die Fehler durch kreisrunde Ausschnitte und ersetzt sie durch einen „Patch”, ein gleichgroßes Stück einer astlosen Holzlatte.
„Früher hieß Automatisierung, dass eine größere Anzahl von Werkstücken von einer Maschine genau gleich behandelt wird. Das wäre hier völlig unmöglich, weil jedes Holzstück einzigartig ist und anders verarbeitet werden muss”, erläutert Kugi weiter. „Dieses Projekt zeigt, worin die Zukunft der Automatisierungstechnik liegt: Am automatischen aber individualisiert angepassten hochflexiblen Verarbeiten.”

Intelligente Automatisierung

Eine individualisierte Automatisierungstechnik, die sich auch für kleine Produktionsserien oder sogar für die Herstellung von Einzelstücken effizient einsetzen lässt, könne zudem Wirtschaft und Arbeitswelt nachhaltig positiv beeinflussen, glaubt Kugi: „Durch einen intelligenten Einsatz von Automatisierung und Robotik kann man eine Abwanderung der produzierenden Industrie aus Hochlohnländern wie Österreich verhindern und neue qualitativ hochwertige Arbeitsplätze schaffen.”

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