••• Von Reinhard Krémer, Nairobi
Wer sich als Österreicher in Kenia einen frittierten „Gummiadler reinzieht”, sprich ein Backhenderl genießt, würde wohl nicht auf die Idee kommen, dass er damit indirekt in Kontakt mit der Heimat kommen könnte. Nicht, weil das Henderl aus der „Grünen Mark” kommt, sondern weil das gebrauchte Öl dorthin geht – gesammelt von der steirischen Münzer Bioindustrie. Das Unternehmen mit Zentrale in Sinabelkirchen wurde 1991 mit Fokussierung auf die Entsorgung von flüssigen Abfällen gegründet.
Die Idee war von Erfolg gekrönt: Das Unternehmen betreibt heute 15 Standorte in neun Ländern auf drei Kontinenten: Österreich, Deutschland, Ungarn, Rumänien, Slowenien, Holland, Indien, Bangladesch und eben Kenia. „Derzeit beschäftigen wir rund 400 Mitarbeiter und wachsen kontinuierlich weiter. Der Umsatz im Finanzjahr 2021/22 lag bei 430 Mio. Euro”, sagt der Geschäftsführende Gesellschafter Michael Münzer.
Sinabelkirchen goes Mumbai
2016 expandierte man nach Indien: „Wir wurden seitens der indischen Regierung eingeladen, das Land dabei zu unterstützen, eines ihrer großen Probleme zu lösen – die falsche Entsorgung und Handhabung von Altspeisefett”, erzählt Münzer. Indien steht, genau wie Europa, vor der Problemstellung, ihre Importabhängigkeit von fossilen Energieträgern zu reduzieren und die Treibhausgasemissionen in den Griff zu bekommen. „Darüber hinaus hat das Müllproblem, besonders bei flüssigen Abfällen, ein dramatisches Ausmaß erreicht. Wir bieten hier für beide Problemstellungen Lösungen aus einer Hand an”, so der Firmenchef. Gerade in Indien kommt noch ein weiterer Aspekt dazu: „Indien ist Weltmeister im Recycling – alles wird wiederverwendet, so auch das Altspeisefett. Aber nicht für die Energieproduktion, in den meisten Fällen gelangt dieser Abfall zurück in den Lebensmittelkreislauf und damit auf den Teller der Inder. Über die Gesundheitsrisiken, die damit verbunden sind, sind sich jedoch die wenigsten bewusst. Indien hat die höchste Herzinfarktrate bei 30-Jährigen”, sagt Michael Münzer.
Hochqualitativer Rohstoff
„Die Altspeisefette, die wir sammeln können, werden fachgerecht entsorgt und in weiterer Folge zu einem hochqualitativen Rohstoff für die Biodieselproduktion. Dieser wiederum leistet einen signifikanten Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrs- und Transportsektors. Somit betreiben wir hier nachhaltiges Wirtschaften mit den verfügbaren Ressourcen nach dem Firmen-Credo ‚Vom Abfall zur Energie'”, betont der Münzer-Bioindustrie-Chef.
Altspeisefette und -öle stellen als Abfall ein Umweltproblem dar, wenn diese nicht richtig entsorgt werden und zum Beispiel im Kanal landen: „Wir alle haben noch die Bilder des riesigen Fettbergs im Kopf, der die Kanalisation in Großbritannien verstopft hat”, erinnert Münzer an „Fatty McFatberg” anno 2017 in London.
Gebrauchte Speiseöle und -fette sind jedoch wertvolle Rohstoffe, die, getrennt erfasst und aufbereitet, zur Erzeugung von Biodiesel verwendet werden: „Damit entsteht ein hochwertiger und umweltfreundlicher Kraftstoff, der in Dieselmotoren eingesetzt wird. Aus einem Kilogramm Altspeisefett kann ein Kilogramm Biodiesel hergestellt werden, was immerhin drei Kilogramm CO2 einspart. Mit dieser einfachen Altspeisefettsammlung schonen wir nicht nur den Kanal, sondern auch die Umwelt”, erläutert der CEO.
Vom Teller in den Tank
„Das viel zitierte Thema ‚Teller oder Tank' haben wir damit auch überwunden. Es wurde nämlich durch unsere Art zu produzieren zum ‚Zuerst Teller, dann Tank!' Als Nebenprodukte der Biodieselproduktion fallen zudem auch noch Glycerin und Kaliumsulfat an, die in der Chemischen Industrie und Düngemittelindustrie verwertet werden. Somit werden 100 Prozent der eingesetzten Ressourcen wiederverwertet”, so Firmenchef Münzer.
Verarbeitung in Österreich
Das Öl wird dann nach Österreich gebracht: „Durch die ideale Lage am Ölhafen Lobau können wir alle möglichen Transportmittel nutzen – Bahn, Schiff, Lkw – und das tun wir auch. Dabei wird immer eine sinnvolle Abwägung zwischen ökonomischen, aber auch ökologischen Aspekten gemacht”, so Münzer. „Den Vorzug bekommt im Zweifel immer die Bahn, weil sie in der Regel zuverlässig ist, umweltfreundlich und auch auf längere Distanzen günstig. Zudem sammeln wir auch bei den Restaurants, Gasthäusern und Hotels, wo wir mit unserem eigenen Sammelsystem das Altspeisefett in speziellen Kübeln, die von uns zur Verfügung gestellt werden, abholen. Weiters sind wir auch in der Haushaltssammlung aktiv. Dies ist jedoch von Region zu Region unterschiedlich, weil der Abfall Sache der Kommunen ist und daher die Sammlung immer in Abstimmung mit den Gemeinden erfolgen muss”, erzählt Münzer aus der Praxis.
Erfolgreich auch in Ungarn
In Ungarn hat der steirische Betrieb gerade ein derartiges Projekt für eine Haushaltssammlung sehr erfolgreich gestartet – inklusive eines speziellen Behälters, der eine problemlose und saubere Sammlung ermöglicht.
Für die Erzeugung des Biokraftstoffs werden neben Altspeiseölen ausschließlich technische Pflanzenöle wie Rapsöl oder Sojaöl aus Europa verwendet. „Wir produzieren den Biodiesel in Österreich in Gaishorn/Steiermark und im Ölhafen Lobau in Wien. Diese Anlage ist eine der modernsten und größten Biodiesel-Anlagen in Europa. Jährlich werden in unseren beiden Anlagen mehr als 200 Mio. Liter Biodiesel erzeugt. Die nachhaltige Versorgung Österreichs mit dem umweltfreundlichen Kraftstoff wird damit abgedeckt und gesichert. Der Großteil unseres Fertigprodukts wird via Pipeline an unseren Hauptkunden geliefert”, berichtet der Firmenchef. Expandiert wird übrigens auch in Österreich: „Das wohl größte Projekt ist die Errichtung einer Biogasanlage in Pillichsdorf in Niederösterreich, wo unter anderem aus den Rückständen der Biodieselproduktion Gas erzeugt wird. Derzeit befindet sich das Projekt noch in der Begutachtungsphase, diese sollte aber bis zum Frühjahr abgeschlossen sein und wir hoffen, mit dem Bau beginnen zu können.”
Rosige Aussichten
„Wir sehen positiv und optimistisch in die Zukunft. Unser Know-how wird sowohl in Europa als auch auf anderen Kontinenten geschätzt. Aktuell ist der Bedarf an Biodiesel vor allem beim Pkw, aber auch beim Lkw, sehr hoch. Aber wir sind sicher, dass – falls es zum Verbrenner-Aus ab 2035 kommen sollte – auch dann noch genug Einsatzmöglichkeiten für Biodiesel geben wird. Etwa im Transportverkehr oder auch in der Schifffahrt, um nur zwei Beispiele zu nennen”, sagt der Münzer-Bioindustrie-CEO.