„Resiliente Supply Chains aufbauen”
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INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 04.10.2024

„Resiliente Supply Chains aufbauen”

Logistik-Experte Sebastian Kummer empfiehlt Ausbau der Verkehrs-, Energie- und Digitalinfrastruktur.

WIEN. Sebastian Kummer ist seit 2011 Vorstand des Instituts für Transportwirtschaft und Logistik an der WU Wien. Gemeinsam mit seinem Team führte er zahlreiche erfolgreiche Forschungs- und Praxisprojekte für Indus­trie- und Handelsunternehmen ebenso wie für Transport- und Logistikdienstleister durch. Er unterstützte zahlreiche Transport- und Logistikausschreibungen und seine Publikationsliste umfasst mehr als 200 Veröffentlichungen. Kummer ist ein anerkannter Experte, wenn es um Versorgungssicherheit geht.

medianet:
Wie hat sich die Versorgungssicherheit in den vergangenen Jahren verändert?
Sebastian Kummer: Wenn wir das im Zusammenhang mit Transport und Logistik analysieren, so fällt sofort auf, dass die internationalen Transport- und Logistikketten nicht mehr so zuverlässig sind wie noch vor wenigen Jahren. Zurzeit stehen sie aufgrund der geopolitischen Spannung deutlich unter Druck.

International ist deutlich, dass wir resiliente Supply Chains aufbauen und, neben einer erhöhten Lagerhaltung vor Ort, vor allem regionale Zuliefererstrukturen entwickeln müssen, um die Abhängigkeit von internationalen Supply Chains zu reduzieren. Ein radikaler Umbau wird nicht möglich sein, da eine Umstellung von der globalen zu einer regionalen Wirtschaft erhebliche Wohlstandsverluste mit sich bringt.


medianet:
Wie hängen Versorgungssicherheit und Infrastrukturausbau zusammen?
Kummer: Der Zusammenhang zwischen Sicherheit und dem Infrastrukturausbau ist für Europa sehr wichtig, da wir im Zusammenhang mit Verkehrs-, Energie- und Digitaler Infrastruktur vor erheblichen Herausforderungen stehen. Wenn kritische Verkehrsinfrastrukturen, wie der Suezkanal oder die Brennerautobahn, ausfallen, führt das zu erheblichen Versorgungsproblemen. Noch kritischer wird es, wenn Lieferketten zusammenbrechen. So würde etwa ein Angriff von China auf Taiwan die Lieferfähigkeit von Microchips erheblich beeinträchtigen und damit eine weltweite Krise auslösen. Wenn wir funktionierende Infrastrukturen haben, dann können wir solche Herausforderungen besser abfangen.

medianet:
Welche Maßnahmen braucht es?
Kummer: Heute verhindern in Österreich normativ ideologische Bedenken den Ausbau der Infrastruktur. Doch für die Energiewende und den Weg zur CO2-neutralen Wirtschaft benötigen wir einen nachhaltigen Ausbau der bestehenden und eine gezielte Entwicklung neuer Infrastrukturen im Verkehrs-, Energie- und digitalen Bereich. Nachhaltigkeit besteht ja aus den drei Säulen, der Ökologie, Ökonomie und dem Sozialen.

Bei kritischer Infrastruktur in Europa gibt es einen erheblichen Sanierungsbedarf. Deswegen müssen wir für die Zukunft stärker auf Redundanzen achten. Wir müssen schauen, dass wir für die europäischen Verkehrs-, Energie- und Datenachsen über Alternativen verfügen. Die Sanierung der Bahninfrastruktur in Deutschland zeigt dies deutlich. Ähnliche Probleme haben wir bei anderen Verkehrsträgern und im Energie- und Datenbereich.
Um Versorgungssicherheit herzustellen müssen wir sehr stark auch sektorübergreifend denken, denn Versorgungssicherheit ist immer auch ein Portfolio aus öffentlichen und privaten Initiativen, aus Maßnahmen zur Gestaltung resilienter Lieferketten, und aus der Bereitstellung von Verkehrs-, Energie- und digitaler Infrastruktur. Im Krisenfall ist ein hohes Maß an Kooperation zwischen den unterschiedlichen Institutionen in unterschiedlichen Sektoren notwendig. (ah)

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